Die Überwachungskameras zeigen zwei schwarz vermummte Männer mit Masken. Sie rennen mitten in der Nacht in den Vorraum der Bank, rollen schnell ein Zündkabel aus – bis nach draußen. Kurz darauf gibt es einen sehr lauten Knall, Rauch, Staub, dann ist nichts mehr zu sehen, wie das BR-Politikmagazin "Kontrovers – Die Story" zeigt. Am nächsten Morgen fehlen mehrere zehntausend Euro Scheine, das Bankgebäude ist einsturzgefährdet und von den Tätern fehlt jede Spur.
Aktuell in Bayern bereits 18 Geldautomaten-Sprengungen
So oder so ähnlich ist es bereits massenhaft in Bayern passiert, und es passiert nach wie vor: Zuletzt Mitte September versuchten Täter einen Automaten im Landkreis Fürstenfeldbruck zu sprengen. Davor vor allem in Ober- und Unterfranken, etwa im Landkreis Schweinfurt - dabei liegen fast alle Tatorte in ländlichen Gegenden, aber immer in der Nähe von Autobahnen, um schnell fliehen zu können. In Bayern gab es im Jahr 2022 37 Bank-Automaten-Sprengungen, im vergangenen Jahr waren es 21 und dieses Jahr waren es bis heute bereits 18 Sprengungen.
Mammutprozess in Bamberg deckt organisierte Banden-Kriminalität auf
Einer der größten Prozesse gegen die Geldautomaten-Sprenger in Deutschland, bei denen 16 Kriminelle vor Gericht standen und zu einem Jahr auf Bewährung sowie bis zu sechs Jahre Haft verurteilt wurden, wurde in Bamberg geführt. Der Gerichtsprozess zeigt: Dahinter steckt organisierte Banden-Kriminalität. Und ein professionelles Netzwerk von Verbrechern.
"Mafiöse Strukturen" aus Kundschaftern, Sprengteams und Fluchtfahrern
Die Täter, die in Bamberg vor dem Landgericht standen, stammen aus Belgien und den Niederlanden. Sie hatten zuvor Bankautomaten in Bayern, etwa in Forchheim und in Zapfendorf, aber auch in Baden-Württemberg und Hessen gesprengt. Und mehr als drei Millionen Euro erbeutet. Die Kriminellen gingen den Ermittlern nur durch DNA-Spuren an einem Tatort und an einem zufällig entdeckten Fluchtfahrzeug ins Netz. Im Prozess stellte sich dann heraus, dass es verschiedene Verbrecher sind, die zusammenarbeiten: Kundschafter, Sprengteams und Fluchtfahrer.
Kriminelle gehen professionell vor: Schnelle Autos und "Spreng-Trainings"
Die Täter haben dabei hochmotorisierte Autos mit bis zu 600 PS genutzt und waren immer nur kurz am Tatort, sagt Kriminalhauptkommissar Alexander Groß vom Landeskriminalamt Bayern. Außerdem hätten sie zusätzliche Kanister mit Treibstoff dabei, um möglichst nicht an Tankstellen stoppen zu müssen. So vermeiden sie die Videoüberwachung an den Zapfsäulen. Kriminalhauptkommissar Alexander Groß berichtet sogar von möglichen "Spreng-Trainings" in den Niederlanden, die es vorab für die Verbrecher geben soll.
So skrupellos sind die Täter: Spezialwerkzeug "Pizzaschieber" und selbstgebastelter Sprengstoff
Die eigentliche Sprengung werde durch den sogenannten "Pizza-Schieber" verursacht, berichtet Groß: "Es ist (…) die Art und Weise des Einbringens des Sprengstoffs, des Blitz-Knall-Satzes." Dabei wird der Sprengstoff schnell mit einem Spezialwerkzeug in den Automaten hineingeschoben. Doch es komme immer öfter auch Fest-Sprengstoff der "Marke Eigenbau" zum Einsatz, teilweise würden ganze Gebäudeteile weg gesprengt – "Übersprengung" im Fachjargon genannt. Das sei "ein absolutes Gefährdungspotenzial", bestätigt Kriminalhauptkommissar Groß: "Man stelle sich vor, über dem Geldautomaten schläft eine Familie mit kleinen Kindern".
Warum vor allem in Bayern? – Geldautomaten sind hier kaum geschützt
Einen Grund für die vielen Sprengungen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sehen Experten darin, dass bei uns die Automaten als weniger geschützt gelten. Anders in den Niederlanden: Hier werden Geldscheine zum Beispiel automatisch mit einer bestimmten Farbe eingefärbt, und damit unbrauchbar gemacht, sobald ein Bankautomat gesprengt wird. Oder die Geldscheine werden bei einer Sprengung zu einem festen Klumpen verklebt. Außerdem sind oft die Öffnungszeiten der Geldautomaten in den Niederlanden begrenzt.
Innenministerin will Strafen für Geldautomaten-Sprenger erhöhen
Der Verband der "Deutschen Kreditwirtschaft", der bei der Entwicklung von Schutzvorkehrungen beteiligt ist, versichert, bereits mehr als 300 Millionen Euro in Sicherheitsmaßnahmen investiert zu haben.
Auch das Bundesinnenministerium will auf die vielen Sprengungen reagieren: Künftig sollen Geldautomaten-Sprenger mit höheren Strafen rechnen müssen – mit bis zu fünfzehn Jahren Haft.
Dieser Artikel ist erstmals am 23. Oktober 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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