Die ehemalige Geisel Diana Müll in der Landshut heute
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"Landshut"-Entführung: Hilfe zugesagt, passiert ist nichts

"Landshut"-Entführung: Hilfe zugesagt, passiert ist nichts

In der Entführung der "Landshut" nach Mogadischu gipfelt das Terrorjahr 1977. Die Bundesregierung sagt den Geiseln damals unbürokratische Hilfe zu. Doch Unterstützung bleibt für Diana Müll aus - bis heute, wie "Kontrovers - Die Story" dokumentiert.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Diana Müll ist gerade einmal 19 Jahre alt, als sich ihr Leben vor den Augen von Millionen Zuschauern für immer ändert: Nach einem einwöchigen Party-Urlaub auf Mallorca freut sie sich auf zu Hause. Sie ist eine von rund 90 Passagieren, die von Palma de Mallorca nach Frankfurt fliegen wollen, an diesem Donnerstag, den 13. Oktober 1977. Was ihr und den anderen Passagieren widerfährt, wird in die Geschichte Deutschlands eingehen.

Unter den Passagieren der Lufthansa-Maschine "Landshut" befinden sich vier palästinensische Terroristen, die mit der RAF (Rote-Armee-Fraktion) sympathisieren. Sie entführen das Flugzeug und nehmen alle Insassen des Flugzeugs als Geiseln, um die Bundesrepublik zu erpressen. Die ganze Welt beobachtet damals die Flugzeug-Entführung. Im BR-Dokuformat "Kontrovers - Die Story" erzählen die Geiseln ihre Geschichte. Wie sie sie 1977 erlebt haben - und warum sie bis heute von Staat, Justiz und Behörden enttäuscht sind. Denn die Geschichte der Geiseln der Landshut-Maschine endet nicht mit ihrer Befreiung.

Diana Müll kämpft jahrzehntelang um Entschädigung, Hilfe und Anerkennung. Viele der Geiseln sind enttäuscht über die Bundesregierung: Zwar wurden sie aus der Maschine befreit, doch danach im Stich gelassen.

Illustration zu "Kontrovers - Die Story: Die Landshut-Entführung" Teil 1: Die kalte Pistolenmündung an ihrem Kopf: Ein Terroristenführer mit dem Kampfnamen "Mahmud" droht die Geisel Diana Müll zu erschießen. Im Hintergrund die Lufthansa-Maschine Landshut.
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Illustration zu "Kontrovers - Die Story: Die Landshut-Entführung" Teil 1

Behörden und Justiz lehnen 150 Euro Opferentschädigungsrente ab

2018 beantragt Diana Müll eine Opferentschädigungsrente beim Versorgungsamt. Es geht um rund 150 Euro im Monat. Für ihren Antrag wird ein psychologisches Gutachten erstellt. "In diesem Gutachten steht zum Beispiel auch drin: Die Vorfälle der Flugzeugentführung über einige Tage stellen ein seelisch tief einschneidendes Ereignis dar, welches nicht vollständig bewältigt werden kann," erzählt sie BR-Autor Christian Stücken, der Diana Müll für "Kontrovers - Die Story" begleitet hat.

Doch obwohl ihr dieses Gutachten einen Zusammenhang bestätigt, lehnt das Versorgungsamt ihren Antrag auf Rentenzahlung ab. Sie klagt, doch auch für das Sozialgericht Gießen ist ihre Schädigung nicht schwerwiegend genug: Es lehnt die Klage ab. Ein Schock für Diana Müll: "Das war für mich ein Schlag ins Gesicht. Und es hat mir an dem Tag, also ich muss das wirklich sagen, auch den Boden unter den Füßen weggerissen."

Illustration zu "Kontrovers - Die Story: Die Landshut-Entführung" Teil 2. Diana Müll muss nach der Landshut-Entführung mit den Erinnerungen und dem erlittenen Trauma fertig werden.
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Illustration zu "Kontrovers - Die Story: Die Landshut-Entführung" Teil 2

Diana Müll: "Es geht um Anerkennung"

Sie hat noch heute Kontakt zu einigen der noch lebenden Geiseln der "Landshut"-Maschine. Von manchen hört sie, dass sie eine Rente erhalten - doch warum dann nicht auch Diana Müll? Für sie bleibt der Weg in die nächste Instanz. Christine Klappert vom Sozialverband VdK in Olpe steht Diana Müll bei ihrem Gerichtsverfahren zur Seite. Sie kann nicht verstehen, warum man Diana Müll ihre Opferentschädigungsrente verweigert.

"In dem Moment, wo das Gutachten vorgelegen hat, habe ich gedacht: Ja, da hat die Behörde eine Grundlage. Aber stattdessen hat man angefangen, das Gutachten zu zerpflücken, alles in Frage zu stellen, und das fand ich nicht angemessen." Christine Klappert, Sozialverband VdK in Olpe

Diana Müll muss erneut kämpfen, ihr Trauma möglicherweise sogar für ein weiteres, neues Gutachten ausbreiten.

"Geht ja nicht immer um Entschädigung, natürlich auch, aber es geht um Anerkennung. Und in meinem Fall ist es ja so, dass es zwar lange her ist, aber dass ich mich immer wieder aufs Neue beweisen muss, dass ich ein traumatisierter Mensch bin und das einfach bis an mein Lebensende." Diana Müll, Geisel an Bord der 1977 entführten Landshut-Maschine

Ein neuer Gerichtstermin ist noch nicht anberaumt worden.

Video: Die "Landshut"-Entführung - Teil 1: Das Geiseldrama von Mogadischu

Leere Versprechen der Bundesregierung?

Am 11. März dieses Jahres begeht die Bundesregierung zum zweiten Mal den Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt. Eingeladen sind Opfer und Angehörige aus 50 Jahren Terror. Auch Diana Müll wurde von der Bundesregierung eingeladen. Neben ihr bei der Veranstaltung sitzt der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. In seiner Rede erneuert er das Versprechen, dass die Bundesregierung den geretteten Geiseln der "Landshut"-Maschine schon 1977 gab: "Wir lassen diejenigen nicht allein, die an Seele oder an Körper verletzt wurden und die den Verlust eines Angehörigen oder einer Freundin zu beklagen haben. Dies ist ein Versprechen, das Ihnen der Staat heute gegeben hat, heute wieder gegeben hat, und mit diesem Gedenktag bekräftigt." Diana Müll wartet seit 45 Jahren auf die Einlösung dieses Versprechens.

Dennoch schöpft sie im Verlauf der Veranstaltung im März Hoffnung: "Ich bin heute angesprochen worden von jemandem von der Bundesregierung, der völlig entsetzt war, dass ich nach so langer Zeit noch um meine Rente kämpfe. Er will sich in den nächsten Tagen mit mir in Verbindung setzen."

Erst sechs Wochen später hat sich der Opferbeauftragte der Bundesregierung bei ihr gemeldet. Er werde sich für sie einsetzen, sagt er, könne aber nichts versprechen.

Die "Landshut"-Entführung: Die Rolle der RAF

Die Entführung der "Landshut" ist 1977 der Höhepunkt des Deutschen Herbstes. Die RAF hat der Bundesrepublik den Krieg erklärt, ermordet Repräsentanten des Staates: Anfang September entführt sie den Arbeitgeberpräsentenden Hanns Martin Schleyer und erschießt seine vier Begleiter. Die RAF fordert die Freilassung ihrer Führungsriege um Gudrun Ensslin und Andreas Baader. Doch die Bundesregierung bleibt hart, es besteht die Befürchtung, dass freigelassene Terroristen wieder Straftaten begehen und morden.

Schließlich erhöht die RAF den Druck: Sie beauftragt eine befreundete Palästinenser-Organisation, ein Flugzeug zu entführen. Ihre Wahl fällt auf den Flug LH 181, die "Landshut", in der Diana Müll und die anderen Passagiere sitzen werden. In einem Kosmetikkoffer und einem Transistorradio schmuggeln vier palästinensische Terroristen Waffen und Plastiksprengstoff ins Flugzeug. Ihr Anführer nennt sich Kapitän Märtyrer Mahmud. Die Terroristen nehmen die 86 Fluggäste und die fünfköpfige Crew als Geiseln und entführen das Flugzeug über Rom und Dubai nach Mogadischu. 106 Stunden lang sind die Passagiere in der Gewalt der Terroristen und ihrer Willkür ausgesetzt. Sie haben Schmerzen und durchleben Todesängste.

Erst nach fünf langen Tagen werden sie in Mogadischu befreit. Es ist der erste Einsatz der deutschen Spezialeinheit GSG 9.

