Ein Aktenordner ist beschriftet mit dem Aufdruck Erbschaft
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Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | Wolfgang Filser
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Erbschaftssteuern in Milliardenhöhe in Bayern erlassen

Erbschaftssteuern in Milliardenhöhe in Bayern erlassen

Wird ein Vermögen von mehr als 26 Millionen Euro verschenkt oder vererbt, kann die Steuer teilweise oder ganz wegfallen: wegen "Bedürftigkeit". Bundesweit wurden in vier Jahren fast 7,4 Milliarden Euro erlassen – ein großer Teil davon in Bayern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Es sind wenige Fälle, aber große Summen: Wer ein Vermögen von mehr als 26 Millionen Euro erbt oder geschenkt bekommt, kann die eigentlich fällige Steuer teilweise oder ganz erlassen bekommen. Voraussetzung: Der Erbe oder Beschenkte muss seine "Bedürftigkeit" nachweisen – also dass er die Steuer nicht aus verfügbarem Vermögen bezahlen kann.

Verschonungsbedarfprüfung: So viele Fälle gibt es

Folge der sogenannten Verschonungsbedarfsprüfung: Wer vom Onkel ein Haus im Wert von 500.000 Euro erbt, muss eventuell mehr Steuern zahlen als jemand, dem Firmenanteile im Wert von 30 Millionen Euro zufallen.

Laut Statistischem Bundesamt gab es in den Jahren 2021 bis 2024 deutschlandweit insgesamt 105 Fälle der Verschonungsbedarfsprüfung. Statt 7,83 Milliarden Euro Erbschafts- und Schenkungssteuer mussten in diesen Fällen nur 465 Millionen bezahlt werden. 7,37 Milliarden Euro wurden erlassen. Zu Einzelfällen ist wegen des Steuergeheimnisses wenig bekannt. Ausnahme: Mathias Döpfner bekam 2020 von Friede Springer Aktien der Axel Springer SE im Wert von einer Milliarde Euro als Schenkung. Laut Medienberichten konnte Döpfner zu diesem Zeitpunkt die Schenkungssteuer nicht komplett bezahlen, sie soll deutlich reduziert worden sein.

Was Millionenerben und Beschenkte in Bayern sparten

Ein beträchtlicher Teil der bundesweit erlassenen Milliarden entfiel auf den Freistaat, wie die Antwort des Bayerischen Finanzministeriums auf eine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn ergab: Knapp 290 Millionen waren es 2021 und damit fast zwei Drittel (64 Prozent) der bundesweiten Summe. 2022 mussten 955 Millionen nicht gezahlt werden (67 Prozent), 2023 wurden 1,2 Milliarden Euro erlassen (57 Prozent). 2024 machte Bayerns Anteil mit 806 Millionen Euro nur ein Viertel (24 Prozent) aus.

Insgesamt haben in Bayern Erben und Beschenkte durch die Verschonungsbedarfsprüfung innerhalb von vier Jahren also 3,26 Milliarden Euro Steuern gespart. Eine getrennte Auflistung von Erbschafts- und Schenkungssteuer liegt dem Finanzministerium einem Sprecher zufolge nicht vor. Die Bundeszahlen aber zeigen, dass es überwiegend um Schenkungen geht: Im vergangenen Jahr standen 41 Schenkungen vier Erbschaften gegenüber, im Jahr 2022 waren es 20 Schenkungen und vier Erbschaften, für 2023 fehlen Zahlen.

SPD-Abgeordneter: Steuerprivilegien für Superreiche

SPD-Politiker von Brunn kritisiert: "Während das geerbte Häuschen der Tante brav versteuert werden muss, lässt der Freistaat Bayern Superreiche mit Milliardenvermögen komplett vom Haken." Die Staatsregierung sei treibende Kraft hinter Steuerprivilegien für Hochvermögende. Das Geld fehle für Familien, Schulen, Infrastruktur.

Bei Schenkungen sei der Missbrauch besonders einfach, beklagt von Brunn. "Superreiche wählen den Zeitpunkt der Übertragung so, dass der Beschenkte gerade über kein sonstiges Vermögen verfügt und künstlich 'bedürftig' gerechnet wird." Der SPD-Politiker verlangt eine Abschaffung der Verschonungsbedarfsprüfung.

Ministerium: Kein Ermessen der Finanzämter

Das Finanzministerium verweist darauf, dass auf die Verschonungsbedarfsprüfung bundesweit ein Rechtsanspruch bestehe: "Die Finanzämter haben dabei kein Ermessen." Durch diese Steuerentlastung solle verhindert werden, dass die Unternehmensnachfolge gefährdet wird. Ziel sei "nicht die Entlastung von Superreichen, sondern die Sicherung von Arbeitsplätzen und der Erhalt der familiengeführten Unternehmenslandschaft in Deutschland".

Auch Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit betont: "Letztendlich ist es eine Bundesregelung, die wenig Interpretationsspielraum lässt." Das Netzwerk zählt zu den Kritikern der Verschonungsbedarfsprüfung: Es sei nicht belegt, dass durch die Besteuerung großer Vermögen der Bestand von Unternehmen gefährdet sei. Und selbst wenn, ließe sich die Bestandssicherung "sehr viel einfacher durch eine Stundung" erreichen.

Söder: "Reine Neidsteuer"

Trautvetter erläutert, dass Bayern 2016 in der schwarz-roten Koalition an der Einführung der Verschonungsbedarfsprüfung "ganz zentral beteiligt war". Ministerpräsident und CSU-Chef war damals Horst Seehofer, sein Finanzminister war Markus Söder.

Bei "Markus Lanz" im ZDF sagte Söder im September, er habe dies damals nicht allein festlegen können. Zugleich verteidigte er die Verschonungsregeln als "wichtig", um Unternehmen an die nächste Generation übergeben zu können. Söder hält die Erbschaftssteuer grundsätzlich für "unfair". Auf dem CSU-Parteitag kritisierte er sie kürzlich als "reine Neidsteuer". Die CSU wolle sie reduzieren, "um das Eigentum zu schützen". Am folgenden Tag beschloss der Parteitag die Forderung, die Erbschafts- und Schenkungssteuer komplett abzuschaffen.

Die Stiftung Familienunternehmen beklagt, die Erbschaftssteuer gehe nicht nur an die wirtschaftliche Substanz von Unternehmen, sondern des gesamten Standorts Deutschland. Denn dadurch fehle Geld für Investitionen, die gerade in Zeiten des Wandels wichtiger denn je seien.

Wirtschaftsweise kritisieren Regelung

Dagegen verlangt der Sachverständigenrat Wirtschaft eine gleichmäßigere Besteuerung aller Vermögensarten: "Die Verschonungsregelungen für das Betriebsvermögen sorgen dafür, dass ausgerechnet sehr hohe Erbschaften und Schenkungen häufig nur vergleichsweise gering besteuert werden", betont kürzlich der Wirtschaftsweise Achim Truger. Die Verschonungsbedarfsprüfung solle abgeschafft oder erheblich eingeschränkt werden. Um eine übermäßige Liquiditätsbelastung der Unternehmen zu vermeiden, "sollten großzügige Stundungsmöglichkeiten eingeführt werden".

Bayerns Finanzministerium antwortet ausweichend auf die Frage, wie es sich in der Debatte über die Verschonungsbedarfsprüfung positioniert: "Aktuell prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die Besteuerung des Privatvermögens vor dem Hintergrund der Steuerentlastung für Unternehmensvermögen verfassungsgemäß ist." Die Entscheidung bleibe abzuwarten.

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