Wegen Ausschreitungen durch Patienten kommt es immer wieder vor, dass Ärzte die Polizei ins Krankenhaus rufen.
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Wegen Ausschreitungen durch Patienten kommt es immer wieder vor, dass Ärzte die Polizei ins Krankenhaus rufen.
Bildrechte: picture alliance / dpa | Matthias Balk
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Blaulicht im Klinikalltag: Ärzte beklagen Patienten-Übergriffe

Blaulicht im Klinikalltag: Ärzte beklagen Patienten-Übergriffe

An Kliniken gehören Übergriffe durch Patienten inzwischen zum Alltag, beklagen Ärzte – und die Polizei, die im Extremfall gerufen wird, gibt ihnen recht. Zuweilen setzen Krankenhäuser inzwischen auf Sicherheitsdienste und Deeskalationstrainings.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Michael Widder-König vom Klinikum Nürnberg Nord erinnert sich besonders an ein Ereignis, das der Oberarzt an der Psychiatrie miterlebt hat: "Der krasseste Fall war, dass tatsächlich einer meiner Mitarbeitenden auch körperlich angegangen wurde." Bis zu einem gewissen Grad mag man bei dem besonderen Krankheitsbild der Patienten in der Psychiatrie mit heiklen Situationen rechnen, allerdings: "Es kommt in allen Abteilungen vor, dass Patienten in Erregungszuständen oder bei Missverständnissen auch verbal aggressiv werden."

Ärzteverband Marburger Bund: Zwölf Prozent beklagen "häufige" Beschimpfungen

Das belegt auch eine Umfrage des Ärzteverbandes Marburger Bund, der mehr als 9.000 Ärztinnen und Ärzten an Krankenhäusern in ganz Deutschland befragt hat: Zwölf Prozent der Befragten geben an, im Patientenkontakt häufig mit Beschimpfungen, Beleidigungen und anderen Formen verbaler Gewalt konfrontiert zu sein. Zehn Prozent bestätigen sogar körperliche Gewalt durch Patienten.

In der Folge gehören Blaulicht-Einsätze im Krankenhaus "zum Tagesgeschäft", sagt etwa Ralf Kästle von der Polizei München. "Weil Patienten renitent sind. Das ist oft der Fall in Notaufnahmen, wo sich dann vielleicht auch herausstellt, dass sie unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen und nicht mehr ganz Herr ihrer Sinne sind." Und so hat das bayerische Landeskriminalamt (LKA) in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich 1.000 Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit an Kliniken und Sanatorien in Bayern registriert. Ob es sich dabei immer um Übergriffe von Patienten auf Ärzte handelt, geht aus der Statistik des LKA zwar nicht hervor – wohl aber, dass im Klinikalltag sehr wohl ein gewisses Gefahrenpotential besteht.

Gesundheitsministerium sieht Krankenhäuser in der Pflicht

"Pflegepersonal, Ärzte, Hilfskräfte haben Schutz verdient, deshalb müssen einfach ausreichend Personen vorhanden sein", sagt Evelyn Schötz. Die ausgebildete Pflegekraft sitzt für den Linken-Kreisverband Nürnberg-Fürth im Bundestag. Wenn es mehr Personal an Kliniken gäbe, würden die Abläufe beschleunigt; wartende und ohnehin schon angeschlagene Patienten würden nicht noch auf die Geduldsprobe gestellt und würden es sich dann auch zweimal überlegen, ob sie sich gegen mehrere Mitarbeitende aufzubäumen. "Und in besonderen Gefahrenzonen wäre dann auch Sicherheitspersonal angebracht", sagt Schötz. Damit behelfen sich heute schon viele Krankenhäuser, um Mitarbeitende zu schützen.

Entsprechend sieht sich auch das bayerische Gesundheitsministerium nicht an vorderster Stelle in der Pflicht: "In erster Linie liegt es grundsätzlich in der Eigenverantwortung der Träger der jeweiligen Einrichtung beziehungsweise der Arbeitgeber, Gefährdungen vorzubeugen, das Personal zu schützen sowie die Notwendigkeit von Lösungs- und Schutzansätzen zu ermitteln und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu ergreifen", so ein Sprecher auf BR-Anfrage.

Berlin will Delikte gegen Gesundheitspersonal schärfer ahnden

Zugleich schließt sich das Ministerium den Justizministern der Länder an, die im Juni ans Bundesjustizministerium appelliert haben, eine Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes für Klinikmitarbeitende anzustrengen. Tatsächlich haben Union und SPD eine Verschärfung der Gesetzeslage bei Delikten gegen Gesundheitspersonal im Koalitionsvertrag vereinbart. Zum Stand einer möglichen Gesetzesnovelle konnte das zuständige Justizministerium auf BR-Anfrage allerdings noch keine näheren Angaben machen.

Auch am Klinikum Nürnberg hofft man derweil auf die Politik – und zwar bei der Refinanzierung eines Klinik-eigenen Deeskalationstrainings. Unter der Leitung von Pflegedirektor Sven Keitel lernen Mitarbeitende dabei, wie sie sich in brenzligen Situationen mit Patienten am besten verhalten, um die Stimmung abzukühlen. Zu dem Angebot gehören auch Nachbesprechungen von Ausschreitungen und psychologische Begleitung betroffener Mitarbeiter. "Wenn wir Mitarbeiter gewinnen und auch binden wollen, ist es wichtig, dass wir solche Maßnahmen vorhalten", ist Keitel überzeugt. Denn sonst besteht die Gefahr, dass sich der Fachkräftemangel an Krankenhäusern nurmehr verschärft, weil das Gefahrenpotential durch Patienten abschreckt.

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