Das Pavian-Gehege im Nürnberger Tiergarten
Das Pavian-Gehege im Nürnberger Tiergarten
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Monatelang hatte es kontroverse Diskussionen zur geplanten Paviantötung in Nürnberg gegeben. Nun hat der Tiergarten zwölf der Affen getötet.
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Monatelang hatte es kontroverse Diskussionen zur geplanten Paviantötung in Nürnberg gegeben. Nun hat der Tiergarten zwölf der Affen getötet.

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Tiertötungen in deutschen Zoos: Tabubruch oder Routine?

Tiertötungen in deutschen Zoos: Tabubruch oder Routine?

Nach der Tötung von zwölf Pavianen sind bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth über 300 Anzeigen gegen den Tiergarten eingegangen. Doch Tiertötungen in Tiergärten sind nichts Neues – warum schlägt der Pavian-Fall so hohe Wellen?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Zwölf Guinea-Paviane hat der Nürnberger Tiergarten vergangenen Dienstag getötet, weil das Gehege überbelegt war. Der Tiergarten hat laut eigener Angabe keine Möglichkeit, die Population anderweitig zu kontrollieren. Der Fall ging weltweit durch die Medien – Tierschützer sprechen von einem Tabubruch. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass Zootiere getötet und verfüttert werden. In Nürnberg stammen laut Tiergarten zwischen 15 und 20 Prozent des Fleisches, das verfüttert wird, von den eigenen Zootieren. Warum ist bei den Guinea-Pavianen also die Aufregung so groß?

Tiertötungen sind in Zoos normal

Es gibt kaum Zahlen dazu, wie viele gesunde Tiere in Zoos getötet werden. Britische Medien zitieren Sprecher der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) mit der Schätzung, dass europaweit circa 3.000 bis 5.000 gesunde Tiere getötet werden, weil sie überzählig sind oder nicht ins Zuchtprogramm passen. Für deutsche Tierparks gibt es keine konkreten Zahlen. Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert das. Zu den überschüssigen Tieren kommen zudem Kaninchen, Meerschweinchen oder Mäuse, die explizit als Futtertiere gezüchtet werden.

Aufschrei hängt von Tierart ab

Die Tötung von Mäusen oder Kaninchen sorgt in Deutschland kaum für Aufsehen. Anders sieht es bei exotischeren Tieren aus. So sorgte 2014 zum Beispiel Giraffenbulle Marius aus dem Tierpark Kopenhagen für Schlagzeilen, der geschlachtet wurde, weil sein Genmaterial nicht gebraucht wurde. In Deutschland ging der Fall von zwei Löwen aus dem Kölner Zoo durch die Medien. Sie wurden eingeschläfert, weil die Mutter sie nicht angenommen hatte und der Tiergarten ihnen Leid ersparen habe wollen, berichtete der WDR im Juli (externer Link).

Aktivistin: Emotion hängt von Tierart ab

Tierrechtsaktivistin Anna Ritzinger äußert im Gespräch mit dem BR während eines Protests im Zuge der Pavian-Tötung in Nürnberg die Vermutung: "Wie emotional die Menschen eine Tiertötung bewegt, hängt von der Tierart ab." Arten, die der Mensch selbst verspeist, würden für weniger Mitgefühl sorgen als exotische Tiere. "Und Primaten sind uns nunmal sehr ähnlich, deshalb bewegt das so viele Menschen", glaubt Ritzinger.

Aktive Öffentlichkeits-Kampagne des Tiergartens

Der deutsche Tierschutzbund erklärt, "dass sich die Tötung vermeintlich überzähliger Tiere in den vergangenen Jahren zur gängigen Praxis entwickelt hat". Dass Primaten aufgrund von Überbelegung getötet werden, ist hingegen neu. Der Tiergarten Nürnberg hat die geplante Tötung seit über einem Jahr offen kommuniziert. "Klug und redlich" nennt das Matthias Herrgen, Zoo-Ethiker von der Hochschule Darmstadt. Er glaubt aber auch, dass die Öffentlichkeitskampagne des Zoos, "in der man noch bis zuletzt auf eine Abnahmelösung hoffte", dazu beigetragen hat, dass das Thema generell viel Aufmerksamkeit bekam.

Pavian-Tötung ein Präzedenzfall? Hunderte Strafanzeigen

Die Tierschützer unterstellen dem Tiergarten Kalkül. "Der Tiergarten will einen Präzedenzfall schaffen", glaubt Tierschutzaktivistin Ritzinger. Der Tiergarten selbst streitet das nicht ab. "Ob das Töten eines Tieres ein vernünftiger Grund im Sinne des Populationsmanagements ist, müssen wir diskutieren", sagt der stellvertretende Tiergartendirektor Jörg Beckmann. "Die Einstellung hängt immer von gewissen Werten ab, die dem Zeitgeist unterliegen." Sowohl die Tierschützer als auch der Tiergarten wollen die Frage vor Gericht klären. Bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sind laut Pressesprecherin Heike Klotzbücher inzwischen über 300 Strafanzeigen von Organisationen und Privatpersonen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz eingegangen.

Tierschützer wollen Generaldebatte eröffnen

Nach den Protesten vor und während der Tötung halten die Tierrechtsaktivisten das Thema weiter hoch. Für die kommenden zwei Wochen haben sie tägliche Proteste vor dem Tiergarten geplant. Zudem soll es ein Protest-Camp geben. Die Aktivisten würden zwar um jeden einzelnen Affen trauern, sagt Scarlett Treml, Sprecherin der Gruppe "Animal Rebellion Nürnberg". Jedoch gehe es ihnen nicht nur um die Paviane. "Für uns ist jede Art der Tierausbeutung unethisch", sagt Treml.

Die Debatte darüber, ob Tiergärten generell abgeschafft gehören, sei alt, ordnet Zoo-Ethiker Matthias Herrgen ein. Er stellt aber auch fest: "Die Dynamik ist hierbei sehr groß und die Veränderungen deutlich."

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