(Symbolbild) Flugzeuge am Flughafen München
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"Riesenfrechheit": Ewiges Baurecht durch die Hintertür?

"Riesenfrechheit": Ewiges Baurecht durch die Hintertür?

Gilt für die dritte Startbahn des Münchner Flughafens eine Art "ewiges Baurecht"? Dafür plädiert zumindest das Luftamt Südbayern. Dagegen klagen Kommunen und Anwohner: Sie fühlen sich getäuscht.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Eigentlich ist Michael Buchberger mit seinem Sonnenschirm auf der Terrasse zufrieden. Doch ihm droht ein Problem. "Wir dürfen nur noch Sonnenschirme verwenden, die 'Windstärke 6'-fähig sind. Sowas gibt es aber gar nicht zu kaufen," sagt er dem BR-Politikmagazin Kontrovers.

Und Monika Riesch hat Sorge, bald kein Dach mehr über dem Kopf zu haben. "In ganz Attaching müssen die Dachziegel angeschraubt werden, weil durch den Überflug der tief fliegenden Flugzeuge jederzeit Wirbelschleppen entstehen könnten, die Dachziegel vom Dach reißen", erklärt dazu Buchberger.

Klingt wie ein Witz. Aber zum Lachen ist den Anwohnern in Attaching nicht, wenn die Dritte Startbahn am Münchner Flughafen tatsächlich kommen sollte.

Experte: München ist Wirtschaftsmetropole dank des Flughafens

Wer wie sie nahe des Münchner Flughafens wohnt, hat längst gelernt, mit gewissem Trubel zu leben: Rund 1.000 Flugzeuge starten und landen hier täglich – seit über 20 Jahren. Mehr als 30.000 Arbeitsplätze sind am Flughafen im Erdinger Moos entstanden. Und da sind die Dienstleister und Logistiker in umliegender Nähe noch gar nicht mitgezählt.

Der Flughafen zieht Firmen aus aller Welt an, erklärt Torsten Busacker von der Hochschule München: "Die Indizien sind schon sehr, sehr deutlich, dass der Aufschwung von München zu einer Wirtschaftsmetropole, mit so vielen DAX-Konzernzentralen wie nirgendwo sonst in Deutschland und auch so vielen Firmenansiedlungen […] wie Google, wie Apple zum Beispiel […], dass der dann so nicht stattgefunden hätte."

Braucht's die dritte Startbahn?

Doch ließe sich die Erfolgsgeschichte mit einer dritten Startbahn in vergleichbarem Maße fortschreiben? Jahrelang waren die Starts und Landungen am Münchner Flughafen gestiegen. Sogar die Kapazitätsgrenze von 473.000 Flugbewegungen schien in greifbarer Nähe. Doch nach den Rekordjahren 2007 und 2008 stagnierten die Zahlen und brachen mit Corona ein. Obwohl sich der Flughafen seitdem wieder im Aufwind befindet, wird die einstige Auslastung nicht erreicht.

Eine dritte Startbahn scheint aktuell nicht wirtschaftlich zu sein und auch die politische Rückendeckung fehlt: Die Bayerische Staatsregierung hatte den Ausbauplänen in der Vergangenheit eine Absage erteilt.

Startbahn: Bau noch nicht begonnen - oder doch?

2026 verfällt die Baugenehmigung für die dritte Startbahn. Doch nun kommt der Streitpunkt. Der Flughafen München argumentiert: der Bau hat bereits begonnen.

Etwa im Nordosten des Flughafengeländes, zwischen Maisfeldern und blühenden Wiesen. Dort führt eine Röhre für die S-Bahn unter die Erde. Außerdem im "Vorfeld Ost", wo parkende Flugzeuge abgefertigt werden. Die Flächen hierfür wurden in den vergangenen Jahren erweitert.

Aber zählt das schon als Baubeginn für die umstrittene dritte Startbahn?

Gilt nun "ewiges Baurecht"?

Der Airport wollte Gewissheit und fragte im Mai 2024 beim zuständigen Luftamt Südbayern nach. Einfach, um es mal zu klären – nicht, um konkret die Bauplanung weiterzuverfolgen, stellt man auf der Homepage des Airports klar.

Das Luftamt Südbayern teilt die Auffassung des Flughafens: Der Bau der dritten Startbahn laufe bereits. Kontrovers erhält auf Anfrage folgende Auskunft: "Der Planfeststellungsbeschluss vom 05.07.2011, […] tritt nicht […] außer Kraft, weil die Flughafen München GmbH (FMG) mit dessen Umsetzung bereits begonnen hat."

Mit anderen Worten: Die Baugenehmigung gilt – auf unbestimmte Zeit.

Anwohner fühlen sich getäuscht

Wie viele andere hat auch Michael Buchberger gegen diesen Bescheid Klage eingereicht. Buchberger erinnert sich, die FMG hätte immer wieder bekräftigt, "diese Dinge bauen wir unabhängig von einer dritten Startbahn". Nur aus diesem Grund hätten die umliegenden Kommunen kein Veto eingelegt. Er fühlt sich von der Flughafen München GmbH getäuscht:

"Entweder haben die dann damals gelogen oder es bewusst gemacht, damit sie die Genehmigung kriegen. Und das ist für mich ja vom Verhalten her für ein Staatsunternehmen eine Riesenfrechheit." - Michael Buchberger, Kläger

Und der Flughafen München? Will Kontrovers kein Interview geben, stattdessen heißt es: "Wir bitten um Verständnis, zu laufenden Gerichtsverfahren äußern wir uns grundsätzlich nicht." Am Dienstag begann die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Eine Entscheidung steht noch aus.

Ob die dritte Startbahn gebaut werden darf, entscheidet das Gericht. Ob sie politisch gewollt und wirtschaftlich sinnvoll wäre, ist aber ungewiss. Und genau diese Ungewissheit treibt die Bewohner der Nachbargemeinde Attaching um. Für Monika Riesch steht fest: "Das ist meine Heimat. Und die verkauft man nicht so einfach."

Dieser Artikel ist erstmals am 12.7.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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