Lange galt: Nur Spinner legten Notvorräte an oder dachten über Schutzräume nach. Ein privater Bunker? Völlig übertrieben. Doch seit der Corona-Pandemie hat sich der Blick auf Zivilschutz verändert. Viele Menschen haben erlebt, wie es ist, tage- oder wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten zu sein.
- Zum Artikel: Sind wir sicher? Alte Bunker und neue Schutzräume
Nach der Pandemie kehrte kein Aufatmen ein. Im Gegenteil: Naturkatastrophen, Cyberangriffe, Kriminalität, Kriege und politische Umbrüche verunsichern die Menschen.
Umfragen zeigen: 81 Prozent der jungen Deutschen haben Angst vor Krieg in Europa, vor Ausbruch des Ukraine-Konflikts waren es 46 Prozent. Längst nicht alle fühlen sich vom Staat ausreichend geschützt. Ist also Eigeninitiative gefragt – und wie weit muss man gehen?
Atomwaffensicherer Bunker unter dem Garten
"Manche Menschen haben einfach Angst durch die Situation, dass wir so nah an Russland sind. Weil hier fliegen Raketen in ein paar Sekunden von Moskau bis nach München", sagt Christian Klaus, Bauunternehmer aus dem Allgäu. Er ließ unter seinem Haus einen acht Meter tiefen, atomwaffensicheren Bunker bauen – mit 45 cm dicken Stahl-Faserbeton-Wänden, einer 1,8 Tonnen schweren Eingangstür, Strom, Internet und einem 1.000-Liter-Wassertank. Auf 35 Quadratmetern sollen im Notfall seine Familie und er Schutz finden.
Nicht alle konnten das nachvollziehen. Selbst seine Partnerin Janine war zunächst skeptisch, wie sie in der Doku "Mein Bunker, meine Waffe, mein Misstrauen - Wie ernst nimmt uns der Staat" berichtet. Klaus sieht den Bunker jedoch nicht als Endzeitprojekt, sondern als Konsequenz aus persönlicher Erfahrung: Er diente in einer Sondereinheit der Bundeswehr und half kurz nach Ausbruch des Ukrainekriegs, schusssichere Westen in die Krisenregion zu bringen. Die Begegnungen mit den Menschen dort machten nachdenklich. Sein Fazit: Deutschland ist für den Ernstfall nicht ausreichend vorbereitet.
Soziologin: Keine Feinde - keine Schutzräume
In Deutschland gibt es keine funktionierenden Bunker mehr. Nach dem Krieg wurden rund 2.000 Schutzräume schrittweise aufgegeben. Die verbliebenen 547 schaffte der Bund 2007 ab. Viele wurden umgebaut – zu Hotels, Eigentumswohnungen, Kunstgalerien oder Tiefgaragen.
Katja Rost, Professorin für Soziologie in Zürich, erklärt: "Wir haben in einer Wohlfühlblase gelebt und man dachte, das geht ewig so weiter." Ohne Feindbild wurde gespart – bei der Bundeswehr ebenso wie beim Zivilschutz. Sie bezeichnet die Nachkriegszeit als eine "abnormale Phase in der Geschichte".
Staat holt spät auf
Seit Februar 2023 gibt es Cell Broadcast: Warnungen gehen direkt aufs Smartphone. Außerdem wird das bundesweite Sirenennetz neu aufgebaut. Kommunen schaffen "Leuchttürme" – Anlaufstellen bei Stromausfall oder Hochwasser. Zuständig ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Es analysiert Risiken, unterstützt Übungen und warnt vor Angriffen. Im Ernstfall übernehmen Länder und Kommunen die operative Verantwortung.
Doch der Staat kann nicht alles allein leisten. Georg Jansen von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (DLRG) betont: "Jeder Mensch in Deutschland sollte wissen, was im Krisenfall zu tun ist." Zivilschutz funktioniere nur im Zusammenspiel von Bevölkerung und Behörden.
Auch Christian Hochgrebe, Staatssekretär für Inneres in Berlin, beschreibt die Herausforderung deutlich: "Etwas, was 30 Jahre nicht bearbeitet worden ist, in kürzester Zeit wieder aufzuholen, die Menschen zu sensibilisieren, aber auch natürlich das Know-how, die Technik, das Personal, alles wieder so zu ertüchtigen, um ganz schnell dahin zu kommen, wo wir leider heute wieder stehen müssen."
Schutzräume in anderen Ländern
Andere Länder sind weiter: In der Schweiz ist es Pflicht, dass jedes Haus einen Bunker besitzt. Finnland hat 55.000 Schutzräume, die im Alltag als Hockeyplätze oder Spielräume genutzt werden. In Helsinki gibt es Platz für 900.000 Menschen.
In Berlin existiert dagegen kein öffentlicher Schutzraum. Hochgrebe fordert, schnell Flächen zu identifizieren: "Wir müssen in der gemeinsamen Koordinierung mit dem Bund Schutzräume, Flächen und Räume identifizieren, die sich möglicherweise eignen als Zufluchtsorte." Dazu gehören U-Bahnhöfe und tiefgelegene Garagen.
Wachsender Markt: Privatinvestitionen in Bunker nehmen zu
Auch privat wird investiert. Laut Marktforschung wächst das Geschäft mit Untergrundbunkern weltweit – auf 36,7 Milliarden US-Dollar bis 2030, ein Anstieg seit 2024 um knapp 10 Prozent.
Christian Klaus hat längst vorgesorgt: Kurbelradio, Helme, schusssichere Westen und bald Vorräte lagern in seinem unterirdischen Schutzraum. Für ihn ist das ein Stück Sicherheit – in einer Zeit, in der sich viele fragen: Wie gut sind wir wirklich vorbereitet?
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!