Wohnungen in einem Hochhaus (Archiv- und Symbolbild)
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Sozialwohnungen: Warum hat NRW dreimal so viele wie Bayern?

Sozialwohnungen: Warum hat NRW dreimal so viele wie Bayern?

Sozialer Wohnraum ist rar: In Bayern liegt die Zahl der Sozialwohnungen um mehr als zwei Drittel unter dem Niveau Nordrhein-Westfalens. Das Problem beider Länder: Der Bestand schrumpft weiter. Eine Lösung ist nicht in Sicht, trotz Milliardenausgaben.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Wer macht die bessere Sozialwohnungs-Politik – Bayern oder Nordrhein-Westfalen? Auf den ersten Blick NRW: Es hat mit 427.000 Sozialwohnungen mehr als dreimal so viele wie Bayern mit nur 134.793. Im Freistaat kommt eine Sozialwohnung auf 100 Einwohner, in NRW eine auf 43 Einwohner. Aber so einfach ist die Sache nicht: NRW hat mehr Einwohner, ist städtisch und industriell geprägt, Bayern ein Flächenland.

Die Probleme ähneln sich trotzdem: In beiden Ländern ist der Bedarf viel höher als der stark schrumpfende Bestand. So gab es Mitte der 1980er-Jahre allein in Westdeutschland noch vier Millionen Sozialwohnungen, heute sind es gesamtdeutsch nur noch eine Million.

Um eine der staatlich subventionierten Sozialwohnungen können sich Menschen mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen an ihrem Wohnort bewerben, Grundlage ist ein Wohnberechtigungsschein.

Hunderttausende Sozialwohnungen fehlen

Vor allem in den Ballungszentren und Universitätsstädten ist der Bedarf riesig. Weil in Bayern theoretisch 60 Prozent der Bevölkerung, also rund sieben Millionen Bürger, Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, errechnet das Pestel-Institut in einer Studie, dass bis zum Jahr 2030 ungefähr 320.000 Sozialwohnungen benötigt werden. Allein im teuren München stehen 25.000 Menschen auf der Warteliste.

Grafik: So entwickelt sich der Bestand an Sozialwohnungen

Der Mangel verschärft sich: Bei aktuell rund 135.000 Sozialwohnungen fielen in Bayern zuletzt gut 3.000 Wohnungen aus der Sozialbindung. Das heißt: Die Miete darf steigen, die Wohnungen können zu den viel höheren Marktpreisen vermietet oder sogar als Eigentumswohnungen verkauft werden. Nach aktuellen Zahlen der Staatsregierung werden es bis 2030 insgesamt sogar 26.000 Wohnungen sein. Eine Trendumkehr ist nicht Sicht.

In NRW sind die absoluten Zahlen höher, sowohl was Bestand als auch Verlust angeht – und nicht weniger dramatisch. 430.000 Sozialwohnungen in NRW klingt nach viel, ist aber nur noch die Hälfte des Bestands von 2003, Tendenz weiter sinkend. In NRW verloren zuletzt 15.000 Sozialwohnungen im Jahr ihre Mietpreisbindung. Bis 2030 werden es nach Berechnungen der NRW-Bank insgesamt sogar 166.000 Wohnungen sein.

Beide Länder müssten Jahr für Jahr also hohe Neubauzahlen stemmen, allein um den Status quo zu sichern – die Unterversorgung dürfte bleiben.

Unterschiedliche Ausgangslage zwischen Bayern und NRW

Dass Bayern und NRW mit Sozialwohnungen so unterschiedlich versorgt sind, ist historisch bedingt und zeigt sich in der Siedlungsstruktur. Im Flächenland Bayern lebten im Jahr 2020 etwa 22,5 Prozent der Bevölkerung in Großstädten, im Industrieland NRW dagegen rund 46 Prozent.

Der Bedarf an Sozialwohnungen ist in Großstädten größer. NRW mit 18 Millionen Einwohnern hat davon 30, Bayern mit 13 Millionen Bürgern nur acht. Dadurch kommen rechnerisch im Freistaat etwa 99 Einwohner auf eine Sozialwohnung, in Nordrhein-Westfalen nur circa 43 Personen.

Grafik: So ist das Verhältnis zwischen Einwohnern und Sozialwohnungen

So macht's Bayern: komplizierter Baukasten

Die Konzepte zur Wohnraumförderung unterschieden sich. Das bayerische Fördersystem versucht, sehr zielgenau zu sein, ist aber kompliziert. Seine einkommensorientierte und aufwendungsorientierte Förderung (EOF und AOF) kombinieren Zinsdarlehen mit unterschiedlichen Zuschüssen, je nach Laufzeit der Sozialbindung. Teilweise werden auch Mieten bezuschusst. Außerdem gibt es im Freistaat – im Gegensatz zu NRW – drei staatliche Wohnungsbaugesellschaften, die selbst als Bauherren auftreten.

Im Freistaat sind die Fördermittel in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – allerdings nicht so stark wie in NRW. Zusammen mit Bundesmitteln stellte Bayern im Jahr 2013 nur 230 Millionen Euro bereit, davon 130 Millionen für die Förderung von Mietwohnungen. Ab 2016 gab es über 550 Millionen Euro, 2018 bereits fast 900 Millionen Euro. Aktuell sind es ca. 1,2 Milliarden Euro. Doch laut Staatsregierung ist das Budget für 2025 bereits ausgeschöpft. Kommunale Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften schlagen Alarm, bereits genehmigte Projekte liegen auf Eis.

Grafik: So viele Geld gibt es in Bayern und NRW für die Wohnraumförderung

So macht‘s NRW: Großes Programm, schlanke Konditionen

Nordrhein-Westfalen geht einen anderen Weg als Bayern und bündelt seine Förderung in der "Förderrichtlinie Öffentliches Wohnen". Kernelement ist ein zinsloses Grunddarlehen, sowohl für Mietwohnungen als auch für verbilligte Eigentumswohnungen. Die Bindungsdauer beträgt 25 oder 30 Jahre, kürzer als in Bayern mit bis zu 55 Jahren. Neu hinzugekommen ist ein landesweites Programm zum Ankauf auslaufender Belegungsbindungen, das es in Bayern auch gibt.

Die Mittel für geförderten Wohnungsbau kletterten in NRW in den vergangenen Jahren (zusammen mit Geld vom Bund) von 800 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2024. Davon entfallen 1,59 Milliarden Euro auf die Förderung von Mietsozialwohnungen und Wohnheimplätzen.

Bilanz 2024: Weit hinter dem Bedarf

Und die Erfolge? NRW bewilligte 2024 insgesamt 12.847 geförderte Wohneinheiten. Zieht man Modernisierungen, Eigentumsförderung und Bindungsverlängerungen ab, bleiben 6.726 neu gebaute Sozialmietwohnungen – exakt so viele wie 2023. Bayern meldet 13.600 geförderte Einheiten über alle Programme hinweg, darunter gut 3.100 neu bewilligte sozial gebundene Mietwohnungen, nach 3.233 im Jahr 2023.

Warum entstehen zu wenig Sozialwohnungen?

Die Gründe für die geringe Zahl an Sozialwohnungen sind vielfältig: Hohe Baukosten und Zinsen, knappe, immer teurere Grundstücke und hohe Auflagen führen zu geringen Renditeerwartungen. Die NRW-Landesregierung spricht zwar von einem anhaltenden "Förderboom", die NRW-Bank räumt aber ein, dass Investoren zunehmend vorsichtig kalkulieren.

In Bayern ist der hohe Zuschussanteil für Investoren attraktiver als die reine Kreditförderung in NRW, doch die langen Bindungsfristen von bis zu 55 Jahren schrecken im Freistaat private Bauträger ab.

Übersicht: Sozialer Wohnungsbau in NRW & Bayern

Ausblick: Mehr Geld allein genügt nicht

Neben mehr Fördermitteln setzen beide Länder auf unterschiedliche Konzepte: NRW auf einfache Zinskonditionen und vermehrten Bindungsankauf, Bayern auf verschiedene Zins- und Zuschusspakete und die staatseigenen Baugesellschaften. Doch solange Baukosten hoch bleiben und Finanzmittel – wie in Bayern – nicht kontinuierlich fließen, geraten Programme an ihre Grenzen.

Die Sozialwohnungskrise lässt sich nicht allein durch die Ländermodelle lösen. Ohne zusätzliche Bundesmittel, schnellere Planungsprozesse und kostensenkende Baustandards droht der soziale Wohnungsbau im Westen wie im Süden weiter hinter den Bedürfnissen seiner Bürger zurückzubleiben.

Im Audio: Wohnungsbaudebatte im Landtag

Hausbaufassade mit Baugerüst (Symbolbild)
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(Symbolbild) Wohnungsbaudebatte im Landtag

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