Viele mittelständische Unternehmen in der Oberpfalz stehen vor großen Herausforderungen: hohe Energiepreise, steigende Löhne und eine wachsende Bürokratie setzen ihnen immer stärker zu. Unternehmer sprechen von einer wirtschaftlichen Lage, die härter und unberechenbarer sei als jede Krise zuvor.
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Einige Unternehmen sehen ihre Existenz bedroht und fordern sofort politische Veränderungen. Manche überlegen sogar, ins benachbarte Tschechien umzusiedeln. Ihrer Meinung nach ist ein wirtschaftliches Produzieren in Deutschland unter den momentanen Umständen nicht möglich. Auch Insolvenzverwalter sind mittlerweile alarmiert.
Glas-Fabrik in Weiden kämpft
In einem Industriegelände in Weiden führt Til Schöninger ein traditionsreiches Glasverarbeitungsunternehmen mit rund 80 Beschäftigten. Man kämpfe täglich darum, wirtschaftlich stabil zu bleiben, berichtet er im BR24-Interview.
Der Betrieb verarbeitet unter anderem Sicherheitsglas – ein energieintensiver Prozess, der sich allein im vergangenen Jahr massiv verteuert hat. Schöninger berichtet, dass die Stromkosten um etwa 150.000 Euro gestiegen seien. Zusätzlich hätten die neuen Lkw-Mautgebühren seinen Betrieb mit weiteren 90.000 Euro belastet. Gleichzeitig gehe aber die Bautätigkeit zurück und die Nachfrage breche spürbar ein.
Die Firma habe deshalb die Produktion von drei auf zwei Schichten reduzieren und Personal "schweren Herzens entlassen" müssen.
Im Video: Wie ernst ist die Situation wirklich – und was müsste passieren, damit die Betriebe vor Ort wieder in Schwung kommen?
Oberpfälzer Betriebe am Limit: wegen Energiekosten, Fachkräftemangel, Bürokratie.
Oberpfälzer Stahlbauer erwägt Umzug
Auch der Stahl- und Anlagenbauer Anton Forster aus Weiden steht vor ähnlichen Herausforderungen. Sein Unternehmen mit gut 70 Mitarbeitenden fertigt unter anderem Stahlkonstruktionen für Industriehallen. Aufträge seien vorhanden, aber große Sprünge sind nicht möglich.
Forster betont, dass vor allem die deutschen Genehmigungsverfahren die Wettbewerbsfähigkeit bremsen würden. Während man im benachbarten Tschechien innerhalb weniger Wochen eine Baugenehmigung erhalte, dauere es in Deutschland oft Monate oder sogar Jahre, so Forster.
Regierungen in anderen europäischen Ländern handelten deutlich wirtschaftsfreundlicher. Hierzulande habe er zunehmend den Eindruck, als arbeite die Politik gegen die Wirtschaft, so die Meinung des Geschäftsführers. Ein Standortwechsel ins Nachbarland Tschechien würde er daher inzwischen ernsthaft prüfen.
Insolvenzen: Warnsignale aus der Region
Insolvenzverwalter Jochen Zaremba hat den bayernweiten Überblick. Wie Zahlen des Landesamtes für Statistik zeigen, wurden im Freistaat allein im vergangenen Jahr rund 3.000 Unternehmensinsolvenzen registriert – ein bereits hohes Niveau, das sich nach seinen Schätzungen in diesem Jahr noch einmal um 12 bis 15 Prozent erhöhen dürfte.
Er weist darauf hin, dass die Energiekosten in Deutschland rund 37 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegen. Die Zahlen bestätigt auch das Statistische Bundesamt. Auch die Unternehmenssteuern in Deutschland seien im europäischen Vergleich laut IHK um etwa zehn Prozentpunkte höher.
Was Experten fordern
Volkswirte sehen die Politik in der Pflicht: Ein spürbarer Bürokratieabbau, Entlastungen bei den Energiepreisen und eine ernsthafte Steuerreform seien längst überfällig, erklärt Prof. Dr. Franz Seitz von der OTH Amberg-Weiden. Zwar habe die Bundesregierung im November rund 50 Maßnahmen angekündigt, um Verfahren zu vereinfachen. Kritiker bemängeln jedoch, dass diese Schritte zu kleinteilig seien und zu langsam umgesetzt würden.
Zwischen Hoffnung und Zweifel
Für die Oberpfälzer Unternehmer Schöninger und Forster bleibt die wirtschaftliche Unsicherheit ein täglicher Begleiter. Sie müssen gleichzeitig Kosten dämpfen, Auftragslagen stabilisieren und ihre Belegschaft halten.
Trotz aller Belastungen zeigen sie sich weiterhin kämpferisch und hoffen auf eine Trendwende – auch wenn unklar bleibt, wie lange diese schwierige Phase anhält. Klar ist für die beiden Firmeninhaber: Ohne spürbare politische Reformen könnte die Lage für viele Betriebe vor Ort kritisch werden.
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