Ein Hotel im Alpenstil in Inzell, im Hintergrund eine Kirche.
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Der Pächter eines Inzeller Hotel soll deutlich mehr Miete für ukrainische Geflüchtete vom Jobcenter abgerechnet haben, als ihm zustand.

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Mehrfach-Miete für Geflüchtete: Betrugsverdacht bei Hotelpächter

Mehrfach-Miete für Geflüchtete: Betrugsverdacht bei Hotelpächter

Im Januar wurde der Pächter eines Hotels in Inzell verhaftet, weil er das Jobcenter bei der Miete für ukrainische Geflüchtete betrogen haben soll. Er soll Zimmer mehrfach abgerechnet haben. Dabei soll ein Schaden von 100.000 Euro entstanden sein.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Anfang Januar schlug die Kripo Traunstein zu: Ein Mann mit ukrainischem und bulgarischem Pass wurde in den frühen Morgenstunden verhaftet. Es ist der Pächter eines Hotels in Inzell im Landkreis Traunstein. Er soll zusammen mit einer Frau in großem Stil das Jobcenter betrogen haben. Die bisherigen Ermittlungen deuten darauf hin, dass das Duo die Hotelzimmer an ukrainische Geflüchtete vermietete – und dabei für ein Zimmer bis zu fünfmal Miete kassierte.

Großteil der ukrainischen Geflüchteten lebt in privaten Unterkünften

In Bayern leben aktuell knapp 160.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Knapp zwei Drittel von ihnen sind privat untergekommen, wie das Innenministerium auf Anfrage von BR24 erklärt. Viele von ihnen wohnen bei Freunden oder Familienmitgliedern, die schon vor dem Krieg in Deutschland gelebt hatten. Das zeigt eine Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (externer Link). Wenn die Geflüchteten ihre Miete nicht selbst bezahlen können, springt das Jobcenter ein. Die Behörde zahlt für die Wohnung, nachdem der Mietvertrag geprüft wurde. Und sie stellt sicher, dass die Miete nicht über einer örtlichen Mietobergrenze liegt, die die Verwaltung festlegt.

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Dem verhafteten Pächter des Inzeller Hotels ist es wohl aber trotzdem gelungen, aus dieser Regelung ein betrügerisches Geschäftsmodell zu machen. In ukrainischen Telegram-Gruppen warb er für das Hotel als private Flüchtlingsunterkunft. Dort hieß es: "Wir laden ukrainische Flüchtlinge ein. Die Unterkunft ist kostenlos, wir helfen mit allen Unterlagen." Auch die beiden jungen Ukrainerinnen Alina und Xenia packten ihre Koffer. BR24 hat mit ihnen über ihre Zeit in dem Hotel in Inzell gesprochen.

"Klima der Angst"

Die beiden Frauen heißen eigentlich anders. Aus Furcht vor dem ehemaligen Pächter wollen sie sich nur anonym äußern. "In dem Hotel herrschte ein Klima der Angst", erzählen sie. "Sie haben uns gedroht, dass sie Kontakte zur Polizei hätten und wir abgeschoben werden, wenn wir etwas falsch machen. Außerdem sind zum Teil Briefe verschwunden oder sie wurden geöffnet." Der Pächter verlangte knapp 1.300 Euro Miete von Alina für ein rund 20 Quadratmeter großes Zimmer, in dem zwei Erwachsene und zwei Kinder lebten. Er drängt sie, den Mietvertrag zu unterschreiben. Sonst gebe es keine Sozialleistungen vom Jobcenter. Die Miete übernahm das Jobcenter.

Fünfmal Miete für ein einziges Zimmer

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Traunstein hatte dieses Vorgehen System in dem Hotel. "Gegenüber dem Jobcenter hat der Pächter angegeben, dass jeweils ein Zimmer an eine Person vermietet sei. Bei der Durchsuchung hat sich aber herausgestellt, dass in einem Zimmer zwei bis fünf Personen gelebt haben", sagte Pressesprecher Rainer Vietze. Der Pächter hat also für ein einziges Zimmer bis zu fünfmal Miete vom Jobcenter kassiert. Dabei entstand ein Schaden von rund 100.000 Euro, schätzt die Staatsanwaltschaft. Die ebenfalls verhaftete Frau handelte wohl als seine Assistentin und Komplizin. Sie begleitete die Bewohner zum Beispiel bei Terminen im Jobcenter. Kommt es zu einer Verurteilung, droht beiden eine erhebliche Haftstrafe, so Vietze.

Zu wenig Kontrollmöglichkeiten?

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Ungefähr ein halbes Jahr, nachdem der erste Mietvertrag aus dem Hotel beim Jobcenter Traunstein gelandet war, meldete sich die Behörde bei der Polizei. Ehrenamtliche, die die Geflüchteten unterstützen, hatten von den beengten Verhältnissen in dem Hotel berichtet. Doch das Jobcenter selbst kann nur die Mietverträge prüfen. Polizeiliche Befugnisse hat die Behörde nicht, sie kann also nicht einfach eine Wohnung kontrollieren. "Aus unserer Sicht ist es problematisch, dass das Jobcenter so wenig Kontrollmöglichkeiten hat", sagt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein.

Jobcenter Traunstein: "Nur Einzelfälle"

Der Geschäftsführer des Jobcenters Traunstein sieht hingegen keine Schwachstelle. "Wir geben die Hinweise an die Polizei weiter und die hat alle Befugnisse einer Ermittlungsbehörde", so Thomas Wendrich. Von großflächigem Betrug könne zudem keine Rede sein. "Es gibt immer mal wieder Einzelfälle, in denen Notlagen ausgenutzt werden. Wahrscheinlich haben wir in jedem Landkreis ein bis zwei Fälle wie in Inzell. Aber es existiert weltweit kein einziges Sozialsystem, in dem Betrug völlig ausgeschlossen ist."

Diesen Eindruck bestätigt die Bundesagentur für Arbeit. Die Pressestelle schreibt auf Anfrage von BR24: "Uns sind einzelne Betrugsfälle bei Unterkünften für ukrainische Geflüchtete bekannt. Diese Einzelfälle kommen aber nicht häufiger vor als bei anderen Personengruppen." Auf einen systematischen Missbrauch deute nichts hin.

Neuer Pächter will wieder Touristen einquartieren

Inzwischen hat ein neuer Pächter das Hotel in Inzell übernommen. Im Mai will er dort wieder Touristen einquartieren. Bis dahin müssen sich die verbleibenden ukrainischen Geflüchteten wohl eine neue Bleibe suchen. Das Landratsamt ist darauf schon vorbereitet. Zur Not können die Menschen in der Erstaufnahmestelle unterkommen. Ehrenamtliche helfen, private Unterkünfte zu vermitteln.

Alina und Xenia haben schon im vergangenen Jahr Wohnungen gefunden. Alina hat in der Ukraine in der Tourismusbranche gearbeitet. Inzwischen hat sie auch im Chiemgau einen Job in einem Hotel angefangen - in einem, in dem Touristen übernachten.

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