Bis zu zwei Drittel der Autofahrer überholen Radfahrer auf der Straße zu eng und zu dicht. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Hochschule Kempten in Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) erstellt hat.
Gesetzlich vorgegeben sind innerorts 1,50 Meter Seitenabstand zwischen Auto und Radfahrer. Außerhalb von Ortschaften sind es zwei Meter. Bei Verstoß droht ein Bußgeld von 30 Euro. Die Abstände werden in der Realität teilweise stark unterschritten: Der kleinste Wert, der während der Studie gemessen wurde, lag bei knapp unter einem halben Meter.
Mindestabstand: Per Rad mit Sensoren durch Allgäuer Städte
Über 2.000 Überholvorgänge haben Studierenden der Fakultät Elektro- und Informationstechnik der Hochschule Kempten zusammen mit den Professoren Thomas Zeh und Tim Poguntke in den vergangenen Monaten ausgewertet. Die Studierenden und Mitglieder des ADFC sind dafür selbst aufs Rad gestiegen: Insgesamt sind sie etwa 3.000 Kilometer durch die Städte Kempten, Memmingen und Buchloe gefahren und haben mit eigens entwickelten Sensoren den Abstand zu den überholenden Autos gemessen.
Das Fazit: Bis zu zwei Drittel der Autofahrer überholen zu eng und gefährden so die Radfahrer. "Die Datenauswertung hat erschreckende Ergebnisse hervorgebracht. Und zwar die, dass etwa in manchen Situationen der Überholabstand bei bis zu 67 Prozent kleiner als 1,5 Meter war, was absolut kritisch ist", sagt Professor Thomas Zeh.
Zu enge Überholmanöver vor allem an Radschutzstreifen
Dass es auf dem Fahrrad im Stadtverkehr häufig eng werden kann, bestätigt auch David Schilling, einer der Studierenden des Projekts. Er ist mit dem Fahrrad in Buchloe unterwegs gewesen. "Wenn ein Auto so nah kommt, ist das Stress pur", sagt er. Die Sogwirkung des Fahrzeugs bringe den Radfahrer in Gefahr.
Überraschend: Vor allem an sogenannten Radfahrschutzstreifen, die eigens auf der Fahrbahn markiert sind, wird häufig viel zu nah überholt. Professor Zeh erklärt sich das so: "Der Autofahrer denkt: Wenn ich nicht in die Nähe dieses Streifen komme, habe ich ausreichend Abstand. Das stimmt aber nicht. Meistens ist er zu nah. Dort, wo diese Streifen nicht waren, haben wir deutlich größeren Abstand gemessen." Außerdem würden die Schutzstreifen oft von parkenden Autos blockiert.
ADFC: Radfahrern mehr Platz einräumen
Für den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club sind die Ergebnisse des Projekts alarmierend – und ein Grund zum Handeln. Lutz Bäucker, Vorsitzender des ADFC in Kempten und im Oberallgäu, fordert, dass die bestehenden alten Radfahrschutzstreifen modernisiert werden. Sie sollten verbreitert und deutlicher sichtbar gemacht werden. "Es muss der politische Wille sein oder auch in der Gesellschaft akzeptiert sein, dass man den Autofahrern etwas von ihrem Platz wegnimmt, um den Radfahrern mehr Platz für ihre Sicherheit einzuräumen", so Bäucker.
Darüber hinaus wünscht er sich, dass die Infrastruktur für Radