29.10.2025, Lohr am Main - Die forensische Psychiatrie am Bezirkskrankenhaus.
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Forensische Psychiatrie in Lohr am Main
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Forensische Psychiatrie in Lohr am Main

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Psychisch kranke Straftäter: Wie sie in Bayern behandelt werden

Psychisch kranke Straftäter: Wie sie in Bayern behandelt werden

Der Messerangreifer von Aschaffenburg wird dauerhaft in einer forensischen Psychiatrie untergebracht. Wie sehen solche Aufenthalte aus? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Das Landgericht Aschaffenburg hat angeordnet, dass der Messerangreifer vom 22. Januar 2025 dauerhaft in einer forensischen Psychiatrie untergebracht wird. Im Aschaffenburger Park Schöntal hatte er eine Kindergruppe mit einem Küchenmesser attackiert. Zwei Menschen wurden getötet, darunter ein zweijähriges Kind.

Warum kommen manche Straftäter nicht ins Gefängnis, sondern in die Psychiatrie?

Beim Aschaffenburger Täter wurde eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Am Sicherungsverfahren am Landgericht Aschaffenburg konnte er nur unter dem Einfluss starker Medikamente teilnehmen.

Eine Behandlung seiner Krankheit wäre im Gefängnis nicht möglich. Unbehandelt wäre er eine Gefahr für das Wachpersonal und seine Mithäftlinge. Dauerhaft untergebracht ist er nun auf Grundlage des Paragrafen 63 des Strafgesetzbuches. Dieser betrifft Täter mit psychischen Störungen und dient dem Schutz der Allgemeinheit und der Therapie der betroffenen Person. Im Maßregelvollzug befinden sich aber auch Straftäter, bei denen eine Suchterkrankung behandelt wird (Paragraf 64).

Wie läuft die Behandlung ab?

Ziel der Behandlung in der Forensik ist es, die Gefährlichkeit des Patienten zu verbessern, die aufgrund seiner Erkrankung festgestellt worden ist, stellt Kolja Schiltz, Leiter der forensischen Psychiatrie der LMU München, auf BR24-Anfrage fest. Zu Behandlungsbeginn werden die Patienten zunächst medikamentös behandelt. Sobald es eine Verbesserung der Symptome gibt, finden dann unterschiedlichste Therapien statt.

Hauptsächlich werde dann an der Krankheitseinsicht gearbeitet, erklärt Dominikus Bönsch, Leiter des psychiatrischen Bezirksrankenhauses im unterfränkischen Lohr. Hier sind der Messerangreifer von Aschaffenburg und auch der Messerangreifer vom Würzburger Barbarossaplatz untergebracht – auf unbestimmte Zeit.

Wie lange dauert der Aufenthalt?

Auf unbestimmte Zeit bedeutet, dass es kein festes Enddatum, wie etwa bei einer Haftstrafe gibt. Ein Gericht beschließt in bestimmten Intervallen immer wieder, ob die Behandlung weitergeführt werden muss. Bei längerer Unterbringung sei das jährlich der Fall, so Kolja Schlitz. Der Täter kommt nur dann auf freien Fuß, sollte er eines Tages keine Gefahr mehr für andere oder sich selbst sein.

Wie sieht es in den Forensiken aus?

Die beiden Messerangreifer von Aschaffenburg und Würzburg werden in der forensischen Psychiatrie im unterfränkischen Lohr behandelt. Um in die Klinik zu gelangen, müssen Besucher und Personal mehrere Sicherheitsschleusen passieren. Die Klinik ist mit meterhohen Zäunen, Stacheldraht und Kameras gesichert.

Die meisten Personen, die dort behandelt werden, teilen sich ihr Zimmer mit einem oder zwei weiteren Patienten. Anfang 2025 waren in Lohr in der Forensik 185 Menschen untergebracht. Das sind 50 Personen mehr, als es eigentlich sein sollten.

Viele forensische Kliniken beklagen eine Überlastung. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie veröffentlichte dazu Ende 2023 eine Umfrage zum Maßregelvollzug [externer Link]. Diese ergab: Viele Kliniken sind überbelegt, es fehlt an Personal und dadurch erhalten Patienten nicht immer eine angemessene Behandlung.

Was kostet die Unterbringung?

Die Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie kostet nach Angaben des Bayerischen Sozialministeriums derzeit etwa 400 Euro pro Tag. Die Kosten trägt der Freistaat. Zum Vergleich: 192,95 Euro kostete 2024 ein Tag im Gefängnis, teilt das Bayerische Justizministerium mit.

Können ausländische Täter aus dem Maßregelvollzug abgeschoben werden?

Eine Entlassung ist nur dann denkbar, wenn der Patient keine Gefahr mehr darstellt. Im Fall des Messerangreifers von Würzburg, der im Juni 2021 drei Frauen ermordete, hat die Generalstaatsanwaltschaft vor kurzem geprüft, ob eine Abschiebung möglich ist. Ergebnis: Der Täter soll vorerst in Deutschland bleiben. Er sei weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinbevölkerung. Zu groß sei die Gefahr, dass er wieder nach Deutschland einreist.

Im Juli dieses Jahres gab es aber einen Abschiebeflug nach Afghanistan, in dem mindestens drei Straftäter saßen, die zuvor in psychiatrischen Kliniken in Bayern untergebracht waren. Dieses Vorgehen kritisierte unter anderem die Menschenrechtsorganisation "Pro Asyl".

Warum fällt es Ärzten oft schwer einzugreifen, bevor schwere Straftaten passieren?

Ohne einen Unterbringungsbeschluss, also ohne ein aufwendiges Verfahren, sind die gesetzlichen Hürden hoch, um Patienten in Psychiatrien festzuhalten. Nach Bluttaten wie in Aschaffenburg 2025 oder Würzburg 2021 sorgte das vielfach für Unverständnis. Beide Täter waren bereits zuvor polizeilich auffällig und anschließend in psychiatrischer Behandlung. Sie kamen jedoch nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß.

Entscheidend bei der Beurteilung des Patienten sei der gegenwärtige Zustand, erklärt Professor Dominikus Bönsch. Bedeutet: Patienten werden von der Polizei in Kliniken gebracht. Doch sobald sich, etwa nach der Einnahme von Medikamenten, der Zustand bessere, haben die Ärzte wenig Handhabe, um sie weiterhin zu behandeln. "Wir haben ganz viele Patienten, wo uns völlig klar ist: Nach der Entlassung werden sie ihre Medikamente nicht mehr nehmen, werden sie wieder Drogen nehmen, wird die Gefährlichkeit, die zur Aufnahme geführt hat, wieder auftreten", sagt Bönsch.

Wird es gesetzliche Änderungen geben?

Im Januar 2025, kurz nach der Tat in Aschaffenburg, kündigte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an, er wolle das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz "härten". Bislang handelt es sich dabei um eine Absichtserklärung. Eine Arbeitsgruppe verschiedener Ministerien prüft neue Regeln für die Unterbringung schwerst-psychisch Kranker. Ergebnisse gibt es nach Angaben des Bayerischen Sozialministeriums noch nicht.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass der Messerangreifer in einer geschlossenen Abteilung untergebracht ist. Er befindet sich jedoch im Maßregelvollzug einer forensischen Psychiatrie. Wir haben den Text an der entsprechenden Stelle korrigiert.

Dieser Artikel ist erstmals am 3. November 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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