Jedes Frühjahr kommen sie zurück nach Bayern: Zugvögel wie der Große Brachvogel. Für Verena Rupprecht ein besonderer Moment. Nicht nur, weil sie dann merkt, der Sommer ist nicht mehr weit, sondern weil diese Vögel dringend Schutz brauchen. Sie stehen kurz vor dem Aussterben und das möchte Rupprecht verhindern.
"Der Brachvogel gehört zu Bayern, genauso wie die Alpen oder der Bayerische Wald", so die Biologin. Bei uns haben die Vögel die wichtigste Station in ihrem Leben. Sie kommen nach Bayern, um hier ihren Nachwuchs aufzuziehen.
Brachvögel wollen immer wieder in derselben Region brüten
Brachvögel sind extrem heimattreu. Sie fliegen von ihren Wintergebieten in Spanien oder Marokko nicht nur immer wieder in dieselbe Gegend in Bayern, sondern am liebsten auf dieselbe Wiese, um dort direkt auf dem Boden ein Nest zu bauen. Meist paaren sich die Vögel auch mit demselben Partner und bleiben sich über viele Jahre treu.
Doch obwohl sie zuverlässig Eier legen: Der Großteil des Nachwuchses stirbt in den ersten Wochen. Ein Grund dafür ist die moderne Landwirtschaft. "Wenn Wiesen nicht mehr ein- oder zweimal gemäht werden wie früher, um Heu zu gewinnen, sondern fünf oder sechs Mal, dann kommt der Vogel nicht mehr mit."
Eltern werden immer älter und bleiben ohne Nachwuchs
Brachvögel können bis zu 30 Jahre alt werden. Die Elternvögel werden immer älter, sie könnten sterben, ohne dass sie genügend Nachwuchs hinterlassen, befürchtet Rupprecht. Das könne dazu führen, dass die Wiesenbrüter auf einen Schlag verschwinden. Denn es gibt nur noch etwa 500 Brutpaare, ihr Bestand hat sich in den letzten 40 Jahren halbiert. Aber wäre das schlimm, wenn es die Vögel nicht mehr gibt?
Wenn Arten verschwinden: Alarmzeichen für Lebensraum
Zunächst hat grundsätzlich jede Art einen Anspruch darauf, zu existieren, sagt Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz. "Wir können nicht das Recht für uns beanspruchen, zu entscheiden, welche Art auf dieser Welt lebt. Erst recht nicht für zukünftige Generationen."
Gleichzeitig seien einzelne Arten aber auch Anzeiger für ganze Lebensräume. "Eine reichhaltige biologische Vielfalt zeigt uns, dass die Lebensräume noch intakt sind, das wissen wir aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien", so Schäffer. "Das Verschwinden jeder einzelnen Art ist ein Alarmzeichen, dass es in ihrem Lebensraum Probleme gibt. Diese Probleme wirken sich am Ende auch auf uns Menschen aus." Aus diesem Grund wird gerade wieder beim UN-Weltnaturgipfel, dieses Jahr in Cali, Kolumbien, darum gerungen, wie das Artensterben weltweit gestoppt werden kann.
Von Schutz profitieren viele andere Arten
Auch Verena Rupprecht betont, es gehe nicht nur um einen eher unscheinbaren braunen Brachvogel mit langem Schnabel, sondern um das, wofür er steht: feuchte, bunt blühende Wiesen. Viele Arten, seltene Schmetterlinge, Grashüpfer und andere Insekten sind darauf angewiesen. Insekten sind die Grundlage einer ganzen Kette von Lebewesen. "Solche Wiesen sind aber auch für uns Menschen wichtig, um uns vor Starkregen und Hochwasser zu schützen", erklärt Verena Rupprecht.
Wiesen und insbesondere Moore sind außerdem bedeutende Kohlenstoffsenken. Mehr Lebensraum für den Brachvogel bedeutet also, dass mehr Kohlendioxid gebunden wird. "Wenn wir den Brachvogel schützen, schützen wir auch das Klima", sagt Verena Rupprecht. Für Norbert Schäffer bedeutet biologische Vielfalt aber auch Lebensqualität. "Sie macht unsere Umgebung reicher, bunter und vielfältiger."
Europaweit sind Menschen Studien zufolge umso zufriedener und glücklicher, je mehr Vögel in ihrer Umgebung singen und je mehr Arten sie hören. "Eine vielfältige Natur tut uns und unserer Gesellschaft in jeder Hinsicht gut", so Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz.
- In der Mediathek: Die Letzten ihrer Art – Kampf um die Brachvögel
Im Video: In Kolumbien hat die COP 16 begonnen
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