Kein Bürgergeld für Arbeitsunwillige mehr, weniger Krankenkassen und eine Ausweitung der Lebensarbeitszeit: Mit diesen und weiteren Vorschlägen will CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek eine Debatte über umfassende Reformen des Sozialstaats anstoßen. Hauptziel dabei: Soziale Sicherheit gewährleisten – aber den Sozialstaat trotz immer weiter steigender Kosten auf Dauer finanzierbar halten. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Holger Grießhammer, weist die Vorschläge zurück und wirft Holetschek vor, die Debatte "auf dem Rücken der Schwächsten" zu führen.
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Holetschek: Helfen und zum Arbeiten motivieren
"Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Konsens über die Finanzierung des Sozialstaats: Wie wollen wir den Staat in Zukunft aufstellen und welche Prioritäten setzen wir", sagte Holetschek der Deutschen Presse-Agentur in München. Um den Sozialstaat zu erhalten, brauche es Veränderungen, heißt es in einem Papier, das Holetschek erarbeitet hat.
Der Sozialstaat sei ein tragendes Prinzip der Verfassung und ein entscheidendes Staatsziel in Deutschland, betont Holetschek: "diejenigen stärken, die sich selbst nicht helfen können, und sie gleichzeitig motivieren, eigene Anstrengungen zu unternehmen". Wo jemand durch eigene Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten könne, sei sozialstaatliche Hilfe nicht nötig.
Soziale Sicherung nur "aus berechtigtem Grund"
"Deshalb muss die soziale Sicherung nach einer angemessenen Zeit der Arbeitssuche wegfallen", heißt es in Holetscheks Papier. "Das setzt den richtigen Anreiz zur Arbeit, verbessert die Integration von Zuwanderern und baut Pull-Faktoren für eine Migration in unsere Sozialsysteme ab." Experten weisen stets darauf hin, dass Sozialleistungen kein "Pull-Faktor" sind, sondern Migration oder Flucht vielfältige Ursachen haben. Andere Faktoren spielen laut Experten eine größere Rolle.
Soziale Sicherung muss laut Holetschek wieder auf die Fälle beschränkt werden, in denen jemand aus berechtigtem Grund nicht oder nicht voll arbeiten könne, etwa wegen Alter, Krankheit, einer Behinderung, Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen. Aus Sicht der SPD-Fraktion greifen Holetscheks Forderungen zu kurz und schürten Vorurteile. "Pauschal von Arbeitsunwilligen zu sprechen, obwohl sie weniger als 1 Prozent der Empfänger ausmachen, zeigt ein geringes Verständnis für die wahren Ursachen von Arbeitslosigkeit – wie psychische Belastungen oder mangelnde Jobchancen", bemängelt Fraktionschef Grießhammer.
Weniger Krankenkassen, weniger Kosten?
Zudem schlägt Holetschek – als einen Baustein zum Kostensparen – vor, die Zahl der Krankenkassen zu reduzieren. "Ein System mit 95 gesetzlichen Krankenkassen, die jeweils über eigene Verwaltungsstrukturen verfügen, ist nicht mehr zeitgemäß", heißt es in dem Papier. "Um die Kosten zu senken, aber ohne Einschnitte beim Leistungsspektrum, müssen wir die Strukturen verschlanken und mithilfe der Digitalisierung verbessern." Von den Krankenkassen war in der Vergangenheit allerdings zu hören, dass die Verwaltung nicht der große Kostenfaktor sei.
Holetschek: Sozialstaat ist keine Vollkasko-Versicherung
Der Sozialstaat dürfe "nicht als Vollkasko-Versicherung missverstanden werden", argumentiert Holetschek: "Deshalb müssen wir ihn wieder stärker auf seine originären Aufgaben fokussieren, um damit seine Funktionsfähigkeit für die Zukunft zu erhalten." Insbesondere fordert er eine umfassende Pflegereform: "Die Pflege wird zur Schicksalsfrage der Generationen, deshalb muss die Pflegereform das zentrale Vorhaben sein."
Mehr Lebensarbeitszeit
Zudem plädiert Holetschek für eine Ausweitung der Lebensarbeitszeit – wobei er an der Rente mit 67 grundsätzlich nicht rütteln will. Es brauche vielmehr steuerliche Anreize wie die Steuerfreistellung von Überstunden sowie steuerliche Vorteile für all jene, die trotz der Möglichkeit, in Rente zu gehen, weiterarbeiten wollen. "Dazu gehört aber auch die Förderung von Erwerbstätigkeit von Frauen, insbesondere durch die weitere Verbesserung der Betreuung von Kindern." Aber auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege müsse verbessert werden – beispielsweise auch mit einem Ausbau von Kurz- und Tagespflegeplätzen.
Auch hier kommt Kritik von der SPD. Sowohl die geplante Ausweitung der Lebensarbeitszeit als auch die Reduzierung der Krankenkassen seien unzureichende Maßnahmen. Nicht jeder könne bis ins hohe Alter arbeiten, gerade für Menschen in belastenden Berufen sei ein stabiles Rentenniveau wichtiger als Steuervorteile, die vor allem den gesündesten Beschäftigten zugutekommen, sagte SPD-Fraktionschef Grießhammer in einer Mitteilung. Auch die Idee, durch weniger Krankenkassen Kosten zu sparen, greift laut Grießhammer zu kurz: "Eine Reduktion bringt keine wesentlichen Einsparungen, solange die zentralen Finanzierungsprobleme ungelöst bleiben".
Mit Informationen von dpa
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