Das Rathaus von Bad Reichenhall.
Bildrechte: BR/Herbert Ebner
Bildbeitrag

Durch den Fehler eines Rathaus-Mitarbeiters in Bad Reichenhall landeten veraltete Stimmzettel in aktuellen Briefwahlunterlagen.

Bildbeitrag
>

Bad Reichenhall: Was zum Briefwahl-Vorfall bisher bekannt ist

Bad Reichenhall: Was zum Briefwahl-Vorfall bisher bekannt ist

In Bad Reichenhall hat ein Fehler bei der Ausgabe der Briefwahlunterlagen zum Verdacht auf Wahlbetrug geführt. Da aber die Fakten erst verzögert bekannt gegeben wurden, konnten sich die entsprechenden Gerüchte schnell verbreiten. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Darum geht’s:

  • In Bad Reichenhall hat ein Mitarbeiter versehentlich alte Stimmzettel mit den diesjährigen Briefwahlunterlagen vermischt.
  • Nach dem Anfangsverdacht der absichtlichen Wahlmanipulation hat die Stadt Entwarnung gegeben: Sie konnte keinen Vorsatz feststellen.
  • Die Ermittlungen der Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft dauern noch an.

In Bad Reichenhall hat ein Mitarbeiter nach Angaben des Rathauses versehentlich Stimmzettel der Europawahl 2019 mit den diesjährigen Briefwahlunterlagen vermischt. Nach bisherigen Erkenntnissen landeten dadurch drei veraltete und bereits ausgefüllte Stimmzettel bei Wählern, zwei weitere wurden in den noch nicht ausgegebenen Briefwahlunterlagen gefunden.

Dieser Fehler hatte im Rathaus der Kreisstadt zunächst den Verdacht ausgelöst, es könnte sich um einen versuchten Wahlbetrug handeln. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Traunstein in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei Traunstein dauern noch an. Das Rathaus hält den Vorfall für aufgeklärt.

"Der gravierende Verdacht einer vorsätzlichen Wahlmanipulation konnte dabei ausgeräumt werden, vielmehr handelte es sich um ein menschliches Versehen in der Vorbereitung der Wahl", heißt es in der Pressemitteilung des Rathauses der Stadt Bad Reichenhall vom 23. Mai 2024. Zuvor hatte unter anderem die Passauer Neue Presse (PNP) (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) über die Ursachen des Vorfalls berichtet.

Gerüchte über angeblichen Wahlbetrug verbreiten sich

Nachdem der Oberbürgermeister von Bad Reichenhall den Verdacht einer absichtlichen Wahlmanipulation öffentlich geäußert hatte, verbreiteten sich im Internet zahlreiche Behauptungen, die die Legitimität der Wahl und insbesondere der Briefwahl infrage stellten. Unter anderem bezog sich ein Influencer auf YouTube darauf, der regelmäßig Falschinformationen verbreitet.

Solche Verdachtsfälle oder auch vereinzelte tatsächliche Fälle von Wahlbetrug nutzen Verbreiter von Falschinformation regelmäßig vor und nach Wahlen, um grundsätzliche Zweifel am Funktionieren des Wahlsystems in Deutschland zu säen. Gerade die Briefwahl ist häufig Gegenstand solcher Falschbehauptungen. Welche Gerüchte besonders häufig verbreitet werden und welche tatsächlichen Fälle von Wahlbetrug es gab, erklärt dieser #Faktenfuchs. Sicherheitsmaßnahmen auf mehreren Ebenen machen eine Manipulation unwahrscheinlich, die einen Einfluss auf das Wahlergebnis hat.

Was ist in Bad Reichenhall genau passiert?

Im Fall von Bad Reichenhall hatte eine Bürgerin einen Stimmzettel ausgehändigt bekommen, bei dem bereits die FDP angekreuzt worden war. Zwei weitere Stimmzettel mit Kreuz bei der FDP waren ebenfalls ausgegeben und nach kurzer Zeit reklamiert worden, wie es in der Mitteilung der Stadt heißt. In den noch auszugebenden Unterlagen hätten sich außerdem zwei weitere Stimmzettel befunden, bei denen das Kreuz ebenfalls bei der FDP gesetzt war. Das Rathaus untersuchte den Fall weiter und lieferte am 23. Mai eine Erklärung. Es habe sich herausgestellt, dass die verdächtigen Zettel alte Wahlzettel der Europawahl 2019 waren, die "nach Form, Größe und Optik den aktuellen Stimmzetteln ähneln".

