"Landshut"-Geiseldrama: Fürs Leben traumatisiert – und im Stich gelassen?
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Diana Müll heute - in der "Landshut"

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"Landshut"-Geiseldrama: Fast 50 Jahre Kampf um Anerkennung

"Landshut"-Geiseldrama: Fast 50 Jahre Kampf um Anerkennung

Vor fast 50 Jahren fesselte die "Landshut"-Entführung die Nation – dann wurde es still. Seither kämpft die ehemalige Geisel Diana Müll um die damals versprochene Entschädigung für ihr Trauma. Nun kommt es zum Vergleich.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Diana Müll ist am Mittwoch erstmals in Landshut: Der Oberbürgermeister Alexander Putz (CSU) hat sie eingeladen, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen. Auch die ehemalige Stewardess Gabriele von Lutzau ist dabei und Aribert Martin von der GSG 9.

Wenngleich diese Einladung Diana Müll ehrt: Ein mulmiges Gefühl begleitet sie doch. Denn der Name dieser Stadt ist für sie mit einem Trauma verbunden.

Höhepunkt des "Deutschen Herbstes": "Landshut"-Entführung 1977

Diana Müll ist als Zeitzeugin hier, hat ein Stück deutscher Geschichte miterlebt. Während Millionen Menschen die Berichterstattung im Fernsehen verfolgen, erlebt sie im Oktober 1977 die fünf schlimmsten Tage ihres Lebens: Die damals 19-Jährige ist an Bord der Lufthansa-Maschine "Landshut".

Das Flugzeug wird von vier palästinensischen Terroristen, die mit der RAF (Rote-Armee-Fraktion) sympathisieren, entführt. Die Entführer wollen das Leben der Flugzeugpassagiere und der fünf Besatzungsmitglieder gegen das von elf inhaftierten RAF-Terroristen in Deutschland eintauschen. Es ist der Höhepunkt des "Deutschen Herbstes".

Die Terroristen zwingen die Piloten dazu, die Maschine bis nach Mogadischu in Somalia zu fliegen. Die Passagiere werden als Geiseln gefangen gehalten, der Kapitän der "Landshut", Jürgen Schumann, wird nach einer Zwischenlandung von den Entführern in Aden im Jemen erschossen. Diana Müll entgeht selbst nur knapp einer Hinrichtung.

Fürs Leben traumatisiert

Erst nach fünf Tagen können die Geiseln in Mogadischu von dem damals neuen Sondereinsatzkommando GSG-9 befreit werden. Die Bilder gehen um die Welt: die Geiseln werden medial und politisch inszeniert.

Die Bundesrepublik verspricht den ehemaligen Geiseln schnelle und unbürokratische Hilfe. Sie bleibt ihnen und den Angehörigen dieses Versprechen schuldig. In einer zweiteiligen Dokumentation von "Kontrovers – Die Story" erzählten Diana Müll und weitere Zeitzeugen teils erstmals ihre Geschichte.

Im Video: "Landshut"-Entführung - die Kontrovers-Story erzählt die Geschichte aus Sicht der Geiseln

Illustration zu "Kontrovers - Die Story: Die Landshut-Entführung" Teil 1: Die kalte Pistolenmündung an ihrem Kopf: Ein Terroristenführer mit dem Kampfnamen "Mahmud" droht die Geisel Diana Müll zu erschießen. Im Hintergrund die Lufthansa-Maschine Landshut.
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Illustration zu "Kontrovers - Die Story: Die Landshut-Entführung" Teil 1

Ehemalige Geiseln fühlen sich im Stich gelassen

Was Diana Müll in der "Landshut" erlebte, hat sie für ihr weiteres Leben traumatisiert zurückgelassen. Und doch musste sie sich selbst um psychologische Betreuung kümmern, wurde im Stich gelassen.

Wie wichtig jedoch das von ihr Erlebte für die Bundesrepublik Deutschland ist, lässt sich in den vielen Einladungen messen, die Diana Müll in den folgenden Jahrzehnten erhielt. Immer wieder ist sie als Zeitzeugin geladen, so auch in Landshut. Doch die Unterstützung bleibt fast 50 Jahre lang aus.

Im Video: Nach der Befreiung werden die traumatisierten Geiseln alleingelassen

Illustration zu "Kontrovers - Die Story: Die Landshut-Entführung" Teil 2. Diana Müll muss nach der Landshut-Entführung mit den Erinnerungen und dem erlittenen Trauma fertig werden.
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Illustration zu "Kontrovers - Die Story: Die Landshut-Entführung" Teil 2

Letzte Möglichkeit für Diana Müll: juristische Schritte

Jahrzehntelang kämpft Diana Müll um finanzielle Unterstützung, die Erstattung von Therapiekosten. Diana Müll bleibt mit manchen der ehemaligen Geiseln in Kontakt und erfährt, dass einige eine Rente erhalten.

Doch als Diana Müll selbst einen Antrag auf Opferentschädigungsrente stellt, wird dieser von Behörden abgelehnt. Ihre Klage wird von der Justiz abgewiesen: Ihre Schädigung sei nicht schwerwiegend genug. Selbst psychologische Gutachten können weder das Versorgungsamt noch das Sozialgericht Gießen überzeugen. Für Diana Müll ist es ein "Schlag ins Gesicht", erzählt sie in der Kontrovers-Dokumentation 2023. Das Verfahren zieht sich jahrelang hin.

Jahrelanger Rechtsstreit: Landessozialgericht Hessen schlägt Vergleich vor

Das Landessozialgericht Hessen schlägt Diana Müll schließlich einen Vergleich vor. Er sieht vor, dass sie die Rente ab 1. Januar 2018 rückwirkend bekommt, für den Grad einer Schädigung von 30. Diana Müll stimmt sofort zu, hört dann aber wieder nichts.

Eine Bitte um Stellungnahme von Kontrovers beim Landesversorgungsamt Hessen bringt nun nach Jahren der bürokratischen Hürden Erleichterung für Diana Müll: Auch das Land Hessen stimmt dem Vergleich zu.

Nach Kontrovers-Anfrage: Bestätigung über Opferentschädigungsrente

Die Anspannung von sieben Jahren Rechtsstreit fällt augenblicklich von Diana Müll ab. "Das sind gute Nachrichten. Ehrlich, ich habe nicht damit gerechnet." Gerührt und erleichtert kommt die Information erst nach und nach bei ihr an: "Das bedeutet mir alles, Anerkennung. Auch Anerkennung, dass man natürlich aus so einer Entführung, wie ich es erlebt habe, aus einem Trauma, dass man da nicht ohne Folgen, einfach weiterleben kann."

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