Natalie am Münchner Christkindlmarkt auf dem Marienplatz.
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Die 30-Jährige Natalie aus der Nähe von München trinkt seit rund 2,5 Jahren keinen Alkohol mehr.
Bildrechte: BR / Sandra Demmelhuber
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Die 30-Jährige Natalie aus der Nähe von München trinkt seit rund 2,5 Jahren keinen Alkohol mehr.

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Weihnachten und Alkohol: Warum Menschen bewusst verzichten

Weihnachten und Alkohol: Warum Menschen bewusst verzichten

Der Konsum von Alkohol geht seit Jahren zurück. Gleichzeitig gehören Sekt, Likör oder Wein für viele fest zum Weihnachtsprogramm. Wie erleben Menschen, die bewusst auf Alkohol verzichten, diese Zeit? Eine Betroffene berichtet.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Bayern am .

Wer in die Suchmaschine Google die drei Wörter "Kein","Alkohol" und "Ausreden" eintippt, bekommt binnen Sekunden zehntausende Suchergebnisse aus dem deutschsprachigen Raum angezeigt. Ziemlich weit oben erscheint ein Forum mit dem Titel "Kreative oder coole Ausreden, um nicht zu trinken". Dort gibt es dann Tipps wie: "Bestelle Wasser mit Limette, die Leute werden annehmen, dass es ein Cocktail ist (oder du kannst einfach sagen, dass es einer ist). Es ist dumm, lügen zu müssen, aber manchmal ist es so viel einfacher."

Erstes Weihnachten ohne Alkohol: "Da musste ich mich sehr rechtfertigen"

Sich dafür rechtfertigen zu müssen, nichts Alkoholisches zu trinken, das kennt auch Natalie O. aus der Nähe von München. Die 30-Jährige trinkt schon seit rund zweieinhalb Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr. Weil es früher zu oft zu viel war.

"Mein erstes Weihnachten ohne Alkohol, da musste ich mich sehr rechtfertigen", berichtet sie. "Ich musste mir wirklich sehr viel anhören". Auch später noch hätten ihr Freunde vorgeworfen, dass sie langweilig geworden sei oder dass man mit ihr keinen Spaß mehr haben könne. Ihre Entscheidung, überhaupt keinen Alkohol mehr zu trinken, sei als "übertrieben" abgetan worden.

Alkoholverzicht: Bessere Haut, körperliche und geistige Erholung

Dabei wollte Natalie ursprünglich gar nicht dauerhaft ohne Alkohol leben. 2023 beschloss sie nach der Wiesn, nur ein paar Monate bis Weihnachten eine Pause einzulegen. "Und dann hab‘ ich halt gemerkt, dass es mir richtig gut dabei ging. Ich habe gemerkt, wie ich mich körperlich wieder erhole, wie ich für mich persönlich besser Grenzen setzen konnte. Meine Haut ist besser geworden, ich habe abgenommen, ich habe mich wieder wohlgefühlt", erzählt sie.

Alkoholkonsum sinkt seit Jahren

Natalie ist mit ihrer Entscheidung, keinen Alkohol mehr zu trinken, keine Ausnahme. Laut einer aktuellen Studie des Robert-Koch-Instituts trinken mehr als 20 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland keinen Alkohol. Der Konsum ist in den letzten Jahrzehnten insgesamt deutlich zurückgegangen, auch in Bayern. Das betrifft sowohl die Menge, wie Bier- oder Weinhersteller berichten, als auch die Trinkhäufigkeit.

So haben nach Informationen des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit im Jahr 1973 noch etwa 66 Prozent der jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren mindestens einmal pro Woche Alkohol getrunken. 50 Jahre später, also im Jahr 2023, waren es nur noch knapp 29 Prozent.

Grafik: Alkoholkonsum früher und heute

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Zum Vergleich: Alkoholkonsum früher und heute.

"Eigentlich reicht doch ein Nein!"

Auch sogenannte "Sober Partys" liegen gerade voll im Trend – also Veranstaltungen, bei denen bewusst auf Alkohol verzichtet wird. Und trotzdem: Warum müssen sich Menschen wie Natalie immer noch erklären?

Dass solche Kommentare häufig und für Betroffene belastend sind, das weiß auch Professor Gabi Koller. Sie ist Oberärztin am LMU-Klinikum für Psychiatrie und Psychotherapie, behandelt Menschen mit Sucht- und Alkoholproblemen, außerdem forscht sie über Suchtkrankheiten. "Ich kenne es ja von den Patientinnen und Patienten, dass es wahnsinnig schwierig ist, einfach zu sagen: 'Ich trinke keinen Alkohol'", bestätigt auch sie. "Es muss doch keine Begründung dazu kommen. Eigentlich reicht doch ein Nein!"

Weihnachtszeit gerade für Suchtkranke problematisch

Natalie verzichtet auf Alkohol, weil sie sich damit jetzt besser fühlt. Andere versuchen nach einer jahrelangen Alkoholsucht abstinent zu bleiben. Doch das ist gerade zu dieser Zeit viel schwieriger als sonst, weiß Felix Bauriedel. Der 26-Jährige arbeitet als Assistenzarzt auf der Suchtstation am LMU-Klinikum und sagt, dass diese Zeit rund um Weihnachten und Neujahr gerade ganz besonders problematisch sei. "Wenn die Familien zusammen kommen oder wenn Leute gar keine Familie haben: Wir bemerken es sehr bei uns auf der Station, dass das eine ganz kritische Zeit ist - auch um rückfällig zu werden".

Tipp: Entscheidung kommentarlos respektieren

Damit sich alle, die keinen Alkohol trinken wollen, wohlfühlen, der Tipp von Prof. Gabi Koller vom LMU-Klinikum: Wenn jemand aus dem Familien- oder Freundeskreis während der Weihnachtsfeiertage oder an Silvester sagt, dass er oder sie nichts trinkt, dann ist es am besten, diese Entscheidung kommentarlos zu respektieren. Also: Weder Fragen stellen noch die Entscheidung übertrieben loben.

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