"Diese sind allerdings nicht von dritter Hand oder in der Absicht, die Wahlen zu beeinflussen, in den Verkehr gelangt", schreibt das Rathaus in der Pressemitteilung.

Dahinter steckte laut Rathaus das Versehen eines Mitarbeiters, der nach Angaben von Oberbürgermeister Christoph Lung bereits bei über 30 Wahlen mitgewirkt hatte. Der Mitarbeiter habe die betreffenden Stimmzettel aus einem im Aktenvernichtungsraum gelagerten Paket mit gültigen Stimmen der Europawahl 2019 genommen, um die Abmessungen der Wahlzettel zu prüfen und die diesjährige Europawahl vorzubereiten. Wie Oberbürgermeister Lung dem #Faktenfuchs in einer E-Mail erläuterte, sei die Abmessung der Wahlzettel wichtig, um die passenden Behältnisse bereitzustellen, in denen die Wahlunterlagen aufbewahrt werden. Zu dem Zeitpunkt lagen die Wahlunterlagen für dieses Jahr noch nicht vor und konnten deshalb nicht dafür verwendet werden.

Durch einen "Kommunikationsfehler" seien diese Stimmzettel dann aber nicht wieder in den Aktenvernichtungsraum zurückgebracht, sondern gefaltet zu den Briefwahlunterlagen für die diesjährige Europawahl gelegt worden, heißt es in der Pressemitteilung vom 23. Mai. "Dadurch kam es zu einer Vermischung der Unterlagen, die auch die direkte Abfolge der fünf betroffenen Stimmzettel erklärt."

Laut Oberbürgermeister Lung gab es keinen Grund, die alten zu den neuen Stimmzetteln zu bringen. "Die alten Stimmzettel hätten sofort wieder in den Aktenvernichtungsraum gebracht werden müssen, was aber nicht geschehen ist. So wurde dieses Versehen erst möglich."

Was genau verbirgt sich hinter dem "Kommunikationsfehler" und wie sind die alten Wahlzettel zu den neuen gelangt? Die konkreten Zeitabläufe könne man "leider nicht im Detail rekonstruieren", schreibt das Büro des Oberbürgermeisters auf Nachfrage. Nachdem die alten Stimmzettel nicht umgehend wieder in den Aktenvernichtungsraum gebracht worden waren, habe ein aus dem Urlaub zurückgekehrter Mitarbeiter "die alten zu den aktuellen Stimmzetteln" gebracht, die in der Zwischenzeit eingetroffen waren. "Zusammengefaltet gleichen die alten Stimmzettel denen der diesjährigen Europawahl", heißt es in der Mail.

Lung hatte zuvor geschrieben, dass die Stadt die Schilderungen des Mitarbeiters lückenlos nachvollziehen konnte. Sie seien "nach unserer Bewertung uneingeschränkt glaubhaft". Aus Sicht des Rathauses kann vorsätzliches Handeln deshalb ausgeschlossen werden, es sei auch kein Motiv dafür zu erkennen.

Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Sowohl die Kriminalpolizei Traunstein als auch die Staatsanwaltschaft Traunstein haben nach Bekanntwerden des Verdachts Ermittlungen gegen Unbekannt eingeleitet. Laut dem Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Daniel Katz, geht die Kriminalpolizei nach derzeitigem Kenntnisstand nicht von einer Straftat aus. Allerdings: Die Ermittlungen laufen noch. Rainer Vietze, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein, sagte dem #Faktenfuchs, man werde die Informationen der Stadt nicht ungeprüft übernehmen, sondern sorgfältig aufklären.

Mit einem Ermittlungsergebnis sei frühestens kommende Woche zu rechnen. Unterlagen, wie die Vernehmungsprotokolle, seien noch nicht bei der Staatsanwaltschaft eingetroffen.