Diana Müll: Traumatisiert bis heute

Nach über 45 Jahren, Anfang 2023, fährt Diana Müll zum Flughafen Friedrichshafen, an den Ort, in dem sie die schlimmsten Stunden ihres Lebens verbracht hat. Seit knapp sechs Jahren steht hier die ehemalige Lufthansa-Maschine "Landshut", es soll ein Erinnerungsort daraus entstehen. Die Sitze im Passagierraum der "Landshut" sind inzwischen weg - Diana Müll weiß trotzdem, wo sie gesessen und was sie empfunden hat: "Das war keine Angst, das war immer Todesangst." Die Entführer wollen 1977 das Leben der Flugzeugpassagiere gegen das von elf inhaftierten RAF-Terroristen in Deutschland eintauschen.

106 Stunden sind Diana Müll und die anderen Passagiere in der Gewalt der Terroristen, die Erinnerungen haben sich für immer eingebrannt. Selbst Jahrzehnte später, im Passagierraum der leergeräumten "Landshut", sieht sie die Bilder noch deutlich vor Augen: "Es stand immer einer hinten am Ende der Maschine und hier vorne, vor der ersten Klasse, immer mit einer Waffe und meistens mit Handgranaten," zeigt sie dem Team von "Kontrovers - Die Story".

Umgang der Entführer wird immer brutaler

Die Entführer brechen jeden Widerstand, durchsuchen männliche Fluggäste, sammeln Ausweispapiere und Schmuck in einem Sack. Stundenlang müssen Diana Müll und die anderen Passagiere mit erhobenen Händen auf ihren Plätzen sitzen - pure Folter, erinnert sie sich heute: "Das kann man sich nicht vorstellen, was das für Schmerzen sind, die Arme hochzuhalten über so einen langen Zeitraum … die haben so gebrannt wie Feuer."

Die Terroristen haben den Kurs des Fluges geändert: Statt nach Frankfurt fliegen sie über Rom nach Dubai, immer weiter von Deutschland weg. In Dubai müssen sie am Freitag zwischenlanden: Die Maschine hat keinen Treibstoff mehr. Die Terroristen um Kapitän Märtyrer Mahmud richten ihre Forderungen an den Tower in Dubai. Bis Sonntagvormittag verlangen sie eine Entscheidung über die Freilassung von elf Baader-Meinhof-Häftlingen, sonst müssten der entführte Arbeitgeberpräsident Schleyer und die Passagiere der "Landshut" sterben. Die Lage an Bord verschärft sich zunehmend: Nach dem Ausfall der Klimaanlage steigt die Hitze im Passagierraum kontinuierlich an.

Hilflosigkeit der Angehörigen

Inzwischen hat auch die Familie von Diana Müll erfahren, dass ihre Tochter an Bord der entführten Maschine sitzt, von der sie in den Medien erfahren haben. Das Gefühl lähmender Ohnmacht und Sorge machen ihrer Mutter Erika Müll besonders zu schaffen - bis heute: "Du kannst nichts machen. Wenn die mich ausgetauscht hätten und so, dann wäre ich ja beruhigt gewesen - aber du kannst ja nichts machen. Für mich war das die Hölle, absolut die Hölle."

Auch 45 Jahre nach der Geiselnahme kann sie kaum darüber sprechen, immer wieder bricht ihre Stimme, Tränen steigen in ihre Augen.

Diana Müll: In letzter Sekunde nicht hingerichtet

An Bord der Landshut wird indes die Lage immer dramatischer: Unter der tagelang stetig steigenden Hitze kollabieren die ersten Passagiere. Am Sonntagmorgen steht die Maschine noch immer am Flughafen Dubai, als die Entführer überraschend ein neues Ultimatum stellen: Sie drohen damit, eine erste Geisel zu erschießen, wenn die Maschine nicht aufgetankt wird. Ihre Wahl fällt auf Diana Müll.

Kapitän Märtyrer Mahmud stellt sie in die offene Flugzeugtür und kündigt an, bis zehn zu zählen – und fängt an: eins, zwei, drei, … Noch heute glaubt Diana Müll den Lauf der Pistole an ihrer Schläfe zu spüren.

"Dann hab' ich ihm ins Gesicht geguckt und seine eiskalten Augen, seinen Zorn, alles, was in ihm war, gesehen. Und dann habe ich mir gedacht: Dieser Mann wird nie ein Problem damit haben, dass er ein 19-jähriges, unschuldiges Mädchen erschossen hat. Das ist ihm scheißegal." Diana Müll, Geisel der Landshut-Entführung

Der Terrorist zählt weiter: vier, fünf, sechs, ... Diana Müll erinnert sich an jede Sekunde: Dann habe ich in die Sonne geguckt. Und dann habe ich mich von meiner Familie verabschiedet. Das war schlimm." … sieben, acht, neun. "Dann war er bei zehn, und dann habe ich die Augen zugemacht und dann habe ich gedacht: Jetzt ist es vorbei." In diesem Moment lenkt der Tower ein: Die Maschine wird aufgetankt und fliegt kurz danach mit unbekanntem Ziel weiter.

