Mai 1999 und es regnet – ununterbrochen, wie aus Kübeln. In der Folge treten viele Flüsse und Seen in Schwaben über ihre Ufer. Straßen sind überschwemmt, die Neu-Ulmer Innenstadt steht zu großen Teilen unter Wasser. In Augsburg reißt die Wertach alles mit, was ihr im Weg steht, auch Bäume aus dem Uferbereich. Die Bäume verkeilen sich im Ackermann-Wehr, die Einsatzkräfte bekommen die Stämme nicht mehr heraus.
Flutwelle überrollt Augsburger Stadtteil
Als das Wehr bricht, reißt die Wucht der anschließenden Flutwelle ein Loch in den seitlichen Uferdamm. Das Wasser bahnt sich sofort seinen Weg in Richtung des tiefer gelegenen Stadtteils Pfersee.
Gitta Hopp-Köhler hat als Anwohnerin diese Nacht miterlebt. Die Augsburgerin reagiert richtig, als gegen drei Uhr nachts eine Lautsprecherdurchsage vor dem Hochwasser warnt. Hopp-Köhler packt was zu trinken und ein paar Kekse ein, weckt die Kinder und bringt sie in das Obergeschoss in Sicherheit. Währenddessen läuft der Keller voll – innerhalb von wenigen Minuten.
Am nächsten Morgen stehen große Teile von Pfersee und auch einige Straßen in Göggingen komplett unter Wasser, mancherorts über eineinhalb Meter hoch. Der Schaden ist riesig: schwimmende Autos, Keller voller Schlamm und auch bei Hopp-Köhlers ist alles kaputt im Untergeschoss. Waschmaschine, Trockner, Fotos, Dokumente sind durchweicht.
Tote gibt es keine in dieser Nacht, aber das hätte auch anders sein können. "Es gab etliche Keller, in denen Leute waren, die Sachen geholt haben. Die nicht wussten, dass die Wertach kommt. Diese Warnung kam wahnsinnig spät. Das war gefährlich", erinnert sich die Augsburgerin Gitta Hopp-Köhler.
So rüstet sich Augsburg heute gegen Hochwasser
25 Jahre nach dem verheerenden Pfingsthochwasser sieht sich die Stadt Augsburg gegen Hochwasserereignisse dieser Art besser gerüstet. Seit dem Jahr 2000 wurden und werden entlang der Wertach umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt, wobei der Schwerpunkt laut Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch auf Ökologie, Hochwasserschutz und Naherholung liege.
So wurden sogenannte Sohlrampen angelegt, um die Flusssohle zu stützen, Deiche wurden saniert, erhöht und neu gebaut, Fischpässe sind entstanden, Uferböschungen wurden abgeflacht. Man nutze Oberflächenabfluss- und Starkregen-Analysen dazu, um bauliche Vorhaben so zu gestalten, dass die Gefahren durch Hochwasser oder Starkregenereignisse minimiert würden, heißt es aus dem Rathaus. Mehrere Projektabschnitte wurden bereits abgeschlossen. Sie hätten sich über die Zeit zu einem lebendigen und attraktiven Teil der Stadtlandschaft entwickelt, sagt Pintsch. Viele Tierarten kehrten in ihre natürliche Umgebung zurück.
Stationäres Sirenennetz soll Menschen warnen
Beim Thema Gefahrenwarnung hat sich ebenfalls viel verändert in 25 Jahren: Das Amt für Brand- und Katastrophenschutz stimmt sich laut Verwaltung mit den Hochwassernachrichtendiensten ab, um aufkommende Gefahren frühzeitig zu erkennen. Außerdem hat die Stadt verschiedene Anschaffungen getätigt, damit im Falle eines Hochwassers schnell gehandelt und die Bevölkerung geschützt werden könne. Dazu zählt beispielsweise ein stationäres Sirenennetz mit derzeit 59 Sirenen, ein mobiles Hochwasserschutzsystem mit einer Länge von über einem Kilometer, das 1,3 Meter aufstauen kann und eine Sandsackfüllanlage, die pro Stunde 1.800 Säcke abfüllen kann.
Überschwemmungen auch im Allgäu
Vom Pfingsthochwasser 1999 war damals auch das Oberallgäu betroffen, vor allem in Sonthofen und Immenstadt herrschte 'Land unter'. In Immenstadt musste das Krankenhaus evakuiert werden, am Oberlauf der Iller entstand ein Sachschaden von insgesamt 60 Millionen Euro. Schlimm sah es auch an Gennach und Hühnerbach im Ostallgäu aus. Normalerweise sind das eher kleine Bäche, doch vor 25 Jahren führten sie so viel Wasser, dass es zum Beispiel in Jengen zu massiven Überschwemmungen kam.
Hunderte Millionen für Flutpolder gegen Hochwasser
320 Millionen Euro sind laut Wasserwirtschaftsamt Kempten seit dem großen Pfingsthochwasser 1999 in der Region in den Hochwasserschutz investiert worden. Damit sich solche Hochwasser nicht wiederholen, sind Flutpolder eine wichtige Maßnahme, sagt Karl Schindele vom Wasserwirtschaftsamt Kempten. Ein Beispiel ist der Polder Weidachwiesen an der Iller bei Immenstadt, dieser wird auch Seifener Becken genannt. Er kann gesteuert werden, also gezielt Wasser aufnehmen und ist damit ein entscheidender Teil des Hochwasserschutzes im Oberallgäu.
Elf Kommunen entlang von Gennach und Hühnerbach haben sich nach dem verheerenden Pfingsthochwasser zusammengeschlossen und inzwischen zehn Rückhaltebecken gebaut. Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz gibt es natürlich trotzdem nicht, das sagen auch Experten.
Derzeit wird vor allem an der Günz in den Hochwasserschutz investiert. Dort gab es zwar während des Pfingsthochwassers vor 25 Jahren weniger Probleme, doch man wolle auf alles vorbereitet sein, sagt Karl Schindele vom Wasserwirtschaftsamt.
Im Video: Pfingsthochwasser traf besonders Neustadt an der Donau
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