Muscheln dicht an dicht
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Mit rasender Geschwindigkeit breitet sich die Quagga-Muschel im Chiemsee aus. (Symbolbild)
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Mit rasender Geschwindigkeit breitet sich die Quagga-Muschel im Chiemsee aus. (Symbolbild)

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Quagga-Muscheln im Chiemsee: Invasive Art vermehrt sich rasant

Quagga-Muscheln im Chiemsee: Invasive Art vermehrt sich rasant

Mit großer Geschwindigkeit breitet sich die Quagga-Muschel im Chiemsee aus. Anfang dieses Jahres war sie noch äußerst selten, inzwischen überwuchert die invasive Art große Bereiche. Die Folgen für das Ökosystem sind noch nicht absehbar.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Bayern am .

Florian Putz, Rettungstaucher bei der Wasserwacht Breitbrunn, kennt die Unterwasserwelt des Chiemsees wie seine Westentasche: "Es ist wirklich unglaublich, wie schnell das gegangen ist. Vor etwa einem halben Jahr hat man noch gar nichts gesehen und jetzt sind einige Stellen komplett überwuchert."

Unterwasseraufnahmen zeigen dichte Muschelbeläge auf dem Seegrund. In etwa zehn Metern Tiefe haben Spaßvögel ein paar Gartenzwerge mit Bierflaschen aufgestellt. Jahrelang waren sie eine Attraktion für Hobbytaucher im See. Jetzt sind es nur noch ein paar unkenntlich Muschelhaufen.

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Diese Plastikzwerge mit Bierflasche standen so Jahre lang auf dem Grund des Chiemsees.

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Seit letztem Jahr wachsen Quagga-Muscheln auf den Figuren.

Quagga-Muschel könnte das Ökosystem des Chiemsees verändern

Professor Herwig Stibor, Leiter des Departments für Aquatische Ökologie der LMU München, hat immer wieder mit invasiven Arten in den bayerischen Gewässern zu tun. Er sagt, die Muschel verändere das Ökosystem, zerstöre es aber nicht. Der See drohe nicht zu sterben, wegen der Quagga-Muschel: "Wir werden einen anderen See haben, vielleicht für immer, vielleicht nur für ein paar Jahre, aber es wird immer ein See sein, dessen Ökosystem funktioniert."

Auch in anderen Seen macht die Muschel Probleme

Stibor hat als erster die Quagga-Muschel im Chiemsee nachgewiesen: "Zunächst hat man die Quagga-Muschel für eine andere Art gehalten, die schon länger bei uns heimisch ist." Doch da hat man sich getäuscht: Mit genetischen Analysen konnte er die etwa fingernagelgroße, gestreifte Muschel eindeutig identifizieren: Sie hat ihren Ursprung in der Schwarzmeerregion. Stibor sagte schon vor einem Jahr die mögliche Ausbreitung der Muschel vorher. Zwei Jahre vorher konnte er Ähnliches schon in österreichischen Seen beobachten.

Auch im Bodensee macht die Muschel Probleme. Im mittelfränkischen Rothsee wurde sie ebenfalls entdeckt. Wie die Muschel in die bayerischen Seen gekommen ist, kann Stiebor nur vermuten: Etwa durch Boote, die in den unterschiedlichen Gewässern unterwegs sind.

Nicht alle invasiven Arten werden zum Problem

Fremde Pflanzen- und Tierarten kommen seit Jahrtausenden nach Bayern. Je mobiler die Menschen sind, desto mehr Arten bringen sie, gewollt oder zufällig, von ihren Reisen mit. Seit einigen Jahren beobachtet Stibor zum Beispiel die Ausbreitung einer Süßwasserqualle in Bayern. "Die Qualle hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Seen ausgebreitet, aber das Ausmaß ist mit der Quagga-Muschel nicht vergleichbar."

Über die Folgen für die heimische Tier- und Pflanzenwelt können Forscher nur spekulieren: Die Muschel filtert sehr große Mengen an Plankton aus dem Wasser. Das dient vielen Seebewohnern als Nährstoff und könnte knapp werden.

Auf der anderen Seite dient die Muschel selbst einigen Fischen als Futter: etwa dem Rotauge, das aber im Chiemsee relativ selten ist. Allerdings wurden auch Muscheln in den Mägen der Chiemsee-Renken gefunden. Sie sind ein beliebter Speisefisch – die Fischer würden sich über größere Bestände freuen.

Verstopfte Rohre im Bodensee

Enorme Kosten verursacht die Quagga-Muschel jetzt schon am Bodensee. Sie wurde unter anderem auch in den Rohren gefunden, mit denen Trinkwasser aus dem See gepumpt wird. Laut der Trinkwasserversorgung Bodensee müssen die Leitungen inzwischen viermal so oft gereinigt werden. Das erzeuge Kosten im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Auch müssen die Bodenseeschiffe deutlich öfter gereinigt werden, weil sich die Muscheln daran festsetzen. Badende beklagen, dass sie sich an den scharfen Schalen im Uferbereich die Füße zerschneiden.

Mögliche Szenarien am Chiemsee

Wie es am Chiemsee weiter gehen wird, ist eine der Forschungsfragen von Herwig Stibor: Möglich sei, dass mit Szenarien wie am Bodensee auch im Chiemsee zu rechnen ist. Möglich ist aber auch, dass es wie im Eriesee, einem der großen nordamerikanischen Seen abläuft: Hier sei die Muschel nach wenigen Jahren wieder verschwunden.

Im Video: Quagga-Muschel breitet sich in bayerischen Seen aus

Vergrößertes Bild einer Quagga-Muschel.
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Die Quagga-Muschel sorgt für Ärger in Bayern. Ruckzuck bevölkert sie die Seen und kann Milliardenschäden anrichten.

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