Ein junger Mann aus dem Irak ist vor kurzem abgeschoben worden – obwohl er wegen seiner Homosexualität in seinem Heimatland schweren Konsequenzen ausgesetzt ist. Nun hat das Bundesamt erneut gegen einen Aufenthalt eines bisexuellen Mannes entschieden – diesmal aus Dschibuti. Ein Land, das wegen der engen Auslegung des Korans und der Scharia als eigentlicher Gesetzesgrundlage ein gefährliches Land für queere Menschen ist. Die aktuelle Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sorgt bei Beratungsstellen wie der Aktion Rosa Asyl des Nürnberger Vereins Imedana e. V. für große Besorgnis.
"Ich war tatsächlich schockiert", erklärt Tobias Wöhner von Rosa Asyl. Bisher sei immer Flüchtlingsschutz gewährt worden, wenn die Homosexualität eines Bewerbers nachgewiesen war. "Wir hatten bisher immer eine einhundertprozentige Quote, wenn LGBTQ geklärt war." Knapp zehn Fälle seien es in den vergangenen sieben Jahren gewesen. Dschibuti ist kein großes Land mit nur etwa einer Million Einwohner. "Von dort kommen keine großen Flüchtlingsströme", so Tobias Wöhner.
Ins Gefängnis wegen eines Liebesbriefs
Zur Zeit betreut er zwei Männer aus diesem Land, die in Deutschland ein neues Leben anfangen wollen. Habib Numan Ayfarah ist homosexuell, Abdichakour Mohamed Amoud ist bisexuell. Doch das zuhause frei zu leben, ist unmöglich. Das haben beide schmerzlich feststellen müssen. Habib ist am Flughafen in Dschibuti festgenommen worden, weil der Mediziner einen Liebesbrief von einem Mann in der Tasche hatte.
"Sie steckten mich ins Gefängnis, einer der Beamten sagte, du hast einen bösen Geist in dir", erinnert sich Habib Noman Ayfarah, "und ich musste 500 Dollar bezahlen, um nach 25 Tagen aus dem Gefängnis zu kommen." Danach holte sich seine Mutter Hilfe bei einem Imam. Der führte eine Teufelsaustreibung durch, bis Habib, der Medizin studiert hat, sagte, er sei geheilt. Danach wollte er nur noch weg.
Angst im Heimatland umgebracht zu werden
Ähnlich ging es Amoud, er konnte und wollte seine bisexuelle Neigung nicht mehr verstecken – noch dazu wurde er Atheist, wendete sich vom Islam ab. "Ich kann mir nicht mehr vorstellen, nach Hause zurückzukehren", erklärt der junge Mann. "Ich habe meine Familie verloren, alles, ich bin ganz alleine", beteuert er und hofft auf einen Neuanfang in Deutschland. Wenn der studiert Logistikexperte nach Dschibuti zurückkehrt, dann hat er Angst, umgebracht zu werden, von der Polizei, seinem Clan oder seiner Familie.
Der Asylantrag von Mamoud ist nun abgelehnt worden. Völlig unverständlich für Flüchtlingsberater Tobias Wöhner von Rosa Asyl. Er befürchtet, dass durch die Verschärfung der Asylgesetze nun auch verstärkt Anträge von queeren Geflüchteten abgelehnt werden. Das bestreitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf BR-Anfrage. "Bei jedem Asylverfahren handelt es sich um eine Einzelfallprüfung (…) Eine ‚Anweisung‘, Asylverfahren homosexueller Männer aus Dschibuti strikter zu entscheiden und keinen Flüchtlingsschutz zu gewähren, gibt es nicht."
Aus Sicht der Beratungsstelle müssen aber queere Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in Dschibuti um ihr Leben fürchten. Nach den Richtlinien des Bundesamtes eigentlich ein Grund für Flüchtlingsschutz. "Flüchtlingsschutz (…) kommt in Betracht, wenn eine Antragstellerin oder ein Antragsteller glaubhaft macht, ihm/ihr drohten bei Rückkehr in das Herkunftsland wegen der bestimmten sexuellen Ausrichtung schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen", so das BAMF.
Fundamentale Menschenrechte auch für queere Personen
Umso alarmierender ist für Rosa Asyl die aktuelle Entscheidung des Bundesamtes. "Wenn ein schwules Paar in Dschibuti durch die Straßen laufen würde und die Leute das erkennen, dann besteht die Gefahr, dass sie inhaftiert, verprügelt oder ermordet werden", dass sei asylrechtlich relevant und systematisch. Für ihn sei es unfassbar, dass man im Jahr 2024 gegen eine bundesdeutsche Behörde vor Gericht ziehen müsse, "in der Frage, ob fundamentale Menschenrechte auch für queere Menschen gelten." Das sei ein unerträglicher und alarmierender Zustand. Das aktuelle Verfahren ist aus seiner Sicht richtungsweisend für kommende Fälle queerer Geflüchtete – nicht nur aus Dschibuti.
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