Mehr als jeder Vierte in Deutschland ist zu viel Verkehrslärm ausgesetzt. Das geht aus einem neuen Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervor. Motorräder sind gerade in den Bergen besonders laut. Das liegt am natürlichen Schalltrichter in alpinen Regionen. Der Lärm steigt quasi an den Bergwänden empor. Für manche sind Motorengeräusche Musik in den Ohren, für andere Lärmbelästigung.
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Tirol: Manche Strecken für besonders laute Motorräder gesperrt
Peter Nasemann gehört zur zweiten Gruppe. Der Füssener ist oft im Tiroler Lechtal, einer bei Bikern beliebten Region. "Wenn jemand hier an der Straße wohnt und hört, was da passiert: Das ist Körperverletzung", sagt Nasemann. Ihm habe noch niemand erklären können, warum es notwendig sei, andere Menschen zu quälen. Zwar fahren ihm zufolge viele Motorradfahrer gerade in Ortschaften rücksichtsvoll. Aber eben nicht alle, die übrigen etwa zehn Prozent "versalzen die Suppe", sagt der Allgäuer.
Die Folge: Manche Strecken in Tirol sind für besonders laute Motorräder gesperrt. Von Mitte April bis Ende Oktober dürfen dort nur Bikes fahren, die im Stand nicht lauter sind als 95 Dezibel. Wer dagegen verstößt, riskiert Strafen von über 200 Euro.
Zeitweise Streckensperrungen für Biker auch in Bayern
Auch in Bayern gibt es bereits Beschränkungen für Motorräder. Wegen der vielen Unfälle ist die Sudelfeldstraße für Biker in Richtung Bayrischzell zeitweise gesperrt. Auch am Kesselberg gilt bergauf eine temporäre Sperrung. Das Ergebnis: weniger Unfälle und Beschwerden wegen Lärm.
Solche Sperrungen will die Oberallgäuer Landrätin, Indra Baier-Müller (FW), vermeiden. Dort gibt es ebenfalls Pässe, die bei Bikern sehr beliebt sind – zum Beispiel der Riedbergpass oder der Jochpass – Aber auch dort passieren viele Unfälle und Anwohner beschweren sich über Lärm. Die Urlaubsregion wirbt mit den Pässen, Wertschöpfung wird generiert, sagt die Landrätin. Solange sich die Motorradfahrer ordnungsgemäß verhalten und Rücksicht auf andere nehmen, wolle sie keine Konsequenzen einfordern. "Wenn das aber tatsächlich so ist, dass wir merken, dass es dauerhaft andere einschränkt oder bedroht, dann müssen wir handeln", so Baier-Müller.
Keine Sperrungen in Bayern nach Tiroler Vorbild
Ein Grenzwert an bestimmten Orten, so wie in Tirol, ist laut Bayerischem Innenministerium problematisch und derzeit rechtlich auch nicht möglich. Zudem würden bei der Geräuschentwicklung auch Faktoren wie Fahrbahnbelag, Reifen und Witterung eine Rolle spielen. Und wenn für das Verbot das Standgeräusch ausschlaggebend ist, wäre nicht berücksichtigt, wie jemand fährt. "Fahren mit hoher Drehzahl oder häufiges Gas geben führt zu entsprechender Geräuschentwicklung, selbst bei niedrigeren Standgeräuschen. Insoweit würde ein solches Verbot auch nicht die erhoffte Verbesserung bringen", heißt es vom Ministerium. Es verweist zudem darauf, dass an strengeren Grenzwerten gearbeitet werde, um das Fahren mit hoher Drehzahl leiser zu machen.
Neue Norm soll Motorengeräusche besser prüfen
Außerdem gilt seit diesem Jahr die neue Euro5+-Norm, die alle neuen Motorräder erfüllen müssen. Sie beinhaltet unter anderem neue Prüfverfahren, die gründlicher kontrollieren sollen, dass das maximale Fahrgeräusch nicht überschritten wird.
Der Industrie-Verband Motorrad Deutschland (IVM) betont zudem, dass Motorräder nur eine von vielen Lärmquellen sind. Statt Streckensperrungen könne man das eigentliche Problem lösen, "indem man die modifizierten Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen kann", sagt IVM-Hauptgeschäftsführer Reiner Brendicke. Schließlich seien manipulierte Motorräder, die die besonders negativ bei Anwohnern auffallen. Auch der Verband appelliert an die Biker, gerade in Ortschaften vernünftig zu fahren. Die große Mehrheit der Motorradfahrer hat laut IVM ein Interesse daran, Bergstrecken friedlich zu nutzen, denn sie wollen das auch in Zukunft tun.
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