Menschen beim Faschingszug (Symbolbild)
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Debatte um Rassismus beim Fasching: "Gesellschaft ist sensibler"

Debatte um Rassismus beim Fasching: "Gesellschaft ist sensibler"

Bei Faschingsumzügen sorgen Plakate und Gesänge für Schlagzeilen und Rassismusvorwürfe. Die Polizei registriert nur Einzelfälle, kein generelles Rassismusproblem. Ein Sozialpsychologe erklärt die Vorfälle mit dem Alkoholkonsum – aber nicht nur damit.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Helau und Herabwürdigung, Konfetti und Diskriminierung? Drei mutmaßlich rassistische Vorfälle haben am vergangenen Wochenende bei Faschingsumzügen in Bayern für Aufsehen gesorgt. "Ausländer raus", riefen Teilnehmer beispielsweise am Samstag in Landsberg – von einem Umzugswagen der Landjugend Hohenfurch und im Takt des Lieds "L'amour toujours" des italienischen DJs Gigi D'Agostino.

Die Polizeiinspektion Landsberg leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung ein, und auch die Gemeinde Hohenfurch (Landkreis Weilheim-Schongau) bezieht Stellung: Auf ihrer Internetseite [Externer Link] schreibt sie, man verurteile Rassismus und Diskriminierung. In der Gemeinde sei jeder willkommen und gut integriert – ob mit oder ohne Migrationshintergrund.

Rassistische Vorfälle auch in Kempten und Sachsenkam

In Bayern blieb es aber nicht bei diesem einen Fall: In Kempten ermittelt die Polizei, weil beim Faschingsumzug ein mutmaßlich rassistisches Plakat auf einem Traktor befestigt war. Dort soll gestanden haben: "Deutschland macht überall auf die Tor, drum singt die ganze Dschungelschar im Chor."

Bei einer Traktoren-Rallye im oberbayerischen Sachsenkam (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) sorgten Personen, die schwarz angemalt waren und Schwimmflügel trugen, für einen rassistischen Eklat. Mit ihren Verkleidungen protestierten sie gegen Asylbewerberunterkünfte. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt die strafrechtliche Relevanz in diesem Fall. Zum Hintergrund: In Warngau plant der Landkreis Miesbach eine Flüchtlingsunterkunft für 500 Menschen, viele Einheimische fühlen sich überfordert.

In Abensberg im niederbayerischen Landkreis Kelheim hat sich beim Faschingsgillamoos ein 25-Jähriger rechtsradikal geäußert und den sogenannten Hitlergruß gezeigt. Einem Platzverweis kam er nicht nach und musste deshalb unter Zwang aus der Innenstadt gebracht werden, so die Polizei in einer Mitteilung. Dabei griff der aggressive Mann die eingesetzten Polizeibeamten sowie Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes an und leistete erheblichen Widerstand. Verletzt wurde aber niemand. Jetzt wird gegen den 25-Jährigen unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.

Polizei: Fasching hat kein Rassismusproblem

Polizeioberkommissar Holger Stabik, Sprecher im Polizeipräsidium Schwaben Süd-West, ist mit dem Vorfall in Kempten betraut. Abgesehen von diesem einen Fall, sagt er, sei der Fasching in Schwaben Süd-West "völlig unauffällig, was polizeiliches Einschreiten oder strafrechtliche Ermittlungen angeht". Mit Blick auf die aktuelle Debatte, ob Fasching ein Rassismusproblem habe, könne er keine Tendenz erkennen: "Von einer Zunahme zu sprechen, wäre völlig überzogen und verfehlt." Die Grenze des Vertretbaren liege im strafrechtlichen Bereich. Äußerungen, die diese Grenze touchieren, aber nicht überschreiten, seien im Fasching oft bewusst zweideutig oder mit Interpretationsspielraum formuliert, so Stabik.

Mehrere Hundert Faschingsumzüge – wenige Fälle

Laut Polizei handelt es sich in Bayern um Einzelfälle. Das ergab eine BR-Umfrage bei allen bayerischen Polizeipräsidien. Abgesehen davon habe es keine weiteren polizeibekannten rassistischen Vorfälle gegeben – bei Hunderten polizeilich betreuten Faschingsumzügen in ganz Bayern. Hinzu kämen kleinere Veranstaltungen und Faschingsbälle, die nicht oder nur kurz von der Polizei begleitet wurden.

Allein im Bereich Schwaben Süd-West waren es über 250 Faschingsveranstaltungen mit rund 125.000 Zuschauern. "Man sieht, was das für Dimensionen annimmt", sagt Stabik. In Unterfranken hat die Polizei 113 Umzüge betreut und aufgrund der aktuellen Debatte eine "erhöhte Aufmerksamkeit" auf mögliche rassistische Vorfälle gelegt. Aufgefallen sei aber nichts. Vergleichbare Rückmeldungen kamen auch aus allen anderen Polizeipräsidien.

Sozialpsychologe: Gesellschaft sensibler bei Rassismus

"Die Gesellschaft ist sensibler für solche Fälle als noch vor 15 oder 25 Jahren", sagt Ulrich Wagner, Professor für Sozialpsychologie (ehem. Universität Marburg, jetzt im Ruhestand), der im vergangenen Jahr den deutschen Psychologiepreis für seine Forschung zu Rassismus- und Fremdenfeindlichkeit bekam. Minderheiten würden stärker gehört, das führe inzwischen zu einem großen Unterschied, wie Debatten geführt werden. "Das ist eine gute Entwicklung und das sorgt dafür, dass mehr Fälle auffällig werden."

Alkohol und Gruppendynamik enthemmt

Gleichzeitig würden bei Großveranstaltungen wie Fasching, dem Oktoberfest oder anderen Volksfesten solche Parolen manchen leichter über die Lippen gehen, sagt Wagner. Schunkeln, gemeinsames Singen, Feiern, Umherziehen: "Wenn da in einer ganzen Truppe diese Form der Enthemmung steigt, dann kommt es eben zu Verhaltensweisen, die man unter anderen Umständen nicht zeigen würde." Und nicht zuletzt enthemme auch Alkohol. Dann falle bei vielen die Selbstkontrolle.

Historisch gesehen sei dies ja auch die Grundidee von Fasching: "Dinge zu sagen, die man sonst nur denkt", so Wagner. "Allerdings ging es dabei um Rebellion gegen die Mächtigen und nicht darum, sich über ohnehin schwache Gruppen lustig zu machen."

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