Seit April 2024 gilt in Deutschland das neue Cannabis-Gesetz – seitdem ist der Konsum für Erwachsene weitgehend legalisiert. Auch das Verschreiben von Cannabis als Arzneimittel, eigentlich vorgesehen für bestimmte Krankheitsbilder, ist seither deutlich einfacher. Viele Anbieter werben damit, dass man bei ihnen unkompliziert per Video-Sprechstunde oder nur per Fragebogen an das elektronische Rezept kommt. Einlösen kann man es online – das medizinische Cannabis kommt dann per Post.
Cannabis-Rezept "nur nach nach einem persönlichen Kontakt"?
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) findet die aktuelle Lage problematisch. Ein Gesetzentwurf aus ihrem Ministerium sieht vor, dass Cannabis bald "nur nach einem persönlichen Kontakt" zwischen Arzt und Patient verschrieben werden darf, in der Praxis oder bei einem Hausbesuch. Wegen Suchtgefahr, anderer Gesundheitsrisiken und unerwünschter Wirkungen sei das "sinnvoll und geboten".
Künftig soll es auch für Folgeverschreibungen innerhalb der vergangenen vier Quartale einen direkten Kontakt gegeben haben müssen. Und: Medizinisches Cannabis soll nicht mehr von Online-Händlern versendet werden dürfen, sondern nur noch vor Ort in Apotheken erhältlich sein.
Bayern fordert: Rezept nur mit medizinischem Grund
Schluss also mit medizinischem Cannabis, das man sich komplett online besorgen kann – so will es Warken. Bayerns Staatsregierung unterstützt das. "Die vorgesehene Untersagung des Versandhandels und die Stärkung des wichtigen direkten Arzt-Patienten-Kontakts in Bezug auf die Verschreibung sind notwendige und zielführende Regelungen", sagt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums auf BR24-Anfrage.
Allerdings geht Bayern der Gesetzentwurf nicht weit genug. "Aus Sicht der bayerischen Staatsregierung sollte in dem Gesetz auch geregelt werden, dass eine Verschreibung nur möglich sein darf, wenn die Anwendung medizinisch begründet ist", betont der Ministeriumssprecher. "Dieser Punkt ist in dem vorliegenden Entwurf bislang nicht enthalten."
Import von medizinischem Cannabis stark gestiegen
Das Bundesgesundheitsministerium begründet die geplante Verschärfung mit Zahlen. Seit der teilweisen Legalisierung von Cannabis seien die Importe von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken "über das zu erwartende Maß hinaus" angestiegen. Demnach stieg der Import vom ersten Halbjahr zum zweiten Halbjahr 2024 bundesweit um 170 Prozent. Verordnungen von medizinischem Cannabis zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung seien im gleichen Zeitraum aber nur um neun Prozent gestiegen – entsprechend viele Selbstzahler mit Privatrezept dürfte es geben.
Wie viele genau, das ist bisher unklar – jedenfalls was den Freistaat angeht. Zahlen zu Privatrezepten von Selbstzahlern liegen Bayerns Gesundheitsministerium nicht vor.
Warken: "Aufklärung" nur in der Apotheke
Warken argumentiert zudem mit "umfassenden Aufklärungs- und Beratungspflichten". Das gehe nur in einer Apotheke und nicht bei einem Online-Händler. Das sieht erwartungsgemäß auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) so. ABDA-Präsident Thomas Preis betont: "Arzneimittel sind keine handelsüblichen Konsumgüter und gehören nicht auf rein kommerziell ausgerichtete Handelsplattformen."
Andernfalls mutiere die ärztliche Entscheidung einer Arzneimitteltherapie "zu einem reinen Bestellvorgang", warnt Preis. "Eine persönliche, pharmazeutisch fundierte Beratung zu Cannabisblüten sollte mit Blick auf das hohe Suchtrisiko und Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung bei jungen Menschen durch die Apotheke vor Ort stattfinden."
Branchenverband sieht Handlungsbedarf bei Fragebögen
Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) sieht keine Notwendigkeit für eine Gesetzesänderung. Besonders das geplante Versandhandel-Verbot halte man nicht für sinnvoll, sagt BvCW-Geschäftsführer Michael Greif auf BR24-Anfrage. Es gebe dazu "viele offene Fragen beim EU-Recht", wenn der Versandhandel in anderen europäischen Ländern erlaubt bleibe.
Der Branchenverband ist auch dagegen, Cannabis-Rezepte nur noch in der Praxis oder bei einem Hausbesuch zu kriegen. "Wenn die Befunde vorhanden und eindeutig sind, sollte man das Rezept auch in einer Online-Sprechstunde erhalten", sagt Greif. Alles nur per Fragebogen zu machen, sehe man dagegen kritisch. Dazu gebe es aber schon erste Urteile, die Rechtsprechung bremse diese Entwicklung bereits. Der BvCW-Geschäftsführer betont: "Wer falsche Angaben macht, um Cannabis auf Rezept zu erhalten, macht sich bereits jetzt strafbar."
Cannabis-Gesetz: Evaluierung im kommenden Herbst
Wie es mit dem umstrittenen Cannabis-Gesetz generell weitergeht, ist bisher offen. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht: "Im Herbst 2025 führen wir eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis durch."
Mit Informationen von AFP
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