Martin Heilig (Bündnis 90/Die Grünen) ist neuer Oberbürgermeister von Würzburg
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Karl-Josef Hildenbrand
Audiobeitrag

Martin Heilig (Bündnis 90/Die Grünen) ist neuer Oberbürgermeister von Würzburg

Audiobeitrag
>

Bayerns erster Grünen-OB: Warum Martin Heilig so deutlich siegte

Bayerns erster Grünen-OB: Warum Martin Heilig so deutlich siegte

Die Grünen jubeln. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte sichern sie sich das Oberbürgermeisteramt in einer bayerischen Großstadt. Mit großem Vorsprung siegte Martin Heilig in Würzburg. Ein Erfolg mit Signalwirkung für die Grünen? Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Feierstimmung bei den bayerischen Grünen. Als Martin Heilig am Sonntagabend die Party seiner Würzburger Parteifreunde erreichte, war prominenter Besuch angereist. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen im Landtag jubelte: "Martin, du hast heute Abend für die bayerischen Grünen Geschichte geschrieben." Als erster Grüner in Bayern wird Heilig bald das Rathaus einer bayerischen Großstadt führen.

Der Erfolg kommt für die Grünen zu einem guten Zeitpunkt: Im kommenden März sind in Bayern Kommunalwahlen. Die Grünen hoffen auf weitere Erfolge. Taugt Würzburg als Blaupause für den Freistaat? Nur bedingt. Denn in Würzburg kamen verschiedene Faktoren zusammen, die in der Stichwahl 65 Prozent für den Grünen-Kandidaten ermöglichten.

Grüne in Würzburg: Seit 2020 die größte Stadtratsfraktion

Bereits in der Vergangenheit konnten die Grünen in Würzburg Erfolge feiern. In der Universitätsstadt stellt die Partei seit 2020 die größte Stadtratsfraktion. Bei den Landtagswahlen 2018 holte der Grüne Patrick Friedl das Direktmandat – das Andrea Behr für die CSU fünf Jahre später zurückholte.

Würzburg ist ein gutes Pflaster für die Grünen. In Großstädten kommt die Partei oft besser an als auf dem Land. Würzburg ist für seine Hochschulen, aber auch als Verwaltungsstadt bekannt. Die Industriekrise macht sich weniger bemerkbar als im nahegelegenen Schweinfurt. Kurz vor der Stichwahl verkündete der Automobilzulieferer Brose, dass das Würzburger Werk wahrscheinlich gerettet ist. Wirtschaftspolitik, ein Feld, bei dem die CSU traditionell punkten kann, war im Wahlkampf offenbar nicht entscheidend.

Heilig setzte auf "Überparteilichkeit"

Der "Erdrutschsieg", von dem Heilig nach der Wahl sprach, ist vor allem auch sein eigener Erfolg – und der seines Teams. Heilig bewarb sich selbst als "überparteilicher" Kandidat. Empfehlungen anderer Parteien folgten erst später. Der 49-Jährige bezeichnet sich selbst als "Realo" innerhalb der Grünen. Ohnehin wirkte es, als wolle er seine Parteizugehörigkeit im Wahlkampf lieber im Hintergrund halten. Auf Wahlplakaten verzichtete er auf Parteilogos.

Sein Wahlversprechen "Brücken bauen" zu wollen, konnte Heilig durch sein bisheriges Auftreten untermauern. Als einer seiner persönlich größten Erfolge gilt ein Verkehrskonzept für die Würzburger Innenstadt. Dafür organisierte Heilig eine Mehrheit im Würzburger Stadtrat: unter anderem mit Stimmen der Linken, ÖDP, Freien Wähler und der FDP.

Öffentliche Kritik an CSU-Kandidatin

Alle Kandidatinnen und Kandidaten im Rennen um das Oberbürgermeisteramt hatten Stärken und erkennbare Schwächen. Doch vor allem CSU-Kandidatin Judith Roth-Jörg wurde öffentlich kritisiert. Was war passiert?

Eine interne Mail aus dem Würzburger Rathaus hatte verschiedene Medien erreicht. Die Mail sollte belegen, dass Martin Heilig sein Amt als Leiter des städtischen Umweltreferats für Wahlkampfzwecke missbraucht haben könnte. Bei einer internen Prüfung konnte jedoch kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Wenig später berichtete die Tageszeitung "Main-Post" über den Vorgang (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Doch in der Kritik stand nicht Heilig – sondern Roth-Jörg.

Nach den Berichten ging Roth-Jörg in die Offensive. In sozialen Netzwerken sprach sie von einer "unfairen Berichterstattung" (externer Link). Sie kritisierte namentlich die beiden Journalisten, die zu dem Thema recherchiert hatten. Roth-Jörg erhielt Zuspruch – aber auch laute Kritik. Es ging um Fragen des politischen Stils. Die "E-Mail-Affäre" entwickelte sich zu einem Makel in Roth-Jörgs Wahlkampf. Vor der Stichwahl plakatierte ihr Team: "Roth statt grün". Boden gutmachen, konnte sie nicht mehr.

Klimapolitik war (mit-)entscheidend

Lange Zeit dominierten große Bauprojekte den Wahlkampf. Viele Würzburger wünschen sich zum Beispiel eine neue Multifunktionsarena. Doch sowohl Roth-Jörg als auch Heilig waren sich in einer ersten Analyse einig, dass "grün" beziehungsweise Klimapolitik ebenso tonangebend waren.

In Heiligs Wahrnehmung ging es im Wahlkampf auch um Stadtbegrünung und Klimaanpassung. Würzburg ist eine der heißesten und trockensten Städte in Bayern. Der Klimawandel ist im Sommer spürbar. Ein regionaler Aufreger ist derzeit ein geplantes Bergwerk, wenige Kilometer von der Stadt entfernt. Kritiker befürchten negative Auswirkungen auf das Würzburger Trinkwasser. Klimapolitik war nicht abstrakt, sondern konkret. Heilig konnte damit punkten.

Nicht mal die Hälfte der Würzburger stimmte ab

Eine Wahrheit hinter dem Erfolg des Grünen ist aber auch: Die Wahlbeteiligung lag im entscheidenden Wahlgang bei lediglich 47,4 Prozent. Als Amtsinhaber Christian Schuchardt (CDU) im vergangenen Herbst seinen Rücktritt verkündete, wurde im Stadtrat heftig über den Wahltermin gestritten. Unter anderem die CSU wollte am Tag der Bundestagswahl abstimmen lassen. Grüne und andere Parteien nicht.

Hinter beiden Forderungen steckte auch politisches Kalkül. Die CSU hoffte bei einer parallelen Abstimmung wohl auf mehr Stimmen für ihre Kandidatin. Womöglich hätte der Grüne Heilig dann schlechter abgeschnitten. Bei der Bundestagswahl lag die Wahlbeteiligung in Würzburg bei 83,7 Prozent. Die CSU schnitt besser ab als die Grünen.

Video: Martin Heilig hat die Stichwahl um das Amt des Würzburger Oberbürgermeisters gewonnen

Martin Heilig feiert Wahlsieg bei Oberbürgermeisterwahl in Würzburg
Bildrechte: picture alliance/dpa | Heiko Becker
Videobeitrag

Martin Heilig feiert Wahlsieg bei Oberbürgermeisterwahl in Würzburg

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!