Große französische Modehäuser und Designer haben schon im mittelfränkischen Diespeck bei der Stickerei Müller arbeiten lassen. Doch Namen und Aufträge sind in der Branche streng geheim, denn die Luxusmarken legen großen Wert auf Verschwiegenheit.
Leo-Look für Kim Kardashian
40 bis 50 Outfits gehören zu einer Haute-Couture-Kollektion, das macht 1.500 Einzelstücke von Hose, Bluse, Rock und Kleid bis hin zu Tasche, Schuhen und Schmuck. Die Stickerei Müller ist oft für Applikationen zuständig, kümmert sich zum Beispiel um die Bordüren. In seinem Büro hat Firmenchef Stefan Glass den Rohling eines Mantels hängen, es ist eine Arbeit für Balenciaga, das darf er verraten. Und auch, dass Kim Kardashian einen danach konfektionierten Mantel vor zwei Jahren auf einem Event getragen hat.
Mit einer Hundebürste zum Designermantel
Das Besondere an dem flauschigen Mantel im Leoparden-Look ist, dass er wie ein gewebter Mantel aussieht, obwohl er gestickt ist. "Der Kunde wollte ein flauschiges Aussehen und wir haben überlegt, wie wir das hinbekommen", erzählt Stefan Glass. Eine Mitarbeiterin ist auf die Idee gekommen, ihre Hundebürste mitzubringen und so haben sie angefangen, die feine Stickerei mit der Bürste aufzurauen. Das Ergebnis war erstaunlich flauschig, ein wilder Leoparden-Look entstand und der Designer war begeistert.
Französische Modehäuser und Designer lassen im mittelfränkischen Diespeck bei der Stickerei Müller arbeiten
Kreativ sein für die Luxusmarken
Vorhandene Handwerkstechniken werden kreativ eingesetzt, erläutert Stefan Glass. Klingt einfach, ist jedoch in der Welt der Haute Couture anspruchsvoll und zeitintensiv. An einem schwarzen Mantelsaum tüftelt das Kreativteam seit Stunden, der Farbverlauf gefällt nicht und der Designer erwartet bis Mittag ein Ergebnis.
Handarbeit und Automatisierung
In der Fertigung am Standort Diespeck sind bei der Stickerei Müller 50 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. Nochmal 50 in Polen und Tschechien. Die Stickerei liefert sowohl Handarbeit als auch automatisierte Prozesse und das wissen die französischen Top-Designer zu schätzen. Stefan Glass hat die Firma vor über 20 Jahren von seinem Vater übernommen, der hatte die Stickerei Anfang der 1950er Jahren im mittelfränkischen Diespeck aufgebaut.
Erster Kunde war John Galliano
Bis 1990 gehörte die Stickerei Müller zu den größten Stickereien in Deutschland. Mit der Verlagerung der Textilindustrie nach Asien verlor die Firma damals viele Kunden. Die Stickerei brauchte neue Geschäftszweige und durch Zufall kam der erste Auftrag für Haute Couture. John Galliano war ein junger Designer und wurde auf die Stickerei aufmerksam. Stefan Glass spricht Französisch und lieferte die präzisen Arbeiten, die der Designer wollte. So entstand die neue Ausrichtung der Firma im Bereich Haute Couture.
Mit dem Kurier nach Paris
Stefan Glass und sein Team haben das Problem mit dem Mantelsaum inzwischen lösen können, der Kunde bekommt fünf verschiedene Proben mit fünf verschiedenen Techniken zurück. Ein Kurier wird das kleine Päckchen, mit den in Seidenpapier eingeschlagenen Stickereien gleich abholen und über Nacht nach Paris bringen. Stefan Glass wird morgen mit dem Assistenten des Designers telefonieren und dann wird entschieden, welcher Saum gestickt wird. Wenn der schwarze Mantel im kommenden Jahr in der nächsten Haute-Couture-Schau und in Modezeitschriften zu sehen ist, werden sich alle Mitarbeitenden aus Diespeck freuen, wieder ein kleines Detail für die ganz teure Welt der Mode geliefert zu haben.
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