Die Bundestagspräsidentin legte sich schon vor Wochen fest: Julia Klöckner (CDU) überraschte Mitte Mai mit der Ankündigung, die Regenbogenfahne am Bundestag nur noch am Internationalen Aktionstag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (17. Mai) zu hissen, aber nicht zum Berliner Christopher-Street-Day Ende Juli. Der CSD lebe von seiner "kraftvollen Präsenz auf den Straßen", die Regenbogenflagge werde dort von den "Menschen selbst getragen und verbreitet, nicht durch die Institution Bundestag".
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In Bayern weht die Regenbogenfahne am Landtag
Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), einst als Bundesagrarministerin Chefin der damaligen Staatssekretärin Klöckner, hat anders entschieden: Wenn an diesem Samstag die Münchner CSD-Parade durch die Straßen zieht, wird vor dem Landtag erneut die Regenbogenfahne wehen. "Sie steht für Offenheit, sie steht für Toleranz, und sie steht für Vielfalt und auch für Akzeptanz für queere Menschen", sagte Aigner dem BR. "In anderen Kulturen übrigens ist es auch ein Zeichen für Frieden und für Hoffnung."
Regenbogenfahne zusätzlich zur deutschen
Aigner stellt zudem klar: Die Regenbogenfahne werde zusätzlich zur Bayern- und Deutschlandfahne gehisst: "Die wehen natürlich immer bei uns ganz oben."
Die AfD-Fraktion hatte im Landtag kürzlich gefordert, Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden gesetzlich zu verbieten. Der AfD-Abgeordnete Florian Köhler beklagte, viel zu oft wehe eine Sonderflagge statt der eigenen: "Wir wollen unsere Fahne zurück." Schwarz-Rot-Gold und Bayernflagge seien "starke Symbole für unsere Demokratie, für unsere Geschichte und für unsere Werte".
Entsprechend wertet es die AfD-Fraktion jetzt als "bedauerlich", dass Aigner nicht Klöckners Beispiel folgt. "Die Regenbogenflagge kann zeigen, wer will", sagt AfD-Innenexperte Richard Graupner. "An staatlichen Gebäuden hat dieses ideologische Symbol nichts zu suchen."
Klöckner bleibt bei Entscheidung
Auch auf dem Bundestag waren in den vergangenen Jahren zum CSD sowohl deutsche Flagge als auch Regenbogenfahne zu sehen. Klöckner hält heuer die Bundesflagge für ausreichend: Schwarz-Rot-Gold sei das zentrale Symbol für Einheit, Stabilität und die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Land. "Die Bundesflagge repräsentiert das, wofür unser Grundgesetz steht – eben auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und gegen Diskriminierung."
Sprecher: CSD ist politische Demo
Die Entscheidung stieß auf viel Kritik. Abgeordnete mehrerer Parteien forderten Klöckner zum Umdenken auf, eine Online-Petition hat schon mehr als 200.000 Unterschriften. Auf BR24-Anfrage bekräftigte ein Bundestagssprecher Klöckners Argumentation. Er verteidigte auch die Entscheidung, dass das Regenbogennetzwerk der Bundestagsverwaltung beim Berliner CSD nicht mitlaufen darf: "Im Vordergrund steht hierbei die notwendige politische Neutralität der Verwaltung." Denn der CSD sei eine Demonstration mit konkreten politischen Forderungen.
Grüne beklagen "fatale Kehrtwende"
Landtagspräsidentin Aigner mag Klöckners Entscheidung nicht kommentieren: "Jedes Gremium entscheidet das selbst." Der Grünen-Landtagsabgeordnete Florian Siekmann wird deutlicher: Klöckner begehe eine "fatale Kehrtwende" und räume ohne Not einen demokratischen Konsens, "nämlich dass Vielfalt in unserem Land akzeptiert ist". Niemand wolle die Deutschlandflagge vom Bundestag nehmen. "An so einem Tag sehen doch die Regenbogenflagge und die Deutschlandflagge nebeneinander ganz großartig aus."
Siekmann dankt zugleich Aigner dafür, die Regenbogenfahne am Landtag zu hissen: "Die Volksvertretung beweist damit Herz und Charakter."
Mehr CSDs in Bayern als jemals zuvor
Die queere Community in Bayern lasse sich nicht einschüchtern, "auch wenn Übergriffe aus rechtsextremen Kreisen zugenommen haben", betont der Grünen-Politiker. In Regensburg beispielsweise muss die CSD-Parade Anfang Juli wegen einer Drohung kürzer ausfallen, die Zahl der gemeldeten queerfeindlichen Straftaten in Deutschland ist gestiegen.
In Bayern gebe es heuer mehr CSDs als jemals zuvor – "übrigens die allermeisten in Deutschland", sagt Siekmann. Wichtig sei, dass auch staatliche Institutionen die Regenbogenflagge hissen und zeigen, dass sie zu einem vielfältigen Bayern stehen und keine Übergriffe tolerieren.
Neben dem Landtag wird auch die Bayerische Staatskanzlei dieses Zeichen am Wochenende einmal mehr setzen. Ob das Bundeskanzleramt unter Friedrich Merz (CDU) die Regenbogenfahne zum Berliner CSD Ende Juli zeigen wird, konnte ein Sprecher auf Anfrage noch nicht beantworten.
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