Im August 2024 waren vier Männer aus dem Bezirkskrankenhaus (BKH) in Straubing geflohen, dabei sollen sie einen Pfleger als Geisel genommen haben. Nun hat vor dem zuständigen Landgericht Regensburg der Prozess begonnen. An Händen und Füßen gefesselt, wurden die vier Angeklagten am Morgen von etlichen Polizisten in den Gerichtssaal geführt.
Angeklagte sollen Pfleger misshandelt haben
Die Anklageverlesung durch die Staatsanwaltschaft hat neue Details der mutmaßlichen Tat offenbart: Den Männern wird vorgeworfen, einen Pfleger unter einem Vorwand in einen Raum gelockt und ihn dort angegriffen zu haben. Sie sollen ihn mehrere Minuten lang geschlagen, getreten und schließlich mit einer spitzen Spiegelscheibe bedroht und verletzt haben.
Aufgrund der massiven Gegenwehr hatten die Angeklagten den Erkenntnissen nach Probleme, den Pfleger zu fesseln. Dabei soll ihm einer der Männer auf dem Halsbereich gekniet haben, bis er schlecht Luft bekam. Auch eine Socke habe man ihm in den Mund gestopft, um seine Schreie zu unterdrücken.
Pfleger im Zeugenstand bestätigt brutalen Angriff
Vor Gericht bestätigte der Pfleger heute den Ablauf der Tat, wie er in der Anklage steht. Mehrmals kämpfte der 55-Jährige während seiner Aussage mit den Tränen. Er erzählte, wie er verzweifelt versuchte, sich gegen die jungen Männer zu wehren. Als "größtes Problem" schilderte er, dass er durch Blut in der Nase und Socken im Mund kaum Luft bekam.
Staatsanwaltschaft: Öffnung von Sicherheitstüren erpresst
Auf dem Weg zum Ausgang soll das Sicherheitspersonal unter dem Eindruck der Geiselnahme und den anhaltenden Drohungen mehrere Sicherheitstüren geöffnet haben. Unter anderem soll einer der Angeschuldigten gedroht haben, dem Mann den Kopf abzuschneiden, falls die Türe nicht geöffnet würde.
Als die letzte Pforte aufging, hätten die mutmaßlichen Täter den Pfleger zurückgelassen und seien mit einem Fluchtauto entkommen, das von einer weiteren Person außerhalb der Klinik besorgt und bereitgestellt worden sein soll. Zudem sollen die Angeklagten Hilfe von weiteren Personen erhalten haben, die ihnen möglicherweise auch falsche Ausweispapiere besorgt haben.
Die Angeschuldigten wurden damals zur Fahndung ausgeschrieben und in den Monaten nach der Flucht in Deutschland, Österreich und der Türkei gefasst.
Therapieabbruch und Schikane als Motive?
Die vier waren vor ihrer Flucht im Suchtbereich des Maßregelvollzugs untergebracht. Bei drei von ihnen stand ein Therapieabbruch und damit die Unterbringung in der Strafvollzugsanstalt im Raum. Deshalb sollen sie den Fluchtplan gefasst haben.
Vor allem aus zwei Erklärungen ging hervor, dass die jeweiligen Angeschuldigten sich im BKH von einem Oberarzt massiv schikaniert gefühlt hätten. Sie seien auf einem guten Weg gewesen, der Oberarzt hätte dann aber entgegengewirkt. Ehemalige Therapeutinnen könnten dies bestätigen, wenn sie als Zeuginnen geladen würden, heißt es seitens der Anwälte.
Teilgeständnisse und Geldzahlung zu Prozessbeginn
Alle Angeklagten haben nach der Anklageverlesung Erklärungen durch ihre Verteidiger vortragen lassen. Alle vier entschuldigen sich demnach beim geschädigten Pfleger. Sie stimmten einem Täter-Opfer-Ausgleich über jeweils 5.000 Euro zu – den einer jedoch aufgrund seiner finanziellen Situation noch nicht leisten kann. Zum Teil wurden auch die Taten eingeräumt.
Laut Strafgesetzbuch ist bei einer Geiselnahme eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren angezeigt. Sollte das Gericht auch andere Tatbestände, wie eine gefährliche Körperverletzung, als erfüllt ansehen, dürften die Strafen deutlich höher ausfallen. Zunächst sind bis Mitte Februar zwölf Verhandlungstage angesetzt.
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