Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ)
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Panik im OEZ: Auslöser war heruntergefallenes Telefongerät

Panik im OEZ: Auslöser war heruntergefallenes Telefongerät

Im Münchner Olympia-Einkaufszentrum hat der Knall eines heruntergefallenen Telefongeräts zu panikartigen Szenen geführt. Mehrere Menschen wählten am Wochenende den Notruf und meldeten angebliche Schüsse. Wie Angstreaktionen entstehen und was hilft.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Mehr als 200 Kräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst waren am Samstagnachmittag wegen einer vermeintlichen Bedrohungslage zum Olympiaeinkaufszentrum im Stadtteil Moosach im Nordwesten von München ausgerückt. Es konnte schnell Entwarnung gegeben werden. Weder lag ein Feueralarm vor, noch konnte eine bewaffnete Person gefunden werden.

Am Montagnachmittag ist bekannt, woher der Knall kam: von einem heruntergefallenen Handy oder Funkgerät, das auf den Boden gefallen ist. Es soll das schussähnliche Geräusch erzeugt haben, das am Wochenende für Panik im Olympia-Einkaufszentrum und einen großen Polizeieinsatz gesorgt hat.

Sicherheitskraft soll Ladendieb festgehalten haben

Wie ein Polizeisprecher auf BR-Nachfrage erklärte, hatte ein Sicherheitsdienstmitarbeiter einen Ladendieb festgehalten. Bei der Aktion sei dem Mann das Handy oder das Funkgerät runtergefallen. Warum es wegen dieses vergleichsweise harmlosen Zwischenfalls in der Folge zu panikartigen Szenen unter den Besuchern und im weiteren Verlauf zu einem Großeinsatz kam, muss noch aufgeklärt werden.

"Ich bekam vor lauter Panik kaum mehr Luft"

Plötzlich brach der Alarm aus" schreibt eine BR24-Userin. "Da hat jemand geschossen" ertönte es. "Ich versteckte mich in Richtung Umkleidekabinen und bekam vor lauter Panik kaum mehr Luft". "In diesem Moment dachte wohl Jede/r an den Anschlag von 2016". Dass panisches Verhalten von anderen anstecken kann, erklärt Peter Zwanzger, der Vorsitzende der Gesellschaft für Angstforschung.

Gefühlsansteckung sorgt für unbewusstes Verhalten

"Von Massenpanik spricht man, wenn sich über 100 Menschen gegenseitig in ihrer Angst anstecken und unkontrolliert reagieren", sagt Peter Zwanzger. Diese sogenannte Gefühlsansteckung führt dazu, dass Menschen sich unbewusst am Verhalten anderer orientieren und in Panik geraten.

Ein biologischer Faktor ist dabei der sogenannte Angstschweiß: "Der Körper sendet chemische Signale aus, die von anderen als Bedrohung wahrgenommen werden können. Neurobiologisch spielen auch Spiegelneuronen eine Rolle – sie aktivieren unser Fluchtverhalten, wenn wir Angst bei anderen beobachten", so Zwanzger.

Wie kann man sich schützen?

In Paniksituationen ist besonnenes Handeln entscheidend. Peter Zwanzger rät: Nicht sofort losrennen, sondern für einige Sekunden innehalten und die Lage überblicken. Nicht in Fluchtwege stellen, um nicht umgerannt zu werden. Sich von Wänden und Barrikaden fernhalten, um Quetschungen zu vermeiden.

Großveranstaltungen setzen zunehmend auf Sicherheitskonzepte. "Bei Konzerten oder Sportveranstaltungen gibt es inzwischen Anlaufstellen für Menschen mit Panikattacken", sagt Winkel. Auch Orte wie Weihnachtsmärkte oder Demonstrationen werden verstärkt abgesichert.

Wie bleibt man trotz Angst handlungsfähig?

Zwanzger empfiehlt, Angst rational einzuordnen: "Statistisch gesehen leben wir in einem der sichersten Länder der Welt. Wer sich das bewusst macht, kann Ängste besser kontrollieren." Dennoch bleibt Sicherheit ein wachsendes gesellschaftliches Bedürfnis – ein Trend, der sich in verstärkten Schutzmaßnahmen auf öffentlichen Veranstaltungen zeigt.

Wer nach einem traumatischen Ereignis unter anhaltender Angst leidet, sollte sich professionelle Hilfe suchen. "Das Wichtigste ist, sich Unterstützung zu holen, wenn die eigenen Bewältigungsstrategien nicht ausreichen", sagt Traumatherapeutin Alexandra Winkel vom Krisendienst Bayern im BR-Interview. Im speziellen Fall des OEZ, wo es schon mal zu einem Anschlag gekommen ist, sei es normal, dass man manchmal sensibler reagiert, auch wenn keine echte Gefahr dahinter steckt. Dass einige Menschen am vergangenen Samstag in Panik gerieten, hat aber nicht ausschließlich mit der Geschichte des OEZ zu tun.

Frühzeitige Betreuung im Ernstfall

Ein lauter Knall oder eine plötzliche Gefahrensituation versetzen den Körper in Alarmbereitschaft. "Das zentrale Nervensystem reagiert mit Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsmechanismen", erklärt Traumatherapeutin Alexandra Winkel vom Krisendienst Bayern. Doch nicht jeder verarbeitet ein traumatisches Erlebnis gleich. "Wenn Angst und Stress länger als einige Tage anhalten, kann das ein Zeichen für eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sein." Eine frühzeitige Betreuung kann helfen, langfristige Traumafolgen zu vermeiden. "Psychosoziale Notfallversorgung ist heute viel präsenter und kann Betroffenen schnell Stabilität geben", so Winkel. Das gilt für Fälle wo es wirklich zu Gewalttaten kam, dass die Lage am Samstag schnell aufgeklärt wurde und die Angst somit schneller abklingen konnte bewertet Winkel als positiv.

Dass die Gesellschaft insgesamt sensibler geworden ist und man inzwischen für deutlich mehr Sicherheitsgefühl sorgt, als man es noch vor ein paar Jahren tat, ist ebenso eine Beobachtung, die die beiden Experten machen.

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