Landeswahlleiter: Alle Maßnahmen ergriffen

Für die Überprüfung von Wahlen, die in Bayern abgehalten werden, ist der Landeswahlleiter zuständig. Also auch für die Europawahl. Verantwortlich für die Aufklärung des konkreten Vorfalls sind zunächst die Stadt Bad Reichenhall und das Landratsamt Berchtesgadener Land. Letzteres informierte das Büro des Landeswahlleiters. "Aus unserer Sicht wurden frühzeitig alle Maßnahmen ergriffen, um eine vollständige Aufklärung des konkreten Falls zu gewährleisten", hieß es auf #Faktenfuchs-Nachfrage aus dem Büro des Landeswahlleiters.

Wie das Landratsamt Berchtesgadener Land dem #Faktenfuchs in einer Mail schrieb, stand auf den Stimmzetteln im oberen Bereich "Stimmzettel für die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments am 26. Mai 2019 im Freistaat Bayern". Hätten die Wähler nichts gemerkt, so eine Sprecherin des Landratsamts, wäre die Stimmabgabe ungültig gewesen: Denn dann wären ein für diese Wahl nicht gültiger Stimmzettel – nämlich der von 2019 - verwendet und gegebenenfalls zudem zwei Kreuze statt nur eines gesetzt worden.

Vorgaben für Wahlen – und die Briefwahl – sind eng

Wenn ein Verdacht auf Wahlmanipulation im Raum steht, kommen dazu schnell Gerüchte und Behauptungen auf. Viele jener Gerüchte, die sich erfahrungsgemäß rund um Wahlen verbreiten, lassen sich widerlegen, wenn man die Vorgaben für Wahlen kennt – denn diese machen großflächige Manipulation unwahrscheinlich.

So ist wichtig zu wissen, dass auch die Briefwahlstimmen öffentlich ausgezählt werden. "Das heißt, jeder kann zum Briefwahlvorstand gehen und da der Auszählung beiwohnen und sich das anschauen", sagte Landeswahlleiter Thomas Gößl dem #Faktenfuchs im vergangenen Jahr vor der Landtagswahl in Bayern. Ausführliche Informationen zur Sicherheit der Briefwahl finden Sie auch in diesem #Faktenfuchs von 2021.

Falschinformationen können einen Einfluss haben auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratische Institution der Wahl. Eine repräsentative Umfrage etwa zeigte 2021: Knapp ein Drittel der Befragten befürchtete, dass es bei der damals anstehenden Bundestagswahl nicht mit rechten Dingen zugehen könnte. Wie genau sich solche Gerüchte auswirken können, lesen Sie in diesem #Faktenfuchs.

Bei Wahlen sei davon auszugehen, dass für das Ergebnis nicht relevante Fehler passieren, sagte der Wahlsystem-Experte Daniel Hellmann vom Institut für Parlamentarismusforschung dem #Faktenfuchs im Herbst 2023. "Wahlen sind ein gigantisches Organisationsunterfangen." Es sei statistisch unwahrscheinlich, dass da keine Fehler auftreten.

Fazit

In Bad Reichenhall tauchten bereits ausgewählte Stimmzettel zur Europawahl 2019 bei den diesjährigen Briefwahlunterlagen auf. Grund dafür ist laut Angaben der Stadt ein Versehen eines Mitarbeiters. Er hatte alte Stimmzettel von 2019 am falschen Ort liegen gelassen. Es gebe keinen Hinweis auf absichtliche Manipulation der Wahl, sagt die Stadt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen noch.

Unsere Quellen:

Hier listen wir die Quellen auf, die wir für die Recherche verwendet haben. Neben den im Artikel verlinkten Quellen wurden im Zuge der Recherche weitere verwendet.

Telefonate bzw. Mail-Austausch mit:

  • Büro des Oberbürgermeisters Bad Reichenhall
  • Landratsamt Berchtesgadener Land
  • Büro des Landeswahlleiters
  • Kriminalpolizei Traunstein
  • Staatsanwaltschaft Traunstein

Webseiten:

Landesamt für Statistik / Landeswahlleiter: Europawahlen Durchführung

Landesamt für Statistik / Landeswahlleiter: Europawahlen

Passauer Neue Presse, "R​​ätsel gelöst: Doch keine Wahlmanipulation in Bad Reichenhall" (externer Link)

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!