Um 14 Uhr soll Ankunft sein. "Aber riesige Baustelle", warnt Reisebusfahrer Marek seine Fahrgäste schon einmal vor. Marek meint die Luegbrücke am Brenner. Von München aus fährt der Busfahrer Urlauber über diese Route an den Gardasee. Das Ziel: Peschiera di Garda. Hinter Innsbruck beginnt der Brennerpass, das Wipptal hinauf. Fast ganz oben steht die Luegbrücke, das große Sorgenkind der Brennerstrecke. Etwa 15.000 Fahrzeuge rollen hier pro Tag drüber. Doch soweit ist Marek mit seinem Bus noch nicht.
"Hier bröckelt der Beton, der Stahl rostet"
Als die Brücke in den 60er-Jahren gebaut wurde, wussten die Planer nicht, dass das Streusalz die Stahlelemente im Beton stark angreifen würde. Wie baufällig sie inzwischen ist, zeigt ein Blick in die Brücke hinein. Thomas Gabl ist Bauingenieur und nimmt BR24 mit in das Innere der Luegbrücke. Hier bröckelt der Beton, der Stahl rostet. Das Urteil des Ingenieurs: vernichtend. "Korrosion, Querschnittschwächungen, Tragwerksschwächungen." Gabl kontrolliert regelmäßig, dass die alte Brücke trotz der Ermüdung all die Busse, Autos und LKW noch tragen kann.
Im Video: Brennpunkt Brenner: Wird die Luegbrücke zur Staufalle?
Sensoren überwachen Brückenkonstruktion
Technisch gesehen besteht die Luegbrücke aus fünf Teilstücken. "Die Wurzel allen Übels", sagt Bauingenieur Thomas Gabl, sind die Verbindungen zwischen diesen Tragwerkselementen. Die Korrosion, der Rost sind nicht nur äußerlich zu sehen – Sorgen bereiten dem Brückenmeister die vielen feinen Risse im Beton, durch die das Salzwasser auch die Stahlelemente im Inneren angreifen kann. Damit trotz eingeschränkter Tragfähigkeit die Luegbrücke weiterhin befahren werden darf, wird sie von Stahlträgern provisorisch gestützt. Die Wirkung dieser Konstruktion wird durch eingebaute Sensoren überwacht, die ihre Messwerte an das Handy von Thomas Gabl funken. Ohne diese Behelfs-Maßnahme hätte die ASFINAG, die österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, "die Brücke schon längst sperren müssen".
Besondere Verkehrsführung reduziert Gewicht auf der Brücke
Zusätzlich muss das Gewicht des Verkehrs reduziert werden. Dafür ist ASFINAG-Verkehrsmanager Patrick Bickel zuständig. Nachts ist nur eine Spur pro Fahrtrichtung offen. Tagsüber würde das aber den Verkehr am Brenner zusammenbrechen lassen. Deswegen ein Trick: LKWs und PKWs tauschen ihre Fahrspuren. Der Schwerverkehr wird von der rechten Spur auf die linke, innere Spur über die Brücke umgeleitet. Das Gewicht von LKWs und Bussen liegt damit mittig über den Brücken-Pfeilern, nicht am Rand der Fahrbahn. "Das Konzept war völlig neu, doch wir haben letztes Jahr einen Testversuch durchgeführt und gesehen, dass es funktionieren würde", so Bickel.
Verstopfte Luegbrücke sorgt für verstopfte Landstraßen
Damit auch wirklich alle LKWs vor der Brücke auf die linke Spur wechseln, ist kurz vor der Brücke unter dem Asphalt eine Alarm-Waage installiert. Die Polizei zieht alle Falsch-Fahrer raus. Strafe: 90 EUR. Auf der Brücke selbst: Ein ungewohntes Bild, die Lkws links, die Autos rechts. Ab 1.100 bis 1.200 Fahrzeugen pro Stunde staut es sich dennoch auf der Luegbrücke. Ist sie verstopft, weichen manche Reisenden und LKWs auf die kleinen, sogenannten Begleitstraßen aus. Das allerdings ist verboten. Dort, wo das Fahrverbot beginnt, kontrolliert die Polizei. Nur Anrainer und Anlieger dürfen durch. Alle anderen müssen wieder umdrehen.
Neubau der Brücke soll 2028 abgeschlossen sein
Auch Mareks Navi hatte vorgeschlagen, den Stau auf der Luegbrücke zu umfahren. Marek aber hat sich entschieden, zu bleiben – und damit richtig gelegen. Der Stau auf dem Navi galt nur dem LKW-Verkehr, den über 3,5 Tonnern, die sich links einreihen müssen. Marek kann die Brücke ohne Stau auf der rechten Spur passieren – und weiterfahren Richtung Gardasee.
2028 soll dann die neue Brücke befahrbar sein, und die alte Brücke kann abgerissen werden. "Es gibt schon großes Interesse von den Universitäten den Abbruch zu begleiten, zu schauen, wie schaut das wirklich alles aus und draus zu lernen", erzählt Gabl. Kurz vor der Grenze endet die Luegbrücke und damit auch die besondere Verkehrsführung. Der Schwerverkehr fährt nun wieder ganz normal rechts weiter.
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