Behandschuhte Hand hält Kreuzotter
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Faszinosum Kreuzotter: Respekt angebracht, aber keine Angst

Faszinosum Kreuzotter: Respekt angebracht, aber keine Angst

Die Kreuzotter ist die einzige heimische Giftschlange. Fast ausgerottet, gibt es jetzt wohl eine größere Population im Bayerischen Wald. Angst muss man vor ihr nicht haben – das Gift kann zwar gefährlich sein, aber das scheue Tier ist kein Aggressor.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Seit Jahren erforscht Paul Hien Kreuzottern und ihren Bestand - auch für den Nationalpark Bayerischer Wald. Er ist mit Bernhard Gohlke von der Heinz Sielmann-Stiftung auf einer feuchten Wiese im Bayerischen Wald unterwegs. Es ist früh am Morgen, die beiden Forscher sind auf der Suche nach Kreuzottern. Die einzige Giftschlange in Bayern ist sehr selten geworden, gilt als gefährdet und steht deshalb auf der Roten Liste. Dennoch wurden hier bereits mehrere der raren Tiere nachgewiesen.

Zersiedelung: Lebensraum der Kreuzotter wird immer kleiner

Kreuzottern brauchen Moorgebiete oder strukturreiche Landschaften, zum Beispiel Wiesen mit Hecken und Lesesteinmauern, lichte Wälder oder Waldränder mit Totholz und Steinen. All das wird in Bayern immer seltener. Dazu kommen Zersiedelung und Straßen. Das schränkt den Lebensraum der Schlangen ein. "Wo die intensive Landwirtschaft beginnt und es viele Straßen gibt, da findet man keine Kreuzotter mehr", sagt Paul Hien. "Im Vorderen Bayerischen Wald zum Beispiel sind schon seit Jahren keine mehr nachgewiesen worden."

Aber der ganze hintere Grenzbereich zu Tschechien vom Arber bis zum Plöckenstein sei immer noch ein "gutes Kreuzotter-Gebiet". Aber es sei nur ein schmaler Streifen, der fast jedes Jahr kleiner werde. Die Tiere profitieren hier von den Beständen im direkt angrenzenden Tschechien, wo im Grenzgebiet viele nasse Wiesen niemals trockengelegt worden sind.

Forscher nimmt Rachenabstrich bei den Kreuzottern

Hien untersucht das Erbgut der Tiere, die er dazu kurz einfängt und bei ihnen einen Rachenabstrich nimmt - wie beim Corona-Test. Danach entlässt er sie wieder in die Freiheit. Die patschnasse Wiese und der morastige Untergrund, auf dem die Männer die Kreuzottern finden, sei ein Juwel für den Artenschutz, sagt er. Daher habe die Heinz Sielmann-Stiftung die Fläche auch gekauft. Damit soll der Lebensraum im hinteren Bayerischen Wald erhalten werden. Wenn es gelingt, die Kreuzottern zu schützen, haben auch viele andere Arten eine Überlebenschance, sagt er.

Eine der eingefangenen Schlangen ist trächtig, bemerkt Hien. Sie behandelt er mit besonderer Vorsicht. Aggressiv seien Kreuzottern nicht, sagen die Forscher. Sie würden nur beißen, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen oder selbst angegriffen werden. Meist flüchten die Tiere. Daher müssen Paul Hien und Bernhard Gohlke auch vorsichtig und schnell sein auf der Wiese, wenn sie die Schlangen einfangen wollen.

Eine männliche Kreuzotter liegt zusammengerollt im Gras.
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Eine männliche Kreuzotter.

Kreuzotterbiss ist ein medizinischer Notfall

Entgegen der landläufigen Meinung sind Kreuzottern also keine aggressiven Schlangen, die von sich aus angreifen. In Arrach im Oberpfälzer Landkreis Cham lebt eine Familie seit vielen Jahren mit den Giftschlangen im Garten, ohne dass jemand gebissen wurde.

Dennoch sei das Gift der Kreuzottern nicht zu unterschätzen - ein Biss ist immer ein medizinischer Notfall, sagt Dr. Raphael Stich, geschäftsführender Oberarzt in der Abteilung für klinische Toxikologie am Münchner Klinikum rechts der Isar und beim Giftnotruf München.

Im Klinikum rechts der Isar werden pro Jahr etwa zwischen fünf und zehn Patienten wegen eines Kreuzotterbisses stationär behandelt. Komplikationen seien vor allem Schmerzen, die Schwellung und ein mögliches Kompartmentsyndrom. Das bedeutet, dass die Schwellung an den Extremitäten so stark wird, dass deren Durchblutung nicht mehr gewährleistet ist. Im schlimmsten Fall könnte das eine Amputation nötig machen. Bei gesundheitlich vorbelasteten Menschen - also etwa herzkranken, multimorbiden oder jungen Patienten, die weniger Körpergewicht haben - könne das Gift durchaus eine systemische Wirkung haben, so Stich. Es sei sehr selten, aber möglich, an einem Kreuzotterbiss zu sterben.

Nicht bei jedem Schlangenbiss wird auch Gift abgegeben

Abhängig sei das auch von der Tiefe des Bisses und der Menge des Gifts. Bei etwa 20 Prozent der Schlangenbisse werde gar kein Gift abgegeben - dann passiere bis auf die Lokalreaktion an der Wunde nichts.

Wichtig ist das richtige Verhalten nach einem Biss: Man sollte die Bissstelle möglichst ruhig halten. Falsch wäre es, die Wunde auszusaugen, abzubinden oder sonst irgendwie zu manipulieren. Da die meisten Bisse in der Freizeit, zum Beispiel beim Wandern, passieren und Beine oder Füße betreffen, sollte man den Rettungsdienst rufen und nicht noch ewig weit laufen. Durch die Bewegung und Muskelaktivität würde sich das Gift nur schneller im Körper verbreiten und die Schwellung nehme dann stark zu.

Menschlicher Körper reagiert immer auf Kreuzottergift

Wenn man von einer Kreuzotter gebissen und tatsächlich Gift appliziert wird, gebe es eigentlich immer eine schmerzhafte körperliche Reaktion, die mit einer Schwellung einhergeht, so Dr. Raphael Stich. Sollte man nach einem Biss keine Reaktion zeigen, sei die Schlange mit großer Wahrscheinlichkeit keine Kreuzotter oder sie habe kein Gift abgegeben. Auch bei jungen Kreuzottern könne es vorkommen, dass sie noch kein so potentes Gift haben, dass es zu einer Reaktion beim Menschen kommt.

💡 Die Kreuzotter

Die Kreuzotter (lateinisch: Vipera berus) ist die einzige Giftschlange Bayerns. Durch ihre Kälteresistenz und die Fähigkeit, Wärme einzufangen, ist sie in der Lage, extreme Bereiche zu besiedeln. Als einzige Schlange kommt sie sogar nördlich des Polarkreises vor und besitzt das größte Verbreitungsgebiet aller Schlangenarten. Es reicht von Großbritannien bis an die russische Pazifikküste.

Doch Lebensraumzerstörung und Verfolgung durch den Menschen haben dazu geführt, dass die Kreuzotter in den letzten Jahren in Bayern um über 70 Prozent zurückgegangen ist. Entlang der Voralpenflüsse war der Rückgang überdurchschnittlich hoch, in der Umgebung von München ist die Kreuzotter nahezu verschwunden.

Da die Kreuzotter als in Deutschland stark vom Aussterben bedrohte Art gilt, wurde sie zum Reptil des Jahres 2024 gewählt.

Dieser Artikel ist erstmals am 28.06.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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