(Symbolbild) Collage mit Masern-Virus Diagrammen.
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(Symbolbild) Wie ist die Masern-Impfquote in Ihrem Landkreis? Eine Auswertung zeigt: Innerhalb Bayerns gibt es regional Unterschiede.

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Impfquote und Infektionen: So steht es um die Masern in Bayern

Impfquote und Infektionen: So steht es um die Masern in Bayern

Wie ist die Masern-Impfquote in Ihrem Landkreis? Eine Auswertung von BR24 Data und #Faktenfuchs zeigt: Innerhalb Bayerns gibt es regional große Unterschiede – vor allem bei kleinen Kindern. Gerade für sie ist die Krankheit aber besonders gefährlich.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Das Epizentrum des grassierenden Masern-Ausbruchs in Texas mit zwei Toten (externer Link zu tagesschau.de) liegt in Gaines County, einem ländlichen Bezirk im Westen des US-Bundesstaates. In einem der dortigen Schuldistrikte sind nur 46 Prozent der Kindergartenkinder gegen Masern geimpft. Deutlich weniger als die 95 Prozent, die laut WHO notwendig sind, um eine Verbreitung der potentiell tödlichen Infektionskrankheit zu verhindern.

Eine Auswertung der RKI-Impfdaten durch BR24 Data und den #Faktenfuchs zeigt: Die Impfquote bei den 24 Monate alten Kindern in Bayern, die 2021 geboren wurden, liegt bei 76,7 Prozent – mit teils erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten.

Deshalb müsse man "aufpassen, dass man sich nicht nur von der bundesweiten Gesamtstatistik allein leiten lässt, sondern sich auch die einzelnen Regionen genau anschaut", sagt Christian Bogdan, Immunologe und Mikrobiologe an der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen. Bayern sei im deutschlandweiten Vergleich kein Musterland, was Impfungen angeht.

24-Monatige: Masern-Impfquote in allen bayerischen Landkreisen unter STIKO-Empfehlung

In 20 bayerischen Landkreisen waren mindestens 30 Prozent der Kinder, die 2021 geboren wurden, im Alter von 24 Monaten noch nicht vollständig gegen Masern geimpft. Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen in Oberbayern waren es sogar mehr als 40 Prozent, dort lag die Impfquote der 24 Monate alten Kinder (Geburtsjahr 2021) lediglich bei 59 Prozent. Auch in vielen niederbayerischen Landkreisen wie in Freyung-Grafenau, Rottal-Inn oder in der Stadt Passau liegt die Masern-Impfquote bei 24-Monatigen nur knapp über 60 Prozent.

Interaktive Tabelle: Entwicklung der Masern-Impfquoten in deutschen Landkreisen

Suchen Sie in der Tabelle nach Ihrem Landkreis oder Ihrer kreisfreien Stadt. Sie können sich sowohl alle bayerischen als auch alle deutschen Landkreise anzeigen lassen.

Seit 2020 gibt es eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht in Deutschland. Das heißt, Kinder müssen geimpft sein, wenn sie in eine Gemeinschaftseinrichtung – etwa eine Kinderkrippe oder direkt in die Grundschule – kommen. Das hat die Impfquote in vielen Landkreisen drastisch erhöht. Doch die Daten der vergangenen Jahre zeigen auch: Während sich in einigen bayerischen Orten die Impfquote weiter nach oben entwickelte, sind heute in vielen Teilen Bayerns weniger Kleinkinder vollständig gegen Masern geimpft als noch vor wenigen Jahren.

Masern-Impfquote: Rückgang in jedem vierten bayerischen Landkreis

Vergleicht man den Anteil vollständig geimpfter 24 Monate alter Kinder der Geburtsjahrgänge 2018 und 2021, zeigt sich in 25 bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten ein Rückgang. Besonders stark war der Rückgang in Straubing: Während noch 81 Prozent der 2018 geborenen Kinder im Alter von 24 Monaten vollständig geimpft waren, sank dieser Anteil bei den 2021 geborenen Kindern auf nur noch 70 Prozent – eine Minderung von mehr als zehn Prozentpunkten.

Grafik: Größte Veränderungen beim Masern-Impfschutz in Bayern

Zweite Masernimpfung oft verspätet

In verschiedenen Landkreisen Bayerns und auch anderer Bundesländer werde sowohl die erste als auch die zweite Masernimpfung in ein deutlich höheres Lebensalter verschoben, sagt der Immunologe Bogdan. "Das ist sehr bedauerlich und eindeutig eine medizinische beziehungsweise elterliche Fehlentscheidung." Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die erste MMR-Impfung im Alter von elf Monaten. Die zweite Impfung soll im Alter von 15 Monaten verabreicht werden, frühestens vier Wochen nach der ersten Impfung. "Die Wahrscheinlichkeit einer schweren Maserninfektion mit Komplikationen oder gar einem tödlichen Verlauf steigt, je jünger die Kinder bei der Infektion sind", erklärt Bogdan.

Der Immunologe spricht von Missverständnissen, die bei manchen Eltern in Bezug auf die zweite Impfung vorherrschen: "Viele denken, dass das so eine Art Boosterimpfung ist. Das ist aber die zweite Masernimpfung nicht." Es gebe ungefähr fünf bis sieben Prozent "primäre Impfversager", also Kinder, bei denen die erste Impfung noch keinen Schutz bietet. "Deswegen gibt es auch schon seit vielen Jahren die Empfehlung, eine zweite Impfung zu geben (externer Link)."

Auch Hedwig Roggendorf, Leiterin der Impfsprechstunde am Klinikum rechts der Isar, beobachtet, dass viele Eltern aus falscher Vorsicht auf zweite Impfungen verzichten, wenn ihr Kind zu dem Zeitpunkt etwa durch eine bestehende Erkältung leichte Krankheitssymptome zeigt. "Das ist in der Regel aber kein Grund, nicht zu impfen. Aber viele Eltern möchten das dann partout nicht. Und dann wird es eben verschoben und dann noch mal verschoben und dann noch einmal verschoben. Und irgendwann gerät es dann halt ganz aus dem Fokus."

Außerdem hatte die Corona-Pandemie Folgen für die Impfdiskussion, wie Kinderarzt Burkhard Rodeck beobachtet: "Die Gruppe derjenigen, die eher unsicher sind und nach Aufklärung fragen, ist sicher größer geworden. Ich glaube, die Gruppe der dogmatischen Impfgegner ist mehr oder weniger gleich geblieben."

Niedrige lokale Impfquote begünstigte Ausbruch in Coburg 2001

Was eine lokal niedrige Impfquote für Folgen – ähnlich wie in Texas – haben kann, erklärt Immunologe Bogdan am Beispiel Coburg aus dem Jahr 2001. Laut "Deutschem Ärzteblatt" (externer Link) gab es während eines achtmonatigen Ausbruchs dort knapp 1.200 Fälle. Ausgangspunkt war demnach eine anthroposophische Schule. Zu Komplikationen kam es bei 113 Erkrankten, 21 davon wurden im Krankenhaus behandelt.

Ausbreiten konnte sich die Krankheit wegen einer geringen Durchimpfungsrate von 77 Prozent. In den umliegenden Landkreisen betrug die Impfquote mindestens 90 Prozent – der Ausbruch blieb lokal begrenzt.

Grafik: Masernausbruch in Coburg 2001/2002

Masern-Infektionen steigen nach Pandemiejahren wieder an

Wie sich die Masern-Infektions- und Impfquoten infolge der Corona-Pandemie und der großen gesellschaftlichen Diskussion rund um das Thema Impfen entwickeln, wird sich noch zeigen, bislang liegen nur die Daten bis 2023 vor. Doch die Infektionszahlen 2024 waren bereits wieder auf einem ähnlichen bis leicht höheren Stand als in den Jahren vor 2020.

Seit Beginn des Jahres sind in Bayern 23 Menschen an Masern erkrankt (Stand KW19). Im Jahr 2024 wurden dem RKI insgesamt 69 Masernfälle gemeldet – in ganz Deutschland waren es 645. "Das ist deutlich mehr als auch in präpandemischen Zeiten. Das macht schon ein Stück weit Sorgen", sagt Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Mehr Infizierte in Deutschland hatte es zuletzt 2017 gegeben.

Dass es während der Pandemie von 2020 bis 2023 kaum Maserninfektionen in Deutschland gab, erklären die getroffenen Schutz- und Hygienemaßnahmen: "Sämtliche Infektionskrankheiten, vor allem die, die durch Aerosole oder durch Tröpfcheninfektionen übertragen wurden, gingen nach unten", sagt Immunologe Bogdan.

Grafik: So haben sich die Masern-Infektionen entwickelt

Deutschland sei an sich auf einem guten Weg, um den Status eines masernfreien Landes zu erreichen, sagt Immunologe Bogdan. Sollte sich der Trend zum "Auslassen" der 2. Masernimpfung jedoch fortsetzen, könnte es vermehrt Masernausbrüche geben, zumal in vielen europäischen und außereuropäischen Ländern mittlerweile vermehrt Masernfälle auftreten.

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