"Zutiefst erschütternd" und "durch nichts zu rechtfertigen" seien die Verstöße im Geflügel-Schlachthof im mittelfränkischen Wassertrüdingen laut einer Pressemitteilung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums. Doch für Bestürzung bleibt kaum Zeit, denn betroffene Landwirte wissen durch das Wegbrechen des Schlachtbetriebs nicht, wohin mit ihren Althennen und brauchen schnell Lösungen von der Staatsregierung.
Dazu beriet sich gestern das Landwirtschaftsministerium zusammen mit Vertretern der Geflügelwirtschaft und Beamten des für Veterinärfragen zuständigen Umweltministeriums. Das Ergebnis: nichts Konkretes. Man wolle weiter zusammen nach Lösungen suchen.
Schockierende Bilder, drastische Folgen
Wichtig sei es, die Schlacht- und Vermarktungsstruktur auch zukünftig regional und "auf kurzen Wegen" aufrechtzuerhalten, so das Landwirtschaftsministerium. Unverhandelbar sei dabei aber der Tierschutz, der in dem Betrieb in Wassertrüdingen offenbar massiv verletzt wurde.
Heimlich gefilmte Videos zeigen, wie Arbeiter Hennen misshandeln: Sie schlagen, treten, würgen sie – und pressen ihnen mit Gewalt Eier aus dem Körper. Die Staatsanwaltschaft Ansbach ermittelt, der Schlachthof bleibt nach Anordnung der Lebensmittelkontrolle vorerst geschlossen. Damit fehlen in Süddeutschland täglich Kapazitäten für bis zu 100.000 Tiere.
Landwirte verzweifeln an fehlenden Alternativen
"Wenn Buckl nicht schlachtet, haben wir ein echtes Problem", sagt Michael Häsch vom Verband der bayerischen Geflügelwirtschaft. Vor allem kleine und mittlere Betriebe seien auf den Schlachthof angewiesen. Denn der Zyklus in der Legehennenhaltung ist streng getaktet: Althennen müssen weg, bevor neue Junghennen einziehen. Doch wohin mit den Tieren?
Der Bayerische Bauernverband teilte dem BR auf Nachfrage mit: In Wassertrüdingen wurden täglich durchschnittlich 60.000 Legehennen geschlachtet. Ersatzkapazitäten für diese Menge stehen in Süddeutschland derzeit nicht zur Verfügung. In der Folge müssten die Tiere nun über weite Strecken nach Norddeutschland oder ins Ausland – etwa nach Polen – transportiert werden.
Alternative Schlachtbetriebe wie etwa Geho in Kirchheim oder Hinterwinkler in Niederbayern sind überlastet. Transporte ins Ausland wären laut Tierschutzgesetz zwar möglich, aber logistisch und ethisch bedenklich. Auch mobile Schlachtanlagen sind für viele Betriebe keine realistische Option.
Die Lage in Bayerns Geflügelwirtschaft ist laut Verband äußerst angespannt. Geflügelhalter könnten sich bei Fragen direkt an den Verband wenden, heißt es auf BR-Anfrage.
Behörden sehen Versäumnisse beim Betrieb
Dass die brutalen Szenen offenbar über einen längeren Zeitraum unbemerkt blieben, wirft Fragen auf. Die bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit (KBLV) räumt ein, dass das betriebliche Eigenkontrollsystem "offenbar völlig versagt" habe. Zwar seien bei der letzten offiziellen Kontrolle kleinere Mängel festgestellt worden – die schweren Übergriffe, die auf den Videos zu sehen sind, habe man jedoch nicht beobachtet.
Künstliche Intelligenz und Videoüberwachung als Lösung?
Für Kai Braunmiller, den Leiter des Veterinäramts in Bayreuth, steht fest: Mit moderner Technik hätte das Ausmaß womöglich verhindert werden können. Er plädiert für Videoüberwachung in Schlachthöfen.
Im Gespräch mit dem BR sagte der Tierarzt, er habe bereits im Jahr 2001 Kameras im damals noch städtischen Bayreuther Schlachthof eingebaut. Vom Schreibtisch aus konnte er so jederzeit überprüfen, ob sich die Schlachthof-Mitarbeiter so verhalten, wie sie sollten. Eine solche Überwachung diene auch der Sicherheit der Betriebe, da Probleme zeitnah erkannt würden.
Eine flächendeckende Einführung sei zuletzt aber unter anderem an angeblichen Problemen mit dem Datenschutz gescheitert. Laut Braunmiller gebe es allerdings eine umfängliche Rechtsprechung, die eine solche Überwachung möglich mache. Sie habe sich auch in anderen Ländern Europas bereits bewährt. Der Veterinär hofft nun, dass der Leidensdruck in der Branche groß genug sei, um eine flächendeckende Überwachung weiter voranzutreiben.
Supermärkte ziehen Konsequenzen
Auch der Handel reagiert. Rewe und Kaufland haben die Zusammenarbeit mit Buckl vorerst gestoppt. Man wolle erst wieder Ware beziehen, wenn die Vorwürfe vollständig aufgeklärt und klare Konsequenzen gezogen werden. Kaufland fordert zudem schärfere amtliche Kontrollen in Schlachtbetrieben.
Im Audio: Tierquälerei-Vorwürfe gegen Wassertrüdinger Schlachthof
Tierquälerei-Vorwürfe gegen Wassertrüdinger Schlachthof
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