Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten [externer Link], Karl Freller (CSU), hat sich im Interview mit BR24 dafür ausgesprochen, die Guillotine von München-Stadelheim öffentlich auszustellen. Zwar dürfe das Nazi-Mordinstrument nicht zu einem Sensationsobjekt werden, dieses Risiko könne aber eine vertiefende Ausstellung mit dem historischen Kontext minimieren. "Ich würde das durchaus positiv sehen, wenn eine neue Diskussion darüber beginnt", sagt der frühere Landtagsvizepräsident und Staatssekretär im Kultusministerium.
Guillotine könnte "Warnung an die heutige Zeit" sein
"Jetzt 80 Jahre nach Kriegsende haben wir Gefahren, dass sich die Geschichte wiederholt, und in diesem Kontext sollte man vielleicht noch stärker die Folgen des Nationalsozialismus aufzeigen", so Freller. "Und dazu gehört auch die Todesmaschinerie, die in Gang gesetzt wurde, um Andersdenkende zu beseitigen."
In den Augen Frellers könnte eine ausgestellte Guillotine eine "Warnung an die heutige Zeit" sein und zeigen, wohin es führen kann, wenn Demokratie und Meinungsfreiheit eingeschränkt werden. Dabei würde er Wert darauf legen, dass eine Ausstellung nicht nur die Geschwister Scholl thematisiert, die 1943 auf der Guillotine gestorben sind, sondern auch die vielen anderen Biografien.
Historiker: Wissenschaftlich-pädagogische Diskussion nötig
Der Historiker der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Jascha März, ergänzt, dass das bisher geltende Ausstellungsverbot der Wissenschaftsfreiheit widerspreche: "Es muss mindestens eine Diskussionsmöglichkeit auf einer wissenschaftlich-pädagogischen Ebene geführt werden, ob dieses Objekt ausgestellt werden kann", so März. "Und das Resultat wird ganz sicherlich sein: Wie kann so etwas ausgestellt werden und nicht ob."
Die Landtagsabgeordnete Sanne Kurz (Grüne) hatte bereits im November 2024 den Antrag gestellt, eine museale Ausstellung der Guillotine zu ermöglichen [externer Link]. Eine Mehrheit aus CSU und Freien Wählern lehnte das damals im Kulturausschuss des Landtags ab. Der Leiter des Memoriums Nürnberger Prozesse, Alexander Korb, hatte sich im Februar ebenfalls für eine Ausstellung der Guillotine ausgesprochen.
Ausstellungsverbot für Guillotine seit über zehn Jahren
Der Freistaat Bayern hatte 2014 entschieden, dass die Öffentlichkeit die Guillotine nicht zu sehen bekommen soll. Zuvor hatte der Bayerische Rundfunk aufgedeckt, dass das Mordinstrument nicht verschollen war, sondern im Depot des Bayerischen Nationalmuseums unter Verschluss gehalten wurde.
Die Begründung für das Ausstellungsverbot: Man wolle die Würde der 1.200 Opfer nicht beschädigen, indem man den Ort ihres entehrenden Sterbens zur Schau stellte, und auch die Gefühle der Angehörigen schonen. Allerdings hat der Freistaat Bayern kaum Kontakte zu den Nachkommen der Opfer – man weiß somit gar nicht, was in ihrem Sinne wäre. Außerdem befürchtete das Kunstministerium, dass die Guillotine Sensationstouristen anlocken könnte.
Erinnerungs- oder Dokumentationsort fehlt bisher
Karl Freller würde es auch befürworten, wenn ein Erinnerungs- oder Dokumentationsort für die Opfer der Guillotine geschaffen würde. "Wir sollten mehr denn je warnen, wie Meinungen vor nicht einmal 100 Jahren bekämpft wurden, mit der Hinrichtung von Menschen, bloß weil sie anders dachten", so Freller. "Das ist, glaube ich, ein Auftrag an die heutige Zeit."
Bisher erinnern an die bayerischen Justizmorde der NS-Zeit nur eine Gedenktafel vor der JVA München-Stadelheim und ein "Raum der Erinnerung" hinter den Gefängnismauern, der jedoch kaum besucht wird. Die zwischen 1933 und 1945 in München Hingerichteten stellen also eine vergessene Opfergruppe dar.
Die Opfer: Widerständler, Zwangsarbeiter, Kleinkriminelle
Während der NS-Diktatur stand die Todesstrafe auf mehr als 40 Straftatbestände. Dazu zählten bei weitem nicht nur Tötungsdelikte, sondern vor allem Widerstand gegen das NS-Regime, aber auch Kriegsdienstverweigerung oder kleinere Tatbestände wie Diebstahl und Unterschlagung. Die Hälfte der Opfer waren Zwangsarbeiter aus dem Ausland, die etwa sterben mussten, weil sie einem Bauern in der Hungerzeit des Krieges ein paar Gänse gestohlen hatten oder weil sie ein Liebesverhältnis mit einer deutschen Frau hatten.
Mehr als die Hälfte der Leichname ging nach der Hinrichtung in die Anatomischen Institute der Universitäten von München, Würzburg, Erlangen und Innsbruck. Etwa 300 Opfer wurden anschließend am benachbarten Friedhof am Perlacher Forst bestattet. Die Mehrzahl der Gräber wurde in den 1950er Jahren eingeebnet. Im "Ehrenhain II" wurden damals 93 der Opfer bestattet, ohne dass ihre Familien gefragt wurden.
Im Audio: Erinnerung Fehlanzeige – 80 Jahre nach den Justizmorden in Bayern
Erinnerung Fehlanzeige: 80 Jahre nach den Justizmorden in Bayern
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