"Landshut"-Entführung: Pilot wird nach Notlandung hingerichtet

Es ist Sonntag, der 16. Oktober 1977. Nachrichtenmeldungen zufolge, hat das entführte Flugzeug Kurs auf Süd-Jemen genommen. Die jemenitischen Behörden verweigern der entführten Maschine die Landeerlaubnis, doch der Sprit im Flugzeug reicht nur noch für wenige Minuten Flug. Jürgen Vietor ist damals Co-Pilot der Maschine. Er und sein Kollege, der Pilot Jürgen Schumann, müssen handeln, um einen Absturz zu vermeiden, sie bereiten eine Notlandung vor. Heute erzählt Vietor über diese Minuten:

"Mir war ganz klar, wir werden jetzt wahrscheinlich crashen. Und kurz vor der Landung habe ich Jürgen Schumann die Hand gegeben und hab gesagt: Jürgen, mach's gut! Es war ein schönes Leben, aber ein bisschen kurz!" Jürgen Vietor, 1977 Co-Pilot der entführten Maschine Landshut

Sie beschließen, die Landshut im Sand neben der Landebahn zu landen. Wie durch ein Wunder scheint die Maschine heil geblieben zu sein. Direkt haben jemenitische Soldaten die "Landshut" umstellt. Kapitän Jürgen Schumann verlässt das Flugzeug, will prüfen, ob es weiterfliegen kann - und ist plötzlich verschwunden. Der Kopf der Entführer war rasend, erinnert sich Diana Müll: "Mahmud, der hat getobt in der Maschine, und es rührte sich einfach nichts. Der Jürgen Vietor hat gezittert am ganzen Leib."

Als Jürgen Schumann einige Minuten später zurückkommt, ist er in Begleitung von Soldaten. Mahmud wartet mit der Pistole in der Hand, er ist außer sich und kündigt ein Tribunal an. Er befielt Schumann, sich hinzuknien. Wie Diana Müll wird niemand die nächsten Momente vergessen, alle Passagiere müssen zusehen: "Wie der Schumann kniete, hat er gefragt: Guilty or not guilty? Und der Schumann hat wieder gesagt: Mahmud, lass mich erklären. Und in dem Moment hat Mahmud ausgeholt, hat ihm gegen den Kopf gehauen. Und in dem Moment, wo sein Kopf weggeflogen ist, hat er ihm in seinen Kopf geschossen." Jürgen Schumann ist sofort tot.

Mogadischu: Ein letztes Ultimatum

Die Maschine wird aufgetankt, Co-Pilot Jürgen Vietor muss alleine weiterfliegen. Am Montag früh, den 17. Oktober, ist das Flugzeug erneut zur Landung gezwungen: in Mogadischu, der Hauptstadt Somalias. Es wird die letzte Station der entführten Maschine sein. Die Entführer stellen ein letztes Ultimatum: Deadline 15 Uhr. Mahmud gibt per Funk durch: "This Captain Martyr Mahmud! We are going to blow up the airplane exactly at the deadline."

Kurz vor Mittag landet Staatsminister Wischnewski in Mogadischu. Er verhandelt mit der somalischen Regierung darüber, ob die deutsche Antiterroreinheit, die GSG 9, eingesetzt werden darf. Parallel dazu bereiten die Entführer alles für eine Sprengung der Maschine vor: Sie fesseln die Passagiere, übergießen sie mit Alkohol und Spiritus. Die Passagiere können nichts ausrichten, durchleben Todesangst, erzählt Diana Müll rückblickend: "Dann haben wir immer nur gedacht: wann zündet der uns an?"

Trotz letztem Ultimatum: Bundesregierung bleibt hart

Zeitgleich machen sich die Familien der Passagiere in Deutschland auf den Weg zum Bundeskanzleramt in Bonn, sie wollen einen Austausch der Geiseln erwirken. Doch die Bundesregierung um Helmut Schmidt gibt nicht nach.

Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski bekommt die Zusage, dass die deutsche Antiterroreinheit GSG 9 die Maschine stürmen darf. Zum Schein geht die Bundesregierung auf die Forderung der Terroristen ein, die RAF-Häftlinge auszutauschen. Die Häftlinge würden nach Mogadischu geflogen werden, heißt es. Die Entführer verlängern das Ultimatum auf 1.30 Uhr in der Nacht, binden die Geiseln wieder los und warten auf die Ankunft der RAF-Häftlinge.

Operation "Feuerzauber" in Mogadischu

Kurz vor Ablauf des Ultimatums schleichen sich die GSG 9 Männer an die Maschine heran. Dieter Fox ist einer von ihnen: "Ich hatte Angst, dass der Einsatz missglückt, ich hatte Angst, dass das, was wir gelernt haben, nicht funktioniert." Es ist der erste große Einsatz der GSG 9, die "Operation Feuerzauber".

Der Einsatz-Plan sieht vor, gleichzeitig durch alle sechs Türen der Maschine einzudringen, das Feuer zu eröffnen und die Entführer auszuschalten. Jürgen Vietor erinnert sich an Schüsse. Dann ist alles vorbei. Drei der vier Entführer wurden erschossen, einer wird schwer verletzt. Nach und nach werden die Passagiere aus der Maschine geholt. Diana Müll ist die letzte, die aus der Maschine rauskommt, sie hat sich vor lauter Angst unter ihrem Vordersitz verkrochen, schafft es alleine nicht mehr raus. Sie erzählt, dass ein GSG 9-Mann sie aus dem Flugzeug getragen hat und "dann hat er gesagt: Lauf um dein Leben. Und dann bin ich um mein Leben gerannt."

Inszenierung der Geiseln nach dem "Wunder von Mogadischu"

Alle Geiseln werden befreit. Ihre Bilder gehen um die Welt und die Befreiung geht als "Wunder von Mogadischu" in die Geschichte ein. Noch in derselben Nacht nehmen sich drei RAF-Terroristen in ihren Zellen das Leben, darunter Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Hanns Martin Schleyer wird wenige Stunden später von der RAF ermordet. Der Deutsche Herbst ist zu Ende - ohne, dass die Bundesregierung sich hat erpressen lassen. Als die GSG 9 am Nachmittag des 18. Oktober zurück nach Deutschland kommt, werden sie als Helden gefeiert. Und die Bundesregierung feiert ihren Sieg über den Terrorismus.

Damit endet die Geschichte der entführten "Landshut" normalerweise. Doch für die Geiseln von Mogadischu geht sie weiter, ihr Leben bleibt für immer mit der "Landshut" verbunden. Diana Müll ist traumatisiert, braucht Hilfe, will einfach nur nach Hause und ihre Familie wiedersehen.

Obwohl ihre Familie längst am Flughafen auf sie wartet, hat die Bundesregierung andere Pläne. Der Sieg gegen den Terrorismus wird medienwirksam inszeniert, die Opfer werden zu Statisten: "Wir sind dann die Treppe runter, und ich weiß unten waren ganz viele Politiker und die standen alle mit Blumen da und haben mir einen Blumenstrauß in die Hand gedrückt … Ich habe einfach nur die Hände gereicht, und ich war einfach wie in Trance," erinnert sich Diana Müll in "Kontrovers - Die Story".

Im Stich gelassen: Die Geiseln der Landshut-Entführung

Erst dann werden sie zu ihren Angehörigen in die Lufthansa-Cafeteria gebracht. In eine Decke gehüllt. Ohne Papiere und Schuhe kommt Diana Müll aus Mogadischu zurück, traumatisiert von fünf Tagen Geiselnahme, überfordert mit der Ankunft in Deutschland. Doch auch bei der Zusammenführung mit ihren Familien werden die Geiseln von internationaler Presse belagert. Bis heute hat die Familie von Diana Müll die Entführung und alles, was damit zusammenhängt, nicht vollständig verarbeitet.

Die Bundesregierung verspricht den Geiseln schon 1977 schnelle und unbürokratische Hilfe. Doch die bleibt aus. Es gibt keine psychologische Betreuung, keine Trauma-Ambulanz, kein Geld. Die Geiseln werden 45 Jahre lang immer wieder zum Symbol einer starken Regierung gegen den Terror inszeniert - doch sie müssen allein zurechtkommen. Diana Müll hofft bis heute auf die Einlösung des Versprechens.

Sendehinweis: Teil 1 der Doku "Die Landshut-Entführung: Das Geiseldrama von Mogadischu" wird am 31.05.2023 um 21.15 Uhr in "Kontrovers" im BR-Fernsehen ausgestrahlt. Am 07.06.2023 folgt "Die Landshut-Entführung – Teil 2: Das Leben mit dem Trauma".

Schon jetzt sind beide Teile in der ARD-Mediathek verfügbar.

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