Eines der sozialen Projekte: ein Bauernhof-Kindergarten
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Start-up Bauernhof: Landwirtschaft anders gedacht

Start-up Bauernhof: Landwirtschaft anders gedacht

Drei Frauen und ein Bauernhof: Ärztin Karina Hechtel übernahm den Hof ihrer Eltern und krempelte ihn mit zwei Freundinnen komplett um. Die drei Frauen bauten einen Kindergarten am Hof, ernten Biogemüse aus Permakultur und verkaufen Abo-Kisten.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Karina Hechtel (38) dachte eigentlich, die Bürgerinnen und Bürger und vor allem die Kommunalpolitiker in ihrer mittelfränkischen Heimatgemeinde Kammerstein würden sich freuen, als sie vor zwei Jahren mit ihren Freundinnen Ruth Stumpp (40) und Ingrid Dullnig (49) ihr Konzept eines Bauernhof-Kindergartens vorstellte. Doch es gab erstmal viel Skepsis und viele Hürden.

"Das wird noch nix!"

Die Ärztin und zwei Betriebswirtschaftlerinnen reißen den Schweinestall der Familie Hechtel im Kammersteiner Ortsteil Poppenreuth ab und investieren zwei Millionen Euro in ein Kinderhaus: aus Vollholz, ohne Leim und Nägel, das Dach bunt gegrünt.

Karina Hechtel, Fachärztin für Psychiatrie, schmerzen noch heute die Vorbehalte von Nachbarn und Kommunalpolitikern: "Ich hatte den Eindruck, als wir das erste Mal im Gemeinderat waren, dass die alle gedacht haben, die drei Madln, die kriegen eh nix hin, da müssen wir jetzt auch nicht dagegen stimmen. Aber als es dann konkreter geworden ist, da war es nicht so leicht." Das Ziel der drei Frauen: Menschen über nachhaltige Lebensmittelproduktion zusammenbringen und Kinder an diese Lebensperspektive heranführen.

Herausforderung: Finanzierung und Bürokratie

Das Ganze musste finanziert werden. Doch die Gemeinde ließ sich Zeit für die Auszahlung von 170.000 Euro Zuschuss für den staatlich genehmigten Kindergarten auf dem Bauernhof. Und auf 800.000 Euro zugesagten Kindergartenzuschuss vom Freistaat Bayern warten die drei Frauen immer noch. Das müssen sie jetzt über eine Bank zwischenfinanzieren.

Doch davor haben vor allem die beiden Betriebswirtschaftlerinnen keine Angst. "Mit Zahlen und Banken können wir umgehen", sagt Stumpp, das sei lange genug ihr Job als Gesundheitsökonomin gewesen. Viel nervenzehrender sei die Bürokratie.

"Gefühlt ist das Schlimmste, was man machen kann: einen Kindergarten bauen und mit Landwirtschaft kombinieren. Wir haben Aktenordner voller Anträge." Ruth Stumpp

Kinderhaus am Bauernhof

Stumpp ist verantwortlich für das Kinderhaus. Die dreifache Mutter managt den Kindergarten mit drei Erzieherinnen und einem Koch. 25 Kinder besuchen den Kindergarten, 25 den Grundschulhort. Die Kosten: je nach Dauer der Betreuung zwischen 100 und 130 Euro pro Monat.

Der Corona-Lockdown hat allen schwer zu schaffen gemacht. Vor allem die Einarbeitung war für Kinder, Team und Eltern schwierig. Aber dennoch hat es geklappt, sagt Stumpp: "Wir haben mutige Eltern, die bereit sind, auch mal etwas andere Wege zu gehen und die hinnehmen, dass zu Beginn noch nicht alles perfekt ist."

Abo-Kisten für "Ernteteiler"

Das "grüne Ressort" auf dem Hof, einen gut 10.000 Quadratmeter großen Gemüsegarten, organisiert Ingrid Dullnig. Die studierte Betriebswirtschaftlerin bildet sich gerade in einem staatlichen Abendkurs zur Landwirtin fort. Sie setzt auf chemiefreie und nachhaltige Permakultur. Auf ein Gehalt verzichtet sie im Gründungsjahr ebenso wie Stumpp.

Mit zwei angestellten Gärtnern erntet Dullnig jeden Freitagmorgen ein buntes Sortiment für 70 Abo-Kisten. Die bekommen die sogenannten "Ernteteiler" - so heißen die Kunden, die je nach Größe der Kiste 59 bis 95 Euro monatlich zahlen. Manche Ernteteiler helfen unentgeltlich mit im Gemüsegarten, vor allem weil sie was dazulernen wollen.

Und täglich, bei jedem Wetter, geht Dullnig mit ein paar Kindern in den Garten. Nicht nur um Gemüse zu ernten, sondern auch, um Gemüse zu erklären: "Das ist es, was so Spaß macht: die Kinder von Anfang da ran zu führen. Mit den kleinsten und einfachsten Dingen beginnen. Das ist bei uns das Spezielle, weil wir alles mit der Hand machen."

Ernten, kochen, essen

Gegessen wird im Kinderhaus das, was täglich frisch vom Hof kommt. Neben dem Gemüsegarten gibt es auch noch Freilaufhühner und Bienen. Die Kinder bereiten mit dem syrischen Koch Nisar selbst ihre Frühstücksnacks und das Mittagessen zu. Die Küche im Kinderhaus hat kindgerecht niedrige Arbeitsplatten. Die 50 Kinderbetreuungsplätze sind ausgebucht.

  • Zum Artikel: Artenschutz im eigenen Garten: So klappt's

Rechnet sich das Bauernhof-Konzept?

Bio-Gemüsebau, Permakultur, Kinderbetreuung, Personal, den Betrieb managen - das macht Arbeit. Das Gemüse verkauft sich gut, die Frauen wollen die Zahl der Abo-Kisten verdoppeln. Aber es ist noch Luft nach oben und der Aufwand ist enorm, auch wenn Ernteteiler und Eltern ehrenamtlich helfen.

Hechtel wird weiter als Ärztin in der Klinik arbeiten, aber sie will nicht ihr Gehalt in den Betrieb stecken, der muss sich langfristig selbst tragen. Die beiden anderen haben ihre Jobs in der Wirtschaft aufgegeben. Arbeiten am Biobauernhof ist erfüllender, sagen sie. Sie bezeichnen ihr Konzept als "Market Garden". Wichtig für Karina Hechtel: "Ein Market Garden ist etwas anderes als klassischer Biogemüseanbau mit vielen Rumänen und Maschinen. Ich denke, wir sind der einzige Betrieb im Umkreis, der keine Saisonarbeitskräfte ausbeutet und das geht nur aufgrund des Market Garden Systems."

Nächstes Projekt: Tagespflege am Hof

Nach einem Jahr auf dem umgekrempelten Bauernhof peilen die drei Frauen bereits das nächste Projekt an. Sie reißen eine alte Scheune ab und planen als drittes Standbein neben Kinderhaus und Gemüseverkauf eine ambulante Tagespflege für 15 Senioren. Dem Gemeinwohl soll es dienen und sich trotzdem rechnen. In dieser Kombination sehen die drei Frauen den Sinn ihrer Arbeit.

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