In einer Scheune in Schleching bereitet sich der "Geigelstoa Pass" auf den Nikolaus-Lauf vor. 42 Familien wollen sie heuer besuchen.
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In einer Scheune in Schleching bereitet sich der "Geigelstoa Pass" auf den Nikolaus-Lauf vor. 42 Familien wollen sie heuer besuchen.

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Krampus: Schönes Brauchtum oder betrunkener Exzess?

Krampus: Schönes Brauchtum oder betrunkener Exzess?

Der Krampus, das ist der finstere Begleiter des Nikolaus. Weil es bei Krampus-Läufen immer wieder zu betrunkenen Exzessen kam, sehen manche den Brauch kritisch. In Schleching setzt sich ein Verein seit 20 Jahren für die Ehrenrettung des Krampus ein.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Ein echtes Schaf- oder Ziegenfell, ein Glockengürtel mit großen oder kleinen Kuh-Glocken, schwarze Schminke, eine schaurige Holzmaske – genannt "Larve" – und eine Rute: In einer Scheune in Schleching im Chiemgau bereiten sich rund 25 junge Männer – und eine Frau – auf ihren großen Auftritt vor. Rund um den Nikolaustag besucht der "Geigelstoa Pass" insgesamt 42 Familien in Schleching und Umgebung.

Die Eltern schicken dem Nikolaus vorher eine Liste

Ein "Pass", das ist die Gruppe aus Nikolaus, Engeln und Kramperln, die loszieht, um die Kinder zu beschenken – und ihnen traditionell auch etwas Angst einzuflößen. Andi Hell und rund acht Mitstreiter haben das Brauchtum in Schleching vor 20 Jahren wiederbelebt. Seither ist der Verein auf 80 Mitglieder angewachsen. "Die Burschen stehen Schlange bei uns, die warten jahrelang darauf, bis sie endlich Kramperl laufen dürfen", sagt Andi Hell.

Der Nikolaus liest dann, begleitet von einem weißgekleideten Engel, aus einem großen goldenen Buch die guten und schlechten Eigenschaften und Taten der Kinder vor – die die Eltern ihm, ganz zeitgemäß, vorher per E-Mail und WhatsApp verraten haben.

Mancherorts hat der Krampus einen schlechten Ruf

Nicht bei allen ist der Krampus so beliebt wie bei den Schlechingern. Immer wieder hört man von betrunkenen Kramperln, die auf Dorfläufen fest zuschlagen oder sich Jagden mit der Dorfjugend liefern. Für manche Menschen sind diese Erfahrungen – oder schon die Erzählungen davon – so angsteinflößend, dass sie Hilfe brauchen. Die Salzburger Psychologin Andrea Hammerer kennt einige solcher Fälle: "Die Leute sind extrem beeinträchtigt. In der Krampus-Zeit haben die wirklich oft Angst, in der Innenstadt irgendwo hinzugehen." Schon der Geruch von Weihrauch, den viele mit der Vorweihnachtszeit verbinden, oder das Geräusch der Krampus-Glocken löse bei ihnen Panik aus.

Krampus-Angst-Seminar: Damit können alle am Brauch teilhaben

Hammerer hat deshalb schon vor mehr als zehn Jahren ein spezielles Krampus-Angst-Seminar entwickelt. Denn in den vergangenen Jahren hat sich das Bewusstsein rund um das Brauchtum verändert. Viele Passe haben sich selbst einen Verhaltenskodex auferlegt, zum Beispiel ein Alkoholverbot eingeführt.

Psychologin Hammerer geht mit ihren Teilnehmern am Ende ihres Seminars dann gerne zu einem Krampus-Lauf. Die meisten seien hinterher "unheimlich happy", so doch noch an dem Brauchtum teilhaben zu können. Denn, so Hammerer, "es ist ein wunderschönes Brauchtum. Das Gute besiegt das Böse."

Der "Geigelstoa Pass" will die Ehre des Krampus retten

Auch Gründungsmitglied Hell kennt die Kritik am Krampus-Brauch. Er distanziert sich deutlich von Gewaltexzessen, aber auch von sogenannten "Schauläufen", bei denen zum Teil Hunderte Krampei mit lauter Musik durchs Dorf ziehen. Auch beim Geigelstoa Pass gibt es ein Alkoholverbot, zumindest für die jungen, noch unerfahrenen Krampei, von denen andernorts oft die Gewalt ausging. "Und wir haben natürlich unsere 'Gankerl', die seit 10 Jahren dabei sind und wissen, wie es läuft und die die Jungen im Griff haben, sodass da nichts passiert."

Die Gruppe kommt am Haus von Hells Familie an. In einer Stube sitzen fünf Kinder, alle herausgeputzt in Tracht. "Wir freuen uns", sagt ein kleines Mädchen. Auch die anderen wirken eher aufgekratzt als verängstigt. Doch als dann kurz darauf ein paar der finsteren Gestalten – von Nikolaus und Engel stets in Schach gehalten – im Wohnzimmer stehen, ist ihnen der Respekt anzumerken.

Psychologin: Krampus-Brauch hat viel Gutes

Der Nikolaus lobt die Kinder erst eingehend. Als er dann noch Kritik anbringt, knurren die Kramperln im Hintergrund oder schlagen mit ihren Ruten auf den Tisch. Doch als kurz darauf die Geschenke verteilt werden, schauen alle wieder sehr zufrieden drein. Und als ein Krampus noch einen Keks vom Tisch stiehlt, hat er die Lacher auf seiner Seite. Der Dämon ist gezähmt, die Furcht besiegt, so hat es die Psychologin Andrea Hammerer zuvor erklärt. Und der Nikolaus kriegt zum Abschied noch ein Lied.

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