Josefina Groß bei der Arbeit in ihrem durch das Hochwasser stark beschädigten Bad.
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Josefina Groß bei der Arbeit in ihrem durch das Hochwasser stark beschädigten Bad.

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Häuser nach Hochwasser unbewohnbar - "Aufgeben ist keine Option"

Häuser nach Hochwasser unbewohnbar - "Aufgeben ist keine Option"

Nach dem Hochwasser Anfang Juni sind noch immer viele Häuser unbewohnbar, etwa im schwäbischen Wertingen. Von Normalität ist man noch weit entfernt. Viele haben Angst vor der Zukunft - nicht nur wegen ihrer finanziellen Situation.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

"Das war unser Bad", sagt Josefine Groß und greift nach einem Eimer voller Schutt. Gemeinsam mit ihrem Schwager ist die 66-Jährige dabei, den Badboden abzutragen. Nur mit einem Presslufthammer lässt sich der Estrich lockern. Aber er muss raus: Beim Ehepaar Groß hat nicht nur das Hochwasser einen großen Schaden angerichtet, sondern vor allem auch das ausgelaufene Öl.

  • Zum #Faktenfuchs: So viel zahlt die EU für Bayerns Hochwasserschutz
  • Ein beißender Geruch erfüllt das ganze Haus. Seit Wochen sind sie dabei, alles abzutragen: Auch im Wohnzimmer sieht es aus wie in einem Rohbau. Und jetzt hat sich ihr Mann auch noch verletzt, mit der Flex in den Finger geschnitten. Gerade kommt der 67-Jährige aus der Notaufnahme zurück: Er soll die Hand hochlegen, haben ihm die Ärzte gesagt. Nur wie? Die Arbeit ist so schon kaum zu schaffen.

    Am 2. Juni war das Wasser gekommen, einem Sonntag, mit einer Wucht, wie die Wertinger es noch nie erlebt hatten. Durch die Kleinstadt fließen die Zusam und der Zusamkanal. Die beiden kleinen Donau-Zuflüsse haben zusammen mit dem Wasser aus der Laugna und dem Bliensbach binnen Stunden dafür gesorgt, dass ganze Straßenzüge in Wertingen unter Wasser standen. Die Zusam etwa stand vier Meter über dem Normalpegel, damit fällt dieses Hochwasser in die Kategorie "HQ extrem", war also schlimmer als ein Hochwasser, das den Berechnungen nach alle 100 Jahre zu erwarten ist.

    Stadt Wertingen sammelt 240.000 Euro an Spenden

    Noch immer sind zahlreiche Häuser in Wertingen nicht bewohnbar. Die Stadt mit knapp 9.000 Einwohnern hat inzwischen eine Spendenaktion gestartet. Schüler haben einen Spendenlauf initiiert, Unternehmen haben einen Spendentag veranstaltet und es gab ein Benefizkonzert. 240.000 Euro sind so zusammengekommen, die auf die Betroffenen verteilt werden sollen.

    80 Personen haben bisher einen Antrag auf diese Soforthilfe gestellt. Beim Landratsamt Dillingen liegen für den gesamten Landkreis 367 Anträge für staatliche Soforthilfen (externer Link) vor. Darunter seien 299 Anträge vollständig. Knapp 812.000 Euro konnten bereits ausbezahlt werden (Stand 10.07.), heißt es vom Dillinger Landratsamt. Bayernweit gingen nach dem Junihochwasser bisher laut bayerischem Finanzministerium 9.500 Anträge auf Soforthilfe ein. Über 17,5 Millionen Euro wurden über die Landratsämter bereits ausbezahlt. In besonderen Notfällen können auch andere Mittel, etwa aus dem Härtefonds, beantragt werden.

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    120 Menschen wurden am 2. Juni mit Booten aus Häusern in Wertingen evakuiert.

    120 Menschen mit Booten evakuiert

    Auch das Ehepaar Groß musste raus aus seinem Haus, so wie all ihre Nachbarn auch. Insgesamt 120 Wertinger haben die Rettungskräfte mit Booten evakuiert. Erst nach zwei Tagen konnten sie zurück - und mussten dann sehen, was alles zerstört war. Aufgeben wollten sie allerdings nicht: "Die Alternative war verkaufen ... und nichts dafür kriegen", sagt Josefina Groß. "Wahrscheinlich hätten wir nicht mal so viel bekommen, wie wir vor 34 Jahren für das Haus bezahlt haben. Dabei haben wir auch angebaut." Den Anbau hat es besonders getroffen, er liegt etwas tiefer. Hier war alles voller Wasser, an diesem ersten Wochenende im Juni.

    "Alles ist futsch", sagt die 66-Jährige. Wenn überhaupt jemand das Haus gewollt hätte, wäre es sicher ein Minusgeschäft gewesen. "Deshalb schau ich lieber, was ich machen kann. Aber mittlerweile bin ich so geschafft. Meine Arme tun weh, meine Muskeln, alles tut so weh. Manchmal denke ich, ich schaffe den Abend nicht mehr. Dann denk ich auch, hätten wir es doch einfach gelassen". Aber, fährt sie fort, sie kämen aus Rumänien, hätten gelernt, was arbeiten heiße. Deshalb macht sie weiter, unermüdlich.

    Übernachten kann das Ehepaar bei den Kindern, dafür ist Josefina Groß sehr dankbar. "Ich muss schlafen. Und wenn ich nachts aufwachen würde und ich würde nur einen Hauch von Heizöl riechen, da könnte ich nicht mehr schlafen." Josefina Groß schüttelt den Kopf und macht die Tür zum Keller schnell wieder zu. Unten stinkt es noch viel mehr.

    Finanzprobleme und die Angst vor der Zukunft

    Das Ehepaar Groß hat auch einen Antrag auf Soforthilfe beim Dillinger Landratsamt gestellt. Der sei gerade in Bearbeitung, sagt Josefina Groß. Sie rechnet damit, dass sie hier 5.000 Euro plus 2.500 Euro wegen des Ölschadens bekommen wird. Auch von der "Kartei der Not" hätten sie Geld bekommen, von der Stadt Wertingen werden sie ebenfalls unterstützt. Dafür ist sie dankbar, dennoch ist das bei einer Schadenssumme von 70.000 bis 80.000 Euro nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine Versicherung hatte das Ehepaar nicht. Erst habe es geheißen, man könne sich in dem Gebiet gar nicht versichern, dann hätte sie horrende Summen zahlen sollen.

    Heute bereut sie, dass sie es nicht gemacht hat. Das fürs Alter Ersparte - es wird alles draufgehen, für die Renovierung. Die Feuerwehr habe den Keller ausgepumpt, Nachbarn hätten sie unterstützt. Der Zusammenhalt sei so groß gewesen, das sei schön gewesen, sagt sie. Nur einen großen Wunsch hat sie: "Ich würde mich freuen, wenn wir das nicht noch einmal erleben müssten. Wenn man da etwas tun, etwas machen könnte." Jetzt muss sie nach ihrem Mann schauen. Der steht in der Garage, sein Gesicht ist blass. Er hat große Schmerzen. "Jetzt machen wir erst mal Pause", sagt seine Frau Josefina, "und irgendwie geht es dann schon weiter".

    "Als das Wasser weg war, ging das Leben sofort weiter"

    Weitergehen muss es auch bei Familie Muminovic. Vor sieben Jahren haben sie das kleine Häuschen am Zusamkanal gekauft. Alles renoviert, vor zwei Jahren noch angebaut. Er arbeitet als Bauleiter, hat Maurer gelernt und Architektur studiert, weiß, was zu tun ist und hat beim Anbau alles professionell abgedichtet. "Aber jetzt ist das Wasser durch den Keller von unten nach oben rein. Da hatten wir keine Chance. Das war eine Wucht, wie ein Wasserfall", sagt der junge Familienvater. Auch in seinem Keller ist Öl ausgelaufen. Wann sie wieder hereinkönnen, ist ungewiss.

    Drei Kinder haben die Muminovics, neun, zehn und elf Jahre alt. Zum Glück konnten sie bei Bekannten unterkommen. Ihr Zuhause, wie sie es kennen, gibt es im Moment nicht mehr. Arslan Muminovic tut unterdessen alles dafür, dass sie bald wieder einziehen können. "Das sind ja nicht nur Wände, so ein Haus. Man will ja, dass die Kinder dieses Urvertrauen haben, dass man ein Zuhause hat. Das ist momentan schwierig, sagt er, aber er will das wiederherstellen.

    Die Wände sind noch immer feucht, es stinkt nach Öl

    Auch deshalb ist er jeden Abend hier, nach der Arbeit, oft bis nach Mitternacht. Er ist dabei, großflächig den Putz abzutragen. Vor allem im Keller, denn dort ist alles mit Heizöl getränkt. Mehrere Entlüfter laufen. Der Behälter daneben ist halb voll mit Wasser. "Den habe ich heute früh ausgeleert, jetzt ist schon wieder so viel drin. Und, er streckt die Hand zur Decke und fühlt: "Die Decke ist immer noch total nass. Irgendwie merke ich nicht wirklich, dass da was vorwärtsgeht."

    "Das Leben geht einfach weiter. Aber hier bleibt alles stehen, man hockt im selben Loch", sagt er frustriert. Seit der Katastrophe hätten sie kaum mal zusammen gegessen, nichts gemeinsam gemacht. Dafür ist keine Zeit, Arslan Muminovic arbeitet in jeder freien Minute im Haus. "Das zehrt schon an einem", sagt der schlanke, sportliche Mann.

    "Der Staat muss hier aktiver werden"

    Dabei hätte nicht so viel zerstört werden müssen, meint er. Er habe getan, was er tun könne, sein Haus bereits beim Bau gut abgedichtet, vor dem Hochwasser Sandsäcke geschichtet. Aber das habe alles nichts geholfen, als das Wasser mit voller Wucht kam. Dabei weiß man in Wertingen um das Problem: Die Zusam, der Zusamkanal, die Laugna und auch noch der Bliensbach sind bei Hochwasser eine Bedrohung. Man kennt die neuralgischen Punkte, es gibt bereits seit 2016 eine Machbarkeitsstudie. Dass bisher nichts passiert ist, kann der Familienvater nicht nachvollziehen:

    "Es muss die Dringlichkeit erkannt werden, der Staat muss hier aktiver werden. Da stehen doch Existenzen auf dem Spiel. Menschenleben sind in Gefahr. Das geht nicht. Die Leute müssen aufwachen und ihre Arbeit machen und Druck machen – da muss von oben was passieren."

    Bürgermeister fordert mehr Handlungsfreiheit für Kommunen

    Auch Bürgermeister Willy Lehmeier (FW) fordert, dass die bereits geplanten Maßnahmen endlich umgesetzt werden. Die Sohle des Zusamkanals könnte eingetieft werden. "Ginge es nach mir, würde morgen der Bagger kommen", sagt der Bürgermeister. Seit 2016 hat die Stadt eine Machbarkeitsstudie mit zahlreichen möglichen Maßnahmen vorliegen. Zehn Jahre lang habe man diese in Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt erstellt. "Aber es ist bis zum heutigen Tag nichts passiert, mit dem Hinweis, die Wasserwirtschaftsämter haben das Personal und die Ressourcen nicht, das umzusetzen. Aber es ist jetzt Zeit dafür", sagt der Bürgermeister und fordert mehr Handlungsfreiheit für die Kommunen: "Wir wissen, was wir tun müssen. Deshalb wäre es wichtig und richtig, wenn der Staat uns das Vertrauen schenkt und wir Aufträge vergeben dürften, dass wir bestimmen, was wann gemacht wird, und der Staat stellt das Geld zur Verfügung."

    Das Wasser werde wiederkommen. Einmal könne man das vielleicht irgendwie ertragen, meint der Bürgermeister, aber kein zweites Mal: "Es gibt heute schon Menschen, deren Existenzen bedroht sind. Deshalb brauchen wir jetzt eine Umsetzung, so schnell wie möglich."

    Hochwasserhelfer mit einem Schlauchboot
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    Hochwasserhelfer mit einem Schlauchboot

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