(Symbolbild) Ein Stacheldraht ist am Flughafengelände in München (Bayern) zu sehen. Lydia G. reiste einst zur Terrororganisation IS nach Syrien - und ist nun zurück in Deutschland.
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(Symbolbild) Lydia G. reiste einst zur Terrororganisation IS nach Syrien - und ist nun zurück in Deutschland.

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IS-Frau nach Bayern zurückgeholt und festgenommen

IS-Frau nach Bayern zurückgeholt und festgenommen

Lydia G. aus Oberfranken reiste einst zur Terrororganisation IS nach Syrien, wurde dann in kurdischer Lagerhaft festgesetzt. Nun ist sie mit ihren vier Kindern nach Deutschland zurückgeholt worden. Das zeigen Recherchen des BR und Ippen Media.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Einst reisten Frauen und Männer aus Deutschland nach Syrien, um sich der Terrororganisation IS anzuschließen. Doch nach der militärischen Niederlage des IS wurden seit 2017 viele Frauen aus Deutschland und anderen Teilen der Welt mit ihren Kindern in kurdische Lager gebracht. Dort sind sie seither gefangen.

Immer wieder hat die Bundesregierung derartige Gefangene nach Deutschland zurückgeholt. Nach einer längeren Pause hat nun erstmals wieder eine solche Rückholaktion stattgefunden: Lydia G. aus Oberfranken ist nach Recherchen des BR und Ippen Media (externer Link) gemeinsam mit ihren vier minderjährigen Kindern am 30. April mit einem Flugzeug der Bundeswehr zurück nach Deutschland gebracht worden. Das älteste Kind wurde 2011 geboren, das jüngste 2017.

Fakt ist: Lydia G. muss deutlich gemacht haben, dass sie zurück nach Deutschland will. "Eine Rückholung der Frauen und Kinder kann nur geprüft werden, wenn die Personen einen Rückkehrwunsch nach Deutschland äußern", so das Auswärtige Amt auf Anfrage.

Vor elf Jahren war sie über die Türkei nach Syrien zu ihrem damaligen Ehemann ausgereist, der sich bereits dem IS angeschlossen hatte. Ihr wird vorgeworfen, selbst in der Vereinigung aktiv geworden zu sein und den Umgang mit Schusswaffen erlernt zu haben. Nachdem ihr Mann im Juli 2015 ums Leben kam, heiratete sie einen weiteren IS-Kämpfer.

Was wird der IS-Rückkehrerin vorgeworfen?

Die "Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus" bei der Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt nach Informationen des BR und Ippen Media gegen Lydia G. aus Oberfranken. Vorgeworfen wird ihr den Recherchen zufolge der Verdacht der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS). Außerdem der Verdacht der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht zum Nachteil ihrer Kinder. Seit Oktober 2024 lag gegen die Frau ein Haftbefehl der Generalstaatsanwaltschaft München vor. Wie die Frau heute zum IS steht, ist nicht bekannt.

Nach Ankunft in Deutschland wurde die Frau am 1. Mai festgenommen und einem Haftrichter vorgeführt. Dieser bestätigte den Haftbefehl und die Beschuldigte wurde in eine bayerische Justizvollzugsanstalt eingeliefert. Die vier minderjährigen Kinder im Alter von 14, 12, zehn und acht Jahren kamen in enger Absprache mit dem zuständigen Jugendamt zunächst bei der Mutter der Beschuldigten unter.

IS-Frauen, die in der Vergangenheit vor Gericht gelandet sind, wurde vorgeworfen, dass sie IS-Propaganda verbreiteten oder ihre kämpfenden Ehemänner unterstützten, indem sie sich um Haushalt und Kinder kümmerten und so ihren Männern den Rücken freihielten. Der IS strebte in Syrien an, eine Gesellschaft auf der Grundlage radikaler Auslegungen zu errichten und setzte diese durch Terror und Unterdrückung durch.

Rückholaktionen: Wie viele gab es?

Insgesamt hat die Bundesregierung laut Auswärtigem Amt in den vergangenen Jahren bisher 27 ehemalige IS-Unterstützerinnen und 80 Kinder zurückgeholt. Die letzte Rückholaktion fand Ende 2022 statt. Derzeit soll sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes "eine niedrige zweistellige Zahl an Frauen mit ihren Kindern mit Deutschlandbezug" in den Lagern aufhalten. Davon bisher zwei Frauen mit Bayernbezug, so der Bayerische Verfassungsschutz auf Anfrage des BR und Ippen Media.

Immer wieder hieß es von deutschen Sicherheitsbehörden, dass viele dieser Frauen nicht nach Deutschland zurückkehren wollten. Doch ein Paper der Forscherin Sofia Koller von der internationalen gemeinnützigen Organisation "Counter Extremism Project" aus dem Februar 2024 (externer Link) zeigt, dass mehrere Frauen bereits damals doch zurückkehren wollten.

Etwa 40 Prozent der rund 1.150 aus Deutschland nach Syrien oder in den Irak gereisten Personen kehrten laut Bundesinnenministerium nach Deutschland zurück, davon etwa 25 Prozent Frauen.

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass ein kleinerer Teil der Zurückgekehrten weiterhin eine salafistisch-dschihadistische Gesinnung vertrete. So heißt es im Bericht des Bayerischen Verfassungsschutzes von 2023 (externer Link), dass dies im Freistaat auf zwei der insgesamt 16 zurückgekehrten Personen zutreffe.

IS-Gefangene: Gefährliche Situation in den kurdischen Lagern

Die Lage in den kurdischen Lagern bleibt derweil angespannt. Nach einem Bericht von Amnesty International leben in den Lagern mehrere zehntausend Menschen. Die humanitären Bedingungen sind katastrophal: Es fehlt an Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung. Zudem hat die US-Regierung angekündigt, ihre Auslandshilfe einzustellen, was die Lage weiter verschärfen könnte. Nach Deutschland zurückgekehrte IS-Frauen berichten bei Vernehmungen von großem Druck in den Lagern. IS-Anhängerinnen üben Gewalt auf jene aus, die sich von der Ideologie distanzieren wollen.

Experten fordern schon seit Jahren die Rückführung der Familien nach Deutschland, um Radikalisierungsprozesse in den Lagern zu durchbrechen. Das Auswärtige Amt "fördert die Projektarbeit von Nichtregierungsorganisationen in Lagern in Nordostsyrien, um extremistischen Radikalisierungstendenzen entgegenzuwirken, die Lebensbedingungen zu verbessern und Vertriebene auf Rückkehr und Reintegration vorzubereiten". Der Fokus dieser Programme liegt neben den Frauen auch auf deren Kindern, heißt es nach Informationen des BR und Ippen Media aus deutschen Sicherheitskreisen. Denn auch ein Teil der Kinder sei radikalisiert.

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