Polizisten sehen sich wachsender Aggression und Gewalt ausgesetzt. Umgekehrt steigt die Zahl tödlicher Polizeischüsse.
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Polizisten sehen sich wachsender Aggression und Gewalt ausgesetzt. Umgekehrt steigt die Zahl tödlicher Polizeischüsse.
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Mehr Taser für Bayerns Polizei? Herrmann sieht Möglichkeiten

Mehr Taser für Bayerns Polizei? Herrmann sieht Möglichkeiten

In Bayern wurden 2024 fast 3.000 Polizeibeamte im Dienst verletzt. Zugleich stieg die Zahl tödlicher Schüsse aus Polizeiwaffen auf 22. Sind mehr Elektroschockgeräte die Lösung? Innenminister Herrmann lässt prüfen, die Polizeigewerkschaft macht Druck.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Tanja Viessmann aus München wurde Opfer von Polizeischüssen. Vor vier Jahren, in der Corona-Zeit, gerät sie in eine finanzielle und in der Folge auch psychische Krise. Die Situation spitzt sich zu: Drei Tage lang leidet sie unter Panikattacken und Verfolgungswahn. Ihr Ehemann wählt die 112 und kontaktiert den ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Doch die Hilfe, die Viessmann bräuchte, bekommt sie nicht. Als die Polizei sie schließlich in eine Einrichtung bringen will, greift sie nach einem Küchenmesser und geht auf einen jungen Polizisten zu. Der schießt zweimal. Viessmann überlebt schwer verletzt. Im Gespräch mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers sagt sie, sie habe sich in der Situation damals selbst nicht mehr gekannt: "Ich hab' nichts mehr gehört, hab' nicht mehr mitbekommen, dass ich das Messer genommen habe."

Umgang mit psychisch belasteten Tätern

Immer wieder hört man, der Täter oder die Täterin litten unter einer psychischen Störung. Zum Beispiel auch eine Frau, die Anfang Juni auf der Münchner Theresienwiese mit einem Messer auf zwei Passanten losging und dann von der Polizei erschossen wurde. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betont gegenüber Kontrovers, es sei wichtig, in ganz Deutschland Konzepte zu entwickeln, um solche Täter früher zu erkennen und rechtzeitig zu stoppen. "Aber ich sage auf der anderen Seite auch klar, ein Polizeibeamter muss nicht darauf warten, bis das Messer zwischen seinen Rippen steckt."

Im Video: Kontrovers-Interview mit Joachim Herrmann (CSU) Bayerischer Innenminister: Mehr Taser für Bayerns Polizei: "Wir haben Grund, das nochmal zu prüfen"

Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) sagt: "Ein Polizeibeamter muss nicht darauf warten, bis das Messer zwischen seinen Rippen steckt."
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Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) sagt: "Ein Polizeibeamter muss nicht darauf warten, bis das Messer zwischen seinen Rippen steckt."

Diskussion um Taser wieder entflammt

Nach dem tödlichen Polizeieinsatz wurde einmal mehr diskutiert, ob sogenannte Taser in diesen extremen Situationen die bessere Alternative wären als Schusswaffen. Taser geben Elektroschocks aus wenigen Metern Distanz ab, die zu schmerzhaften Muskelkontraktionen führen. Dadurch wird ein Mensch in der Regel handlungsunfähig. Das Gerät ist nicht unumstritten: zum einen wegen fraglicher Zuverlässigkeit, zum anderen wegen einer möglichen gesundheitlichen Gefährdung des Täters, etwa bei Herzschwäche.

Unterschiedliche Sichtweisen in Bund und Ländern

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) gab wenige Tage nach dem tödlichen Schusswaffengebrauch auf der Theresienwiese bekannt, er wolle die Taser bei der Bundespolizei neu einführen. Andere Bundesländer haben sie längst flächendeckend für ihre Streifenpolizisten, etwa Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, das Saarland, Berlin und Brandenburg. Bayern zögert. Dort nutzen hauptsächlich nur Spezialeinheiten in Teams von vier Beamten das Gerät.

Online-Umfrage in Sachsen-Anhalt: 84 Prozent pro Taser

In Sachsen-Anhalt hat das Innenministerium eine Online-Umfrage bei Polizistinnen und Polizisten gemacht. Taser für alle Polizeibeamte, ja oder nein? Klares Ergebnis: 84 Prozent der Teilnehmer sprachen sich dafür aus. Jetzt wird, wie Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) vergangene Woche in Magdeburg bekanntgab, die rechtliche Grundlage für eine flächendeckende Einführung geschaffen, dann ein Ausbildungskonzept erstellt. Schon im nächsten Jahr soll ein Pilotprojekt starten.

Bayern prüft häufigere Verwendung

Auf diese Umfrage angesprochen, sagt Innenminister Herrmann im Kontrovers-Interview: "Alles, was wir an Bewaffnung und Ausstattungsentwicklung in den letzten Jahren gemacht haben, geschah immer unter Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen." Er nehme ernst, dass es Beamte gäbe, "die sagen, Taser haben auch eine abschreckende Wirkung", und manchmal lasse ein Täter dann vorzeitig von seinem Opfer ab. Momentan werde geprüft, ob die Elektroschockgeräte künftig bei mehr Einheiten und in mehr Dienststellen zum Einsatz kommen könnten. Aber: "Jede Streife damit auszustatten, wäre extrem schwierig", so der Innenminister.

Polizeigewerkschaft macht Druck

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat ebenfalls eine klare Meinung zum Einsatz von Tasern. "Um gefährliche Lagen wirksam und deeskalierend lösen zu können, ohne dass Menschen schwer verletzt werden, brauchen wir konkrete Maßnahmen", sagt deren bayerischer Landesvorsitzender Jürgen Köhnlein. "Deshalb fordern wir nachdrücklich die flächendeckende Einführung von Distanzelektroimpulsgeräten - sogenannten Tasern - für alle Streifenbesatzungen in Bayern. Eine Erprobung in der Fläche muss kommen!"

Ein Taser hätte möglicherweise auch bei Tanja Viessmann weniger Schaden angerichtet. Aber hätte ihr eine psychiatrische Ambulanz schnell geholfen oder wäre zum Polizeieinsatz ein solcher Notdienst mitgekommen, wäre die gefährliche Situation erst gar nicht eingetreten. Da ist sie sich sicher.

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