Über 100 Forschende an über 30 Instituten beschäftigen sich im Projekt CDRterra damit, wie in Deutschland CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden kann. Das Projekt wird seit vier Jahren von der LMU München koordiniert und vom Bundesforschungsministerium gefördert. Die CO2-Entnahme ist notwendig, wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll.
Restemissionen aus Abfallverbrennung oder Landwirtschaft
Denn: Wenn Restmüll verbrannt wird, entsteht CO2, das ist kaum zu vermeiden. Auch in der Glas- oder Zementherstellung gibt es solche Emissionen oder in der Landwirtschaft, zum Beispiel aus der Tierhaltung. Diese schwer vermeidbaren Emissionen machen insgesamt Schätzungen zufolge insgesamt etwa zehn bis 20 Prozent der heutigen Emissionen Deutschlands aus. Klimaneutralität ist also nur möglich, wenn diese Emissionen ausgeglichen werden - wenn wir der Atmosphäre CO2 aktiv entziehen und langfristig binden.
Forschungsprojekt fordert: CO2-Entnahme hochfahren
Dafür gibt es natürliche Methoden, wie intakte Wälder und Moore, aber auch technische Verfahren. Das Forschungsprojekt CDRterra untersucht, welches Potenzial in einzelnen Methoden steckt und welche Risiken mit ihnen verbunden sind. Julia Pongratz, Professorin für Geografie an der LMU München und Sprecherin des Forschungsprojekts, hat bereits jetzt eine klare Botschaft: "Es ist möglich, in Deutschland Treibhausgasneutralität 2045 zu schaffen" Allerdings nur, wenn die Treibhausgasemissionen hochambitioniert heruntergefahren und gleichzeitig die CO2-Entnahmemethoden hochskaliert würden, so die Klimaforscherin.
Wälder stoßen CO2 aus, anstatt es zu binden
CO2-Entnahme geschieht bereits, und zwar auf ganz natürlichem Wege: in gesunden Wäldern und durch Aufforstung. Doch die Forschenden beobachten: In den letzten Jahren haben Dürren und der Borkenkäfer den deutschen Wäldern so sehr zugesetzt, dass sie CO2 ausstoßen, anstatt CO2 zu speichern.
Viele Methoden möglich
Bei den technischen Verfahren dürfte der Ansatz, CO2 aus der Luft zu filtern und unterirdisch zu speichern, wohl der bekannteste sein. Für diese geologische Speicherung kommt auch abgeschiedenes CO2 aus Industrieanlagen wie Zementwerken oder Müllverbrennungsanlagen in Frage. Oder solches, das beim Verwerten von Energiepflanzen entsteht, die das CO2 vorher aus der Luft aufgenommen haben. Auch über diesen biologischen Umweg kann CO2 aus der Atmosphäre geholt und im Boden gespeichert werden. Doch auch auf Äckern ausgebrachtes Gestein kann CO2 binden. Die Forschenden arbeiten außerdem an neuartigen Ansätzen, wie etwa künstlicher Fotosynthese, bei der aus Sonnenlicht und CO2 feste Kohleflocken entstehen, die sich einlagern lassen.
Unterschiedliche Methoden notwendig
Schon jetzt können die Forschenden sagen: Es wird einen Mix aus vielen Methoden brauchen. Und dann müssen noch die Risiken bedacht werden. Zum Beispiel, ob es bei der Speicherung von CO2 zu Leckagen kommen kann. Für Klimaforscherin Julia Pongratz gibt es jedoch noch eine andere Gefahr: "Große Risiken liegen auch einfach im Nichthandeln. Wir brauchen Emissionsreduktion und CO2-Entnahme jetzt, sonst sind die Folgen aufgrund des Klimawandels für uns alle noch nachteiliger."
Sorge vor Verschleppung
Eine Sorge, die auch von Klimaschützern immer wieder geäußert wird: Die CO2-Entnahme und Speicherung könnten als Vorwand genutzt werden, fossile Emissionen langsamer abzubauen. Es könnten also etwa Gaskraftwerke länger laufen, da es ja die Möglichkeit gebe, das CO2 zu speichern. "Unsere Forschung zeigt: Dafür ist einfach kein Raum. Es ist wirklich sehr, sehr eng, um wirklich auf Null-Emissionen zu kommen", sagt dazu Jessica Strefler vom PIK. Die Kapazitäten für die Entnahme und Speicherung seien zu gering, alle Maßnahmen würden für die schwer vermeidbaren Emissionen gebraucht. "Es ist auch eine Kostenfrage", ergänzt Geografieprofessorin Pongratz. Viele Emissionen seinen einfach leichter zu vermeiden, als sie dann "teuer nachher wieder aus der Atmosphäre zu holen".
Politik soll rechtlichen Rahmen schaffen
Von der Politik fordern die Forschenden vor allem, jetzt zügig die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Methoden zur CO2-Entnahme in die Praxis umgesetzt werden können. Ein erster Schritt sei gemacht, indem die Bundesregierung die CO2-Speicherung durch eine Gesetzesnovelle möglich macht, doch in vielen Bereichen gebe es noch rechtliche Hürden.
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