Die EU-Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen, Andrea Wörle, hat klare Vorstellungen, wohin EU-Gelder fließen sollen.
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Die EU-Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen, Andrea Wörle, hat klare Vorstellungen, wohin EU-Gelder fließen sollen.

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Mit Finanzpolitik zu mehr Gerechtigkeit: Kandidatin Andrea Wörle

Mit Finanzpolitik zu mehr Gerechtigkeit: Kandidatin Andrea Wörle

Mit Elite kann Andrea Wörle, EU-Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen, wenig anfangen. Aufgewachsen auf dem Bauernhof weiß sie, was landwirtschaftliche Arbeit ist. Als Finanzpolitikerin hat sie klare Vorstellungen, wohin EU-Gelder fließen sollen.

"Stimmt nicht", sagt Andrea Wörle lächelnd und blinzelt in die Sonne. Sie ist die EU-Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen und diskutiert gerade mit Franz Guggemos. Einem Ostallgäuer Landwirt, der in seinem Traktor sitzt. Hinter ihnen der Hopfensee mit Alpenpanorama, strahlender Sonnenschein. Statt für "Wirtschaftswunder" zu sorgen, wirft der Landwirt ihr vor, als er aus seinem Traktor auf sie herabblickt, würden die Grünen "Deutschland gegen die Wand fahren".

"Die Grünen müssen weg" – auch im EU-Wahlkampf

Er redet in einem derart strengen Allgäuer Dialekt, dass gefühlt nur sie, die selbst aus dem Ostallgäu kommt, ihn verstehen kann. "Stimmt nicht", entgegnet Wörle, ebenfalls mit Allgäuer Einschlag. "Vom günstigen, erneuerbaren Strom" gebe es inzwischen mehr "als jemals zuvor". Und außerdem sei sie es ja, die will, dass die Bauern "von diesem ganzen EU-Agrargeld mehr bekommen". Der Bauer denkt nach, nickt, entgegnet nichts mehr.

Es ist Anfang Mai. Andrea Wörle startet in Füssen ihren Europa-Wahlkampf. Und wo die Grünen sind, sind eben auch wütende Bauern nicht weit. Neben Guggemos parkt ein weiterer Traktor. Auf ihren Schildern steht: "Die Grünen müssen weg" und "die Grünen schaden unserem Land". Zwischen den beiden Traktoren und der Veranstaltungshalle: Polizeibeamte und Polizeiwägen. Sicher ist sicher, man weiß ja nie.

Wörle will die EU-Agrarförderung fairer verteilen

Aber Landwirt Guggemos und Wörle scheinen einen Draht gefunden zu haben. Vielleicht, weil Wörle selbst als Kind im Traktor saß? Oder weil Guggemos hier ganz friedlich protestiert? Wie auch immer. "Vielen Dank, dass Sie gekommen sind", verabschiedet sich die 38-Jährige bei ihm. Als Bauernhof-Kind könne sie schon verstehen, sagt sie anschließend, dass Bauern protestieren. "Weil die Bedingungen sehr, sehr anstrengend sind, und sehr, sehr hart."

Deswegen würde sie sich als EU-Abgeordnete (sie tritt zum ersten Mal an) die 60 Milliarden Euro EU-Agrarhilfe (https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20210916STO12704/gemeinsame-agrarpolitik-wie-unterstutzt-die-eu-landwirte ) mal genauer anschauen. Das meiste davon (66 Prozent) bezahlt die EU direkt an die Landwirte ("Direktzahlung"). Das sei ja auch gut, sagt Wörle, aber dieser Geldtopf müsse "fairer verteilt" werden. Damit "die kleinen Betriebe nicht leer ausgehen." Diesbezüglich gebe es bei der EU-Agrar-Förderung nämlich "noch arge Baustellen". Auch sollten Naturschutz und artgerechte Tierhaltung finanziell belohnt werden. Davon würde "vor allem Bayern profitieren".

Zwischen Almabtrieb und Queer-Community – oder geht beides?

Pferde, Mistgabel, Heuernte, Almabtrieb, Jungvieh versorgen – das prägte Wörles Kindheit. Aufgewachsen ist sie in einer konservativen Familie, wie sie selbst sagt. Auf einem kleinen Bauernhof im Ostallgäu. Lange habe sie sich nicht getraut, sich zu outen, dass sie lesbisch ist. Sie liebt ihre Heimat, aber dieser Gewissenskonflikt habe sie politisiert. "Als Europaabgeordnete", sagt sie heute, werde sie sich dafür einsetzen, dass "Regenbogen-Eltern in allen EU-Ländern rechtlich anerkannt werden". Heimatverbundenheit und Regenbogen - das ist halt ihr Lifestyle.

Mit Finanzpolitik zu mehr Gerechtigkeit

Ihr politisches Kernanliegen: Gerechte Finanzpolitik. Sie will dafür sorgen will, dass keine Gelder mehr versickern oder verschwendet werden. Zum Beispiel für Staaten, die die Rechtsstaatlichkeit nicht achten. "Bis hierhin und nicht weiter" hat die EU ja auch zu Ungarn gesagt – und kurzerhand 30 Milliarden Euro Fördergelder eingefroren. Hier - und das ist, was Wörle auch mit "gerechter Finanzpolitik meint" - sitzt die EU am längeren Hebel.

Mit solchen Summen, bei denen anderen Menschen schwindling wird, kann Wörle umgehen. Als Schwäbin interessiert sie sich fürs Geld. Das Klischee der echten Schwäbin kann sie sogar qua Beruf erfüllen. Sie arbeitete als Finanzjournalistin; und später als Bundestags-Mitarbeiterin im Bereich Haushaltspolitik. Daher argumentiert Wörle auch gerne mit Zahlen. Zum Beispiel, um Ungerechtigkeiten deutlich zu machen: "Männer besitzen im Schnitt über 30 Prozent mehr Vermögen als Frauen." Noch so ein Reizthema, das sie als EU-Abgeordnete angehen möchte.

Windräder, Subventionen, Menschenrechte – darum feiert Wörle die EU

Aber Wörle ist auch für vieles dankbar, was in der EU passiert: Für die vielen Fördergelder. Dafür, dass Behörden Windräder schneller genehmigen müssen (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52023DC0669). Und dass die EU gegen Fake-News vorgeht – mit Sanktionen und verbindlichen Regelwerken. Ganz besonders aber dafür, dass ihre Heimat, die Ammergauer Alpen, inzwischen das größte Naturschutzgebiet Deutschlands sind.

"Das haben wir der EU zu verdanken, die hat irgendwann gesagt: Wir wollen, dass die Mitgliedsländer bestimmte Gebiete als Naturschutzflächen ausweisen." Und so kam es. Verständlich also, dass Wörle während ihrer Wahlkampf-Tour auch hier vorbeischaut – in Deutschlands größtem Naturschutzgebiet, ihrer Heimat.

"Wenn ich den letzten Käfer nicht mehr sehe" - Sorge um Artenvielfalt

Im Graswangtal ist sie mit Naturschutzverbänden, wie dem BUND, DAV und LBV, unterwegs. Und die haben keine gute Nachricht für Wörle: Trotz aller EU-Regularien brauchen die Ammergauer Alpen noch mehr Naturschutz. "Wenn ich den letzten Käfer nicht mehr sehe", erzählt DAV-Vizepräsident Wolfgang Arnold, während er mit der Grünen-Politikerin auf einem Wanderweg dahinschlendert, "dann merke ich erst, welche Lücke das für uns Menschen bedeutet". Und die Käfer seien inzwischen wirklich knapp.

Grüne wünschen sich EU-Naturschutzfonds

Dass es der Artenvielfalt in Oberammergau an den Kragen geht, besorgt Wörle. Denn ohne Biodiversität keine Nahrung und kein sauberes Wasser. Apropos Wasser: "Stimmt schon", sagt Wörle, als sie an einem halb ausgetrockneten Bach vorbeikommen. "Früher war das Wasser hier höher." Als Abgeordnete würde sie sich auch dafür stark machen: Für einen Naturschutzfonds, mit dem man zum Beispiel "Moore und Wasser schützt und beim Waldumbau hilft". Bezahlt mit EU-Geldern.

Im Video: Portrait - Grüne EU-Spitzenkandidatin Andrea Wörle

Andrea Wörle
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Andrea Wörle

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