Jedes Jahr, wenn Wiesen gemäht werden, sterben viele Rehkitze. Vor dem Mähen jede Wiese zu kontrollieren ist unmöglich. Jetzt gibt es ein Forschungsprojekt der TU München, um den Mähtod zu verhindern: mit piepsenden und blinkenden Wildrettern.
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Die Forscher legen einem Kitz den Sender an. Danach lassen sie es sofort wieder frei. Das Halsband wächst mit und stört die Tiere nicht.

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Forschung zu "Mähtod": 50 Rehkitze mit Sender

Forschung zu "Mähtod": 50 Rehkitze mit Sender

Jedes Jahr sterben viele Rehkitze in den Mähwerken der Bauern. Die Tiere flüchten nicht, sie ducken sich bei Gefahr weg. Im Nördlinger Ries forschen Wildbiologen, wie sich der Mähtod verhindern lässt. Dafür fangen und markieren sie Hunderte Kitze.

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Das Rehkitz ist schon ganz schön kräftig: Wildbiologe Ferdinand Stehr muss es mit beiden Händen festhalten. Das Kitz fiept ohrenbetäubend laut und ruft damit nach seiner Mutter. "Ganz ohne Stress geht es nicht, aber wir versuchen beim Besendern den Stress für die Kitze so gering wie möglich zu halten", sagt Ferdinand Stehr. Der Wildbiologe und sein Team stehen im Morgengrauen auf einer Wiese bei Erlbach, ganz im Norden des Landkreises Donau-Ries. Das Rehkitz soll einen Sender bekommen und den Forschern künftig Daten liefern.

Mähtod der Rehkitze reduzieren

Das Ziel des Forschungsprojekts: Mehr über das Verhalten von Rehkitzen herausfinden und so den Mähtod der Tiere reduzieren. Neben der Arbeitsgruppe Wildbiologie der TU München sind auch Klimatologen der Uni sowie die Bayerischen Landesanstalten für Landwirtschaft sowie Wald- und Fortwirtschaft beteiligt.

Forschung soll Absuchen von Wiesen überflüssig machen

Das Problem bei Rehkitzen: Die jungen Tiere laufen bei Gefahr nicht weg. Sie bleiben regungslos im hohen Gras liegen. Eine gute Strategie, um nicht von Füchsen entdeckt zu werden. Gegen die Mähwerke der Bäuerinnen und Bauern hilft diese Taktik nicht. Vielerorts suchen deshalb jedes Jahr Freiwillige die Wiesen vor dem Mähen nach Rehkitzen ab. Eine aufwendige Arbeit, die so nicht auf jeder Wiese möglich ist. Aber auch eine Arbeit, die in Zukunft nicht mehr nötig ist, falls die Forscher Erfolg haben.

Hunderte Rehkitze gefangen und markiert

Im Nördlinger Ries spüren die Wildbiologen die Kitze per Drohne und Wärmebildkamera auf. Die Drohne fliegt Rupprecht Walch. Er ist Berufsjäger bei der Fürst zu Oettingen-Spielberg'schen Verwaltung. Die unterstützt auf diese Weise das Forschungsprojekt. Dafür retten Ferdinand Stehr und seine Kollegen während ihrer Arbeit gleichzeitig die Rehkitze, weil sie oft da ihre Feldarbeit machen, wo sowieso gemäht werden soll. Bisher haben die Forscher heuer schon mehr als 360 Rehkitze per Drohne aufgespürt, gefangen und mit einer Ohrmarke markiert. 50 davon bekommen einen Sender, der stündlich die Position aufzeichnet.

Offiziell genehmigter Tierversuch

Auf der Wiese bei Erlbach hat es das fiepende Rehkitz nach wenigen Minuten fast geschafft: Es bekommt den Sender um den Hals. Das Halsband dehnt sich beim Wachsen und stört die Tiere nicht. Das Besendern ist der TU München zuvor als Tierversuch offiziell genehmigt worden. Schließlich hüpft das Kitz wieder durchs Gras in Richtung Waldrand.

Geburt der Rehkitze und erster Schnitt der Wiesen kollidiert

Dreieinhalb Kilo ist das gerade untersuchte Rehkitz schwer und 59,5 Zentimeter lang. Fangen die Forscher das Kitz später noch einmal, lässt es sich anhand der Ohrmarke identifizieren. Wird das junge Reh dann wieder gewogen und gemessen, lässt sich damit zurückrechnen, wann das Kitz geboren wurde. "Das ist ein Ziel der Studie: Wann kommen die Rehkitze zur Welt? Wann ist der mittlere Setztermin? Und der kollidiert vor allem dieses Jahr auch wieder mit dem Hauptschnittzeitpunkt der Wiesen", sagt Wildbiologe Stehr. Ein besonders gefährliches Frühjahr also für die Kitze.

Klimawandel: Rehkitze kommen zwei Wochen früher auf die Welt

Ein Zwischenergebnis der Untersuchung: Im Schnitt kommen die Rehkitze heutzutage Mitte Mai auf die Welt. Das ist zwei Wochen früher als noch in den 1950er Jahren. Die Ursache: "Ich tippe auf frühere Frühjahre und ausbleibende Winter mit weniger Frosttagen. Man kann das, denke ich, gut mit dem Klimawandel in Kontext bringen", sagt Ferdinand Stehr. Das Forschungsprojekt soll den Landwirtinnen und Landwirten nutzen. Das Ziel: Leitfäden entwickeln, um den Bauern konkrete Tipps für eine möglichst sichere Mahd zu geben.

Kitze mit Piepton aus der Wiese verjagen

Konkret geforscht wird dafür mit Scheuchen-Versuchen: Eine Wiese bei Heuberg mitten im Nördlinger Ries. Ferdinand Stehr verteilt im hüfthohen Gras fünf sogenannte Wildretter. Das sind kerzengroße, elektrische Geräte. Sie geben alle 20 Minuten über eine Dauer von zwei Minuten einen lauten Piepton von sich. Nachts außerdem ein Lichtsignal. Die Geräte sollen die Rehkitze vor einer Mahd aus der Wiese vertreiben. Ob und wie gut das klappt, will der Wildbiologe herausfinden.

Sender zeichnet Position des Rehkitzes auf

In der Wiese haben die Wissenschaftler zuvor eines der Kitze mit Sender geortet. 24 Stunden später bauen sie die Störgeräusch-Geräte wieder ab und schauen, wie das Kitz auf diese sogenannte Vergrämung reagiert hat. Auf dem Laptop-Bildschirm von Ferdinand Stehr ist dann eine Karte und mehrere hellgrüne Punkte zu sehen. Jeder Punkt markiert die Position des Rehkitzes zur vollen Stunde.

Versuch geglückt: Kitz verlässt die Wiese

Das Ergebnis: Den Tag über und auch in der Nacht ist das Rehkitz trotz des Pieptons in der Wiese geblieben. Aber in der Früh um 7 Uhr ist es dann zwei Felder weiter auf eine Brachfläche gelaufen – in der Praxis hätte es sich damit vor einem Mähwerk gerettet. "Der Versuch hat augenscheinlich funktioniert. Das Rehkitz hat auf den Versuch reagiert, es ist aus der Fläche raus. Natürlich hat es eine gewisse Zeit gedauert, das sehen wir bislang aber eigentlich über alle Versuche", sagt Wildbiologe Ferdinand Stehr.

Noch ist unklar, welche Methode zuverlässig funktioniert

Wichtig: Der Versuch in Heuberg ist nur einer von mindestens 30 – für eine ausreichende Datenbasis. Andernorts sei das besenderte Kitz auch schon trotz der 24-stündigen Störung gar nicht aus der Wiese gelaufen, so Stehr. Ob und wie gut die Wildretter funktionieren, steht deshalb noch nicht fest. Die Forscher testen deshalb auch, welchen Effekt klassische Vogelscheuchen mit einem blauen Plastikmüllsack und das Heraustragen der Kitze aus der Wiese haben. Bei dem Versuch in Heuberg sendet das Rehkitz vier Stunden nach dem Versuch wieder seine Position aus der Wiese. Es ist zurückgekehrt. Das heißt: In diesem Fall hätte der Landwirt vier Stunden Zeit gehabt, seine Wiese gefahrlos zu mähen.

Tote Rehkitze verschlechtern Futterqualität

Für die Bauern ist ein zerfetztes Rehkitz auch eine Gefahr für die Futterqualität. Werden Kadaver nicht entdeckt und beispielsweise mit dem Gras zu Silage verarbeitet, können die Rinder erkranken. Deshalb diene die Forschung dem Tierschutz und der Landwirtschaft sagt Ferdinand Stehr. 2024 geht das Projekt zu Ende. "Es wird auf diesem Forschungsgebiet viel gemacht, deshalb gibt es Hoffnung, den Mähtod in Zukunft reduzieren zu können", sagt der Wildbiologe. Die Sender-Kitze aus dem Ries haben dann ihren Teil zur Forschung beigetragen.

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