Vor ein paar Jahren ging es schonmal um die Existenz: Als die fünf Gründer der kleinen Anlage mit zwei Skiliften in Faistenoy in der Gemeinde Oy-Mittelberg im Oberallgäu "in Rente gingen", blieben nur drei Söhne übrig. "Zu dritt wäre es eng geworden, da hätten wir wahrscheinlich noch im selben Jahr aufgehört", erinnert sich Thomas Fischer. Zu viel Zeit und Geld hätten sie in den Lift stecken müssen. "Dann sind ein paar frische Papas eingestiegen", ergänzt sein Freund Georg Zwerger, während er im T-Shirt mit einer Zange Nägel aus Zaunpfählen zieht. Es ist Mitte November, die Sonne scheint und Fischer und Zwerger bereiten die Kuhweide für den anstehenden Skibetrieb vor.
Sieben Familien betreiben den Dorflift in dem Ort mit 250 Einwohnern heute. Übernommen hat ihn Fischer damals seinem Vater zuliebe, zusammen mit seinem Bruder Hans-Peter und Reinhard Scheiber. Die Kinder sollten die Möglichkeit haben, das Skifahren wie ihre Eltern direkt im Ort zu lernen, so Fischer. Mit dem Lift direkt vor der Haustüre gehört der Skisport in Faistenoy seit über 50 Jahren genauso dazu wie anderswo Schlittenfahren oder Schlittschuhlaufen.
Im Video: Erster Tag, der Lift läuft nicht. Was ist los?
Sieben Familien betreiben den kleinen Skilift im Oberallgäuer Ort Faistenoy.
Erste Schritte für Skiweltmeister Schmid am Dorflift
Kleine Dorflifte haben im Allgäu Tradition. "Im letzten Jahrhundert", erklärt Hubert Lechner, Vorstand des Allgäuer Skiverbands, "entstanden sie in vielen Orten und Dörfern." Er sieht den Dorflift als unkomplizierten Weg, Kinder im Winter für Bewegung und Sport im Freien zu begeistern, mit wenig Aufwand und kurzen Anfahrtszeiten. Der Dorflift könne im Winter die Rolle des Fußballplatzes im Sommer übernehmen, außerdem sei er wichtig für den Nachwuchs im Leistungssport.
Skiweltmeister Alexander Schmid bestätigt das. Vor zwei Jahren gewann er bei den Skiweltmeisterschaften 2023 in Frankreich Gold im Parallelslalom. Das erste Mal auf den Skiern stand er am Dorflift in seinem Heimatort Fischen im Oberallgäu. "An den Stinesser-Liften hatte ich meinen ersten Schneekontakt. Dort habe ich das Skifahren gelernt, meine ersten Schwünge gemacht. Dort bin ich zum Skifahrer geworden", erinnert sich der 30-Jährige.
Dorflifte vom Klimawandel bedroht
Doch die Tradition ist bedroht: Rund ein Drittel der Dorflifte im Allgäu sind inzwischen stillgelegt. Der Allgäuer Skiverband macht den Klimawandel dafür verantwortlich. Denn viele Dorflifte hätten keine Beschneiungsanlagen und seien somit abhängig von Naturschnee, den aber gibt es auch im Allgäu immer weniger. Daneben sei der Betrieb von Dorfliften mit hohem Aufwand verbunden.
Die sieben Betreiber des Lifts in Faistenoy etwa stecken Geld und viele Stunden Arbeit in den Lift: Die Piste muss mit der Raupe präpariert, der Lift gewartet und vom TÜV abgenommen werden. Er läuft mit Diesel, vor Ort übernehmen die Betreiber abwechselnd die Aufsicht und helfen den Skifahrern in den Schlepplift. Bis Mitte Februar ist der Lift diesen Winter 14 Tage lang gelaufen, danach hat der Schnee nicht mehr ausgereicht.
Ein Tagesskipass für 15 Euro
In Schneekanonen wollen die Familien nicht investieren, dann müssten sie den Lift professioneller betreiben und zum Beispiel mehr Geld für die Tickets verlangen. Ein Tagespass kostet für Erwachsene 15 Euro. "Die Einnahmen reichen, um die Unkosten zu decken, aber reich wird niemand dabei", erklärt Zwerger. Für ihn lohnt sich der Betrieb trotzdem. Obwohl seine Kinder inzwischen nicht mehr klein seien, kämen sie immer noch regelmäßig an den Lift. Allein dafür sei es die Arbeit wert.
Mit Alois Böck hat damals alles angefangen. An einem sonnigen Wintertag sitzt der 87-Jährige am Dorflift und kneift die Augen zusammen. "Das ist ein geschenkter Tag", erklärt er, "da ist man gut aufgelegt". Er sieht den Kindern und Erwachsenen zu, wie sie den weißen Schneehang herunterkurven, und lächelt – an dem Ort, wo die sieben Familien aus Faistenoy den Lift weiterführen, den er vor über 50 Jahren mit seinen Freunden für das Dorf aufgebaut hat.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!