Erst am vergangenen Wochenende haben sich in ganz Deutschland zahlreiche Menschen Demonstrationen von AfD-Anhängern entgegengestellt. In Nürnberg kam es dabei zu Zusammenstößen mit der Polizei. Dass beide Seiten einen Schritt aufeinander zugehen könnten: aktuell unvorstellbar. Ein Zustand, den der Nürnberger Software-Entwickler Jonas Jabari so nicht hinnehmen will.
Deswegen hat der 34-Jährige ein Tool entwickelt, das Menschen helfen soll, sich gewinnbringend mit AfD-Sympathisanten auseinanderzusetzen. "Ich war selbst auf vielen Anti-AfD-Demos und habe festgestellt, dass das nichts bringt, weil wir niemanden außerhalb unserer Bubble erreichen. Deswegen dachte ich, ich muss etwas tun."
Konstruktive Diskussion dank KI
Die Anwendung funktioniert mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Die KI unterstützt den Nutzer, beziehungsweise die Nutzerin, in der Argumentation mit dem Gegenüber. Dabei geht es zunächst darum, eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden und sowohl sachlich als auch empathisch aufeinander einzugehen. Dazu passend trägt die Anwendung den Namen "Miteinander reden" (externer Link). Dabei gehe es nicht darum, "jemanden zu bashen", sagt Jabari. Vielmehr wolle er einen Denkanstoß liefern. Er hofft, mit seiner Anwendung den politischen Diskurs wieder konstruktiver machen zu können.
In dem Programm kann der User Punkte erwerben, die anzeigen, ob es ihm gelingt, das Vertrauen des AfD-Anhängers nach und nach zu gewinnen. Dabei ist es wichtig, sich ernsthaft für die Sorgen und Ängste des anderen zu interessieren und darauf einzugehen. Dazu kommen Fakten, die helfen sollen, den Gesprächspartner von den eigenen Standpunkten zu überzeugen.
Emotionale Brücken bauen mithilfe der App
Für BR24 hat Christopher Bastert, ein Bekannter von Jonas Jabari, das Tool getestet. Der 33-Jährige hatte auch schon politische Diskussionen, die ins Nichts führten. "Die Diskussionen, die ich hatte, waren sehr schnell emotional aufgeladen, also wir konnten sehr lange nicht über die eigentliche Thematik sprechen."
Die neue App soll ein sicherer Raum sein, um sich auch auf Konfrontationen vorbereiten zu können. "Ich denke, man kann üben, sich erstmal auf Sachebene zurückzunehmen und sich selbst ein bisschen zu zügeln, um auf emotionaler Ebene einen Zugang zu finden", sagt Tester Christoph Bastert.
Er könne sich jedoch vorstellen, nicht nur mit einem AfD-Sympathisanten zu diskutieren. Auch die Auseinandersetzung mit anderen Parteien wäre für ihn interessant. "Verschiedene Szenarien mit verschiedenen politischen Perspektiven fände ich spannend." Populistische Aussagen erkennen und gezielt entkräften, das fände er gewinnbringend.
KI-Tool mit KI programmiert
Mehr als 6.000 Menschen haben die App schon ausprobiert. Wer sein Ziel erreicht und den AfD-Anhänger überzeugt hat, vielleicht doch einer anderen Partei eine Chance zu geben, kann seinen Gesprächsverlauf mit der KI veröffentlichen, sodass dieser nachgelesen werden kann.
Erweiterungen des Tools, die sich nicht ausschließlich auf die AfD konzentrieren, sind für Jonas Jabari durchaus denkbar. Bisher ist er aber auch mit der "kleinen" Version sehr zufrieden. In nur vier Tagen hat er die jetzige Version - übrigens auch mit der Hilfe von KI - entwickelt. Seine Message lautet: Jeder kann etwas tun, jeder noch so kleine Schritt hilft. "Ich fände es schön, wenn andere inspiriert würden, auch etwas zu unternehmen, weil die Zeit drängt", so der 34-Jährige.
Für die Weiterentwicklung seines Tools sucht er aktuell Unterstützer und Menschen, die Lust haben, an dem Projekt mitzuarbeiten.
Testsituation: Ein Bekannter des Entwicklers testet das Tool "Miteinander Reden"
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