In Reichling (Landkreis Landsberg am Lech) erkundet die Genexco Gas GmbH, Tochterunternehmen des kanadischen Konzerns MCF Energy, ob sich eine Erdgasförderung lohnt. Dabei verwendet sie ein altes Bohrloch: 1983 war der US-Konzern Mobil hier auf der Suche nach Erdöl - fand stattdessen aber Erdgas. Das Gas zu fördern war damals nicht wirtschaftlich.
Erdgasförderung in Bayern – ist das neu?
Im Gegenteil. Schon 1883 wurde mit dem Feld "Tegernsee" die erste von bisher knapp 60 Erdgas- und Erdöllagerstätten entdeckt. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann dann die Ausbeutung der Lagerstätten im größeren Ausmaß. Nach dem Höhepunkt in den 1980er Jahren ging die Bohrtätigkeit und auch die Förderung jedoch immer weiter zurück. Die ursprünglich entdeckten Erdgasvorräte in Bayern gelten als zu mehr als 70 Prozent erschöpft. Inzwischen gibt es nur noch eine einzige aktive Erdgasförderung, Inzenham-West bei Rosenheim, die seit 1971 läuft. Ehemalige Erdgaslagerstätten werden dort und an anderen Standorten heute als unterirdische Erdgasspeicher verwendet.
Warum soll jetzt Erdgasförderung wieder beginnen?
Neue Fördertechniken erlauben es, Erdgas-Lagerstätten gründlicher auszubeuten, sodass auch früher nicht mehr wirtschaftlich erscheinende Vorkommen jetzt wieder interessant werden können. Unter anderem ist es möglich, im Untergrund um die Ecke zu bohren. Mit solchen Horizontalbohrungen kann man Erdgas führenden Schichten direkt folgen.
Entscheidend sind jedoch auch Nachfrage und der Preis von Erdgas auf dem Markt. Genexco hat den Antrag auf die Probebohrung 2022 inmitten der Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gestellt. Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass in Deutschland keine Gasmangellage entstanden ist. Auch der Erdgaspreis war kurzfristig sehr stark gestiegen, hat sich seither jedoch wieder erholt. Von der zukünftigen Entwicklung des Erdgaspreises hängt unter anderem ab, ob die Erschließung neuer Förderstellen sich wirtschaftlich lohnt. Die ausführende Firma nennt die Erkundung in Reichling ein "Hochrisikoprojekt", auch weil noch unklar ist, wie ergiebig die Erdgasquelle sein wird.
Wie viel Erdgas kann in Bayern gefördert werden?
Im Vergleich zum Erdgasverbrauch des Landes fallen die Fördermöglichkeiten in Bayern fast nicht ins Gewicht. Die inländische Erdgasförderung hat zu ihrem Höhepunkt um das Jahr 2000 herum ein Fünftel des deutschen Bedarfs gedeckt. Inzwischen sind es jedoch nur noch fünf Prozent. Davon wiederum kommen mehr als 99 Prozent aus Niedersachsen, wo fast alle ergiebigen deutschen Erdgasfelder liegen. Bayern kann also unabhängig von Entscheidungen über einzelne Bohrstellen auf jeden Fall nur marginal zur Erdgasversorgung Deutschlands beitragen.
Kommen bald noch weitere Erdgas-Bohrstellen?
Nach Angaben einer Sprecherin des bayerischen Wirtschaftsministeriums ist Bayern durchaus weiter im Visier internationaler Energiefirmen. Der Schwerpunkt des Interesses liege in Südbayern von der südlichen Iller bis zur Salzach. Überwiegend gehe es dabei wie in Reichling um die Wiederaufnahme der Erdgasförderung in bekannten Lagerstätten, wo die Gewinnung aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben wurde. Teilweise werde aber auch nach vermuteten neuen Vorkommen gesucht – etwa wo bei Geothermiebohrungen auch Erdgas angetroffen wurde. Im östlichen Oberbayern bestehen noch großflächig Konzessionen zur Suche nach Erdgas. Neuanträge gibt es laut Wirtschaftsministerium aber derzeit nicht.
Ist Erdgas aus der Nähe unschädlicher als Importgas?
Erdgas aus Deutschland ist tatsächlich weniger schädlich für die Atmosphäre als etwa Fracking-Gas aus den USA. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat einen Vergleich angestellt, wie stark die Erdgasimporte aus verschiedenen Ländern die Atmosphäre belasten, schon bevor das Gas in Deutschland verbrannt wird. Während bei Pipeline-Gas aus Norwegen die klimaschädlichen Emissionen vergleichbar mit inländischem Gas sind, liegen sie für verflüssigtes Erdgas aus Katar dreimal so hoch und bei Fracking-Gas aus den USA sogar mehr als viermal so hoch. Neben dem Entweichen von extrem klimaschädlichem Methan schlägt hier vor allem die Lieferkette zu Buche, wo mit hohem Energieaufwand das Gas verflüssigt, transportiert und wieder regasifiziert wird.
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