Burschenschafter am vergangenen Samstag auf dem Weg zur Frankonia | AfD-Politiker Daniel Halemba
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Burschenschafter am vergangenen Samstag auf dem Weg zur Frankonia | AfD-Politiker Daniel Halemba

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Burschenschaften: AfD-Politiker Halemba bei umstrittener Mensur

Burschenschaften: AfD-Politiker Halemba bei umstrittener Mensur

Bei einer rechtsextremen Burschenschaft soll es am Samstag zu einer verbotenen Mensur gekommen sein, bei der "viel Blut fließen" sollte. BR-Recherchen zeigen: Auch der AfD-Politiker Daniel Halemba war vor Ort – in einem T-Shirt mit Reichsflagge.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Bei dem "Gemetzel, der illegalen Pro-Patria-Suite" werde "viel Blut fließen": Mit diesen Hinweisen meldeten sich Informanten aus der Burschenschaftsszene schon vor Wochen beim Bayerischen Rundfunk. Diese wollen ihre Namen aus Sicherheitsgründen jedoch nicht in den Medien lesen. Am vergangenen Samstag solle ein "illegales Fecht-Duell" auf dem Haus der Erlanger Burschenschaft Frankonia stattfinden, so die Mitteilung.

Neben der Frankonia soll auch die Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg involviert sein, der auch der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba angehört. Die Aktivitas (aktive Studenten) beider Burschenschaften werden vom Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft.

Informanten: Keine übliche Mensur, sondern Duell

Dass auf dem Haus einer schlagenden Burschenschaft eine Mensur stattfindet, ist nichts Außergewöhnliches. Unter einer Mensur versteht man den Fechtkampf zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Studentenverbindungen mit Klingenwaffen, der als Mittel zur charakterlichen Erziehung dient. Die Paukanten (Teilnehmer der Mensur) fechten also mit Mitgliedern anderer Verbindungen nach strengem Reglement und genauen Sicherheitsvorschriften, die auch das Tragen besonderer Kleidung einschließen, ein Arzt ist dabei zugegen. Am Samstag soll es sich den Informanten nach aber nicht um eine übliche Mensur gehandelt haben.

Vielmehr war von einer PP-Suite die Rede. Die Bezeichnung steht für Pro-Patria-Suite, einer Fechtfolge "für das Vaterland", ausgetragen unter verschärften Bedingungen und – so heißt es immer wieder aus Kreisen der Burschenschafter – mit verminderten Schutzmaßnahmen. Ein solches Duell wurde früher üblicherweise zur Bereinigung von Ehrenhändeln ausgetragen, also zur Auseinandersetzung zwecks Wahrung der Ehre. Studentenverbindungen weisen immer wieder darauf hin, dass sowohl Pro-Patria-Suites, als auch Mensuren zulässig seien, weil keine Ehrenhändel beziehungsweise Duelle ausgetragen werden. Nur dann seien Mensuren und PP-Suites erlaubt – das bestätigte auch der Bundesgerichtshof.

AfD-Politiker in weißem T-Shirt mit Reichsflagge vor Ort

Doch am Samstag soll es zu einer Bereinigung eines solchen Ehrenhandels gekommen sein. Informanten aus der Burschenschaftsszene teilten dem BR mit, dass ein Verbindungsstudent der Teutonia die minderjährige Schwester eines Frankonen sexistisch beleidigt haben soll. Aufgrund dieser Ehrverletzung soll eine PP-Suite vereinbart worden sein. Nach dem Duell hätte die Frankonia entscheiden müssen, ob die "verletzte Ehre gebüßt wurde". Auch der AfD-Politiker Daniel Halemba habe dafür eine Partie fechten sollen, so die Hinweisgeber. Ein Team von BR-Reportern war deswegen am Samstag vor Ort und beobachtete das Geschehen.

Der Landtagsabgeordnete Halemba erschien bei der Frankonia in einem weißen T-Shirt mit dem Rücken-Aufdruck "Oberschlesien" und der Reichsflagge schwarz-weiß-rot am Ärmel. Dieses T-Shirt wird auch von einem Neonazi-Versand vertrieben. Weiße T-Shirts werden an Mensurtagen als "Paukshirts" bezeichnet, so ein Burschenschafter zum BR, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht in den Medien lesen will. Verbindungsstudenten "mit der weißen Hose und einem weißen Oberteil sind direkt an der Mensur beteiligt. Entweder als Paukant (Anm.: Teilnehmer der Mensur) oder Sekundant (Betreuer des Paukanten)", so der Informant.

Polizeieinsatz bei Burschenschaft Frankonia

Schon lange vor dem offiziellen Start fanden sich etliche Burschenschafter der Prager Teutonia aus Würzburg bei der Frankonia in Erlangen ein. Eine Gruppe anderer Burschenschafter aus Sachsen-Anhalt betrat das Haus mit den Worten: "Auf zum fröhlichen Fechten, schauen wir uns das Spektakel mal an". Weil Mensuren oder PP-Suites hinter verschlossenen Türen stattfinden, ist von außen wenig erkennbar gewesen. Lediglich das Vorbereiten der Paukanten war ersichtlich. Auf der Straße hingegen waren das Aufeinanderprallen und Klirren der Klingen deutlich hörbar.

Nach mehreren Stunden fuhren zwei Polizeistreifen mit Blaulicht vor das Haus und versperrten die Hofeinfahrt. Die Beamten betraten das Anwesen und sprachen mit den Burschenschaftern, von denen einer einen blauen Verband um den Kopf trug. Auf Nachfrage bei der Polizei hieß es, es habe einen anonymen Hinweis gegeben, dass "mehrere Personen schwere Kopfverletzungen" erlitten hätten. Die Beamten konnten aber auf den ersten Blick keine Schwerverletzten feststellen und zogen ab – hatten allerdings auch keinen Zugang zum Haus.

AfD-Landtagsabgeordneter Daniel Halemba.
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Daniel Halemba bei umstrittenem Fecht-Duell

AfD-Politiker Halemba will von PP-Suite nichts mitbekommen haben

Was genau nun am vergangenen Samstag auf dem Haus der Frankonia in Erlangen passierte, ist bislang nicht bekannt. Anfragen an die Burschenschaft Teutonia und die Burschenschaft Frankonia blieben unbeantwortet. Lediglich Daniel Halemba antwortete ausführlich auf die Fragen, aus seinen Antworten soll aber nicht zitiert werden. Er war demnach nur als Gast vor Ort und wisse nicht, ob eine Pro-Patria-Suite stattfand. Laut Beteiligten kam es allerdings zu mehreren "Abfuhren", also starken Verletzungen oder Blutungen bei beteiligten Paukanten.

Frühere PP-Suite in Erlangen führte zu schweren Verletzungen

Eine frühere PP-Suite zwischen zwei anderen Verbindungen zeigt, dass es bei verbotenen Duellen oder Pro-Patria-Suites auch zu schweren Verletzungen kommen kann. Im Februar 2023 wurden dabei zwei Verbindungsstudenten aus Bayreuth so massiv verletzt, dass sie in die Uniklinik Erlangen gebracht werden mussten. Es habe zwei "klinische Abfuhren" gegeben, hieß es danach in der Korrespondenz der Korporationen. Der internen Kommunikation zufolge wurde ein Beteiligter in die Uniklinik eingeliefert, weil ein "Knochenlappen circa einen Zentimeter tief" in den Schädelknochen eindrang. Der zweite Verbindungsstudent habe einen "sauberen Terz-Treffer mit starker arterieller Blutung an zwei Stellen" erlitten, berichtete ein Beteiligter. Trotz aller "Tricks der erfahrenen Paukärzte (Anm.: Bei der Mensur anwesende Ärzte) gelang es nicht, die Blutungsquellen zu eliminieren".

Pro Patria-Suites, die auch zum Austragen von Ehrenhändeln und somit als Duelle und nicht als sportliche Betätigungen durchgeführt werden, "sind absolut normal und gehören in Deutschland und Österreich zum Normalfall", so ein Burschenschafter im BR-Gespräch. Vor allem, wenn die Schutzmaßnahmen vermindert werden, gebe es "besondere Anerkennung, weil es besonders gefährlich ist. Es wird beispielsweise kein Nasenblech benutzt. Man kann also im schlimmsten Falle die Nase abgeschlagen bekommen." Aber, so der Insider: Diese illegalen PP-Suites seien "ganz schwer nachzuweisen. Denn man muss den Paukanten und Umstehenden die Intention nachweisen".

Verschwiegenheitserklärungen: Keine Kooperation mit der Polizei

Die Kriminalpolizei Erlangen ermittelte auch nach der PP-Suite vom Februar 2023 wegen gefährlicher Körperverletzung – ohne Erfolg. "Die Mitglieder solcher Burschenschaften sind der Polizei gegenüber nicht unbedingt aussagefreudig, die wollen sich da nicht so in die Karten schauen lassen", sagte ein Ermittler damals.

Dieses Vorgehen sei nicht verwunderlich, so ein Burschenschafter im BR-Gespräch. Denn jede Verbindung, "die ich kenne, hat in ihren Statuten eine Verschwiegenheitsverpflichtung über jedwede internen Angelegenheiten den Bund betreffend. Besteht auch nur der geringste Verdacht, dass dagegen verstoßen worden sein könnte, drohen demjenigen drakonische Konsequenzen."

In der TV-Sendung "Frankenschau aktuell" vom 12.07.2024 wurde irrtümlicherweise berichtet, dass in dem gegen Daniel Halemba eingeleiteten Strafverfahren (Vorwürfe u.a. vorsätzliche Geldwäsche, Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher terroristischer Organisationen) die Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen sei. Richtig ist, dass bis zum heutigen Tag (01.08.2024) das Amtsgericht über die Zulassung noch nicht entschieden hat.

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