Pakete abholen, zum Arzt gehen – alltägliche Momente, für die es ein offizielles Dokument braucht. Für Lucy aus Würzburg waren solche Momente lange Zeit nicht einfach. Lucy wurde mit einem männlichen Körper geboren, fühlte sich aber schon als Kind eher als Frau. Sie erzählt, dass sie als Kind gerne in Frauenkleider geschlüpft ist, "wenn es hieß, Kinder, zieht euch mal an. Dann habe ich halt ein Kleid angezogen, dachte mir, los, jetzt geht's". Das sei damals auf viel Unverständnis gestoßen. Auch, dass Lucy schon damals lieber mit einem Frauennamen angesprochen werden wollte.
Der Weg zur Selbstfindung: Fragen nach der eigenen Identität
Ihr ganzes Leben, sagt sie, sei sie nicht damit klar gekommen, wie die Gesellschaft sie gesehen habe oder wie sie sich sehen soll. Sie war um die 20, als sie sich endgültig fragt: "Wer bin ich? Wer möchte ich sein für mich selber?" Und dann ist ihre Antwort klar: "kein Mann. Ich bin eine Frau." Das sei eine schwierige und turbulente Zeit gewesen, sagt sie.
Der entscheidende Schritt: Namensänderung beim Standesamt
2024 hat Lucy dann zwei Termine beim Standesamt der Stadt Würzburg, zwischen der Anmeldung der Namensänderung und der tatsächlichen Namensänderung müssen drei Monate liegen. Sie erinnert sich noch gut an den Moment, als die Namensänderung offiziell wurde: "Im ersten Moment, also es war eine unfassbare Freude, also ein Glück, das für die meisten Menschen, glaube ich, gar nicht nachzuvollziehen ist. Aber auch gleichzeitig ein - Schock ist das falsche Wort, aber ich konnte es am Anfang noch gar nicht so realisieren."
Gesetzliche Regelungen: Sperrfristen und Anträge
Nach einer Änderung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr. Erst danach wäre eine erneute Änderung möglich. Das war bei der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes auch einer der Kritikpunkte. Bei Kindern unter 14 Jahren müssen Eltern die entsprechende Erklärung bei den Behörden einreichen. Jugendliche ab 14 Jahren können den Antrag selbst stellen, brauchen dazu aber das Einverständnis der Eltern. Die gesetzlichen Vertreter der Kinder bzw. die Jugendlichen müssen erklären, dass sie "beraten" sind, sich also über die Auswirkungen der Änderungen informiert haben.
Es handelt sich dabei allerdings um keine Beratungspflicht. Eine entsprechende Bescheinigung von Beratungsstellen dürfen die Behörden nicht verlangen. Bei Konflikten zwischen Eltern und Kindern über den Änderungswunsch können Familiengerichte entscheiden. Vor der Gesetzesänderung 2024 war die offizielle Änderung des Vornamen und des Geschlechtes nur mit viel Aufwand und psychologischen Gutachten möglich.
Erste Erfahrungen mit dem neuen Gesetz: Anwendung in Bayern
Auf Nachfrage von BR24 in ausgewählten Städten zeigt sich, dass Menschen seit dem 1. November 2024 in ganz Bayern das Gesetz angewandt haben. Sowohl in Ballungsräumen als auch in ländlichen Region wie in der Rhön oder in der Oberpfalz.
Nach der offiziellen Änderung wurde gefeiert. Das Selbstbestimmungsgesetz sei eine riesige Erleichterung gewesen, sagt Lucy. Zum Beispiel nur, um beim Abholen eines Paktes den Namen zu nennen, mit dem sich ihr Leben richtig anfühlt – und der auf ihrem Pass steht.
Angst vor einem Register: Bedrohung durch Datensammlung
Eines macht Lucy Angst: Diskussionen um ein mögliches Register von Menschen, die das Gesetz genutzt haben und ihren Vornamen geändert haben: "Also der reine Gedanke, ein Register mit allen Namen, Adressen und sonstigen Infos von Personen, die das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch genommen haben, ist total gruselig. Also das macht mir ehrlich Angst."
Lucy kritisiert die vorgeschlagenen Änderungen, wonach Behörden die gesamten Daten ohne wirkliche Registrierung einfach zugeschickt bekommen könnten. Dies empfindet sie als besonders beunruhigend. Wenn Menschen in einer Verwaltung oder auf Polizeiwachen, nennt sie als Beispiele, darauf zugreifen könne, wer trans ist, könnte es vermehrt Angriffe geben, ist ihre Befürchtung. Lucy hat das schon selbst erlebt. Nach einer Veröffentlichung in einer Zeitung sei sie auf der Straße erkannt worden - und angegriffen worden. Solche Änderungen seien gefährlich.
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