Ingenieure bei Gartner in Gundelfingen setzen das Kreuz der Sagrada Família zusammen - der nun höchsten Kirche der Welt in Barcelona.
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Höchster Kirchturm der Welt: Sagrada Família "made in Bavaria"

Höchster Kirchturm der Welt: Sagrada Família "made in Bavaria"

Jahrelang konkurrierten die Städte Ulm und Barcelona um den höchsten Kirchturm der Welt. Bislang hatte das Ulmer Münster stets die Nase vorn. Doch jetzt ist die Sagrada Família vorbeigezogen. Und das ausgerechnet mit schwäbischer Hilfe.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Wer die Ulmer in diesen Tagen nach ihrem 161,53 Meter hohen Münster fragt, bekommt meist zwei Antworten zu hören. Den einen ist es "wirklich egal", andere finden es dagegen "sehr schade". 135 Jahre war das Ulmer Münster die Kirche mit dem höchsten Turm weltweit. Doch diese Bestmarke ist seit einigen Tagen Geschichte. Der Jesus-Turm, der Hauptturm der weltberühmten Sagrada Família in Barcelona, ragt nun eineinhalb Meter höher in den Himmel. Und wächst immer weiter. Denn die Kirche ist noch gar nicht fertig. Erst im Sommer nächsten Jahres soll es so weit sein, im hundertsten Todesjahr des Architekten Antoni Gaudí. Mit 172,5 Metern wird der Turm sein Ulmer Pendant dann um rund elf Meter überflügeln.

"Baumeister" aus dem Landkreis Dillingen

Kurios an dieser Geschichte: Das Kreuz, das derzeit in mehreren Baustufen in Barcelona montiert wird, wurde in Gundelfingen im bayerisch-schwäbischen Landkreis Dillingen gefertigt. Das Firmengelände des Fassadenherstellers Josef Gartner liegt nur gut 40 Kilometer Luftlinie von Ulm entfernt.

Und Gartner hat Expertise, hat die BMW-Welt in München, die Elbphilharmonie in Hamburg, die neue Apple-Zentrale oder Fassaden an Hochhäusern in der ganzen Welt verwirklicht. Die Sagrada Família ist aber trotzdem etwas Besonderes, so Gartners Produktionsleiter Steffen Häuser: "Das Kreuz verläuft nicht geradlinig, sondern hat viele Krümmungen und Radien. Sie alle korrekt einzuhalten, ist entscheidend." Hinzu komme der Edelstahl, der langlebiger, aber schwerer zu verarbeiten sei als gewöhnlicher Stahl. Derzeit montieren die schwäbischen Experten das 17 Meter hohe Kreuz, das rund hundert Tonnen wiegt.

Im Video: Wie das erste Teil des tonnenschweren Kreuzes auf die Sagrada Família kommt

Ulmer Münster getoppt - Sagrada Família "Made in Bavaria"
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Ulmer Münster getoppt - Sagrada Família "Made in Bavaria"

Spektakuläre Turmspitze

Seit 2018 laufen die Vorbereitungen, das Kreuz entspricht vollständig den originalen Planungen des Architekten Gaudí. In Gundelfingen werden insgesamt sieben Teile hergestellt, die in Barcelona zum Kreuz zusammen gefügt werden. Vier der Stücke sind bereits in Spanien, die drei restlichen werden gerade produziert. "Es ist spannend, an einem so spektakulären Projekt mitarbeiten zu dürfen", sagt André Willer, Leiter der Stahl-Montage. Das Kreuz wird innen begehbar sein, durch große Fenster soll man später einmal auf Barcelona blicken können. Die Basilika, die zum Unesco-Welterbe zählt, verschmilzt Stile der Spätgotik, des katalanischen Modernismus und des Jugendstils. 1882 war Baubeginn.

Geldsorgen und Lotterie

Die Entstehung des Münsters in Ulm reicht dagegen bis ins Jahr 1377 zurück. Weil die Stadt immer wieder in kriegerische Konflikte verstrickt war, beschlossen die Bürger ihre Kirche, die damals noch vor den Toren Ulms lag, innerhalb der sichereren Stadtmauern neu zu bauen. Die Höhe des heutigen Turms war damals nicht in Stein gemeißelt, es gab einen Entwurf, der im Stadtarchiv liegt. Er zeigt eine Variante, die um rund zwanzig Meter höher gewesen wäre, als die jetzige mit 161,5 Metern und sogar die Sagrada Família in Zukunft überflügelt hätte.

Doch auch das Münster in seiner etwas kleineren Version war eine finanzielle Herausforderung. Mitte des 16. Jahrhunderts kam es zum Baustillstand, der über 300 Jahre lang andauern sollte. Der Turm endete auf einer Höhe von rund 100 Metern. Eine "Münsterbaulotterie" Ende des 19. Jahrhunderts sorgte schließlich für den Durchbruch. Die Aussicht auf Gewinne von bis zu 75.000 Mark (inflationsbereinigt rund 600.000 Euro) entfachte ein wahres Glücksspielfieber und brachte genug Geld ein, um den Turm im Jahr 1890 zu vollenden.

Tourismusprospekte werden angepasst

Die Monteure der Firma Gartner haben Ende Oktober das erste Element des Kreuzes auf die Sagrada Família gehoben. "Ein begehbares Kreuz aus Stahl und Glas, wurde in dieser Form noch nie gebaut und wird vermutlich so schnell nicht mehr gebaut. Deshalb dürfte die Sagrada Família die Menschen auch noch in Jahrhunderten begeistern", sagt Jürgen Wax, der Geschäftsführer von Josef Gartner. Der Superlativ "höchster Kirchturm der Welt" dürfte sich in den Werbeprospekten von Barcelona gut machen. In Ulm hingegen muss man entsprechende Hefte jetzt neu drucken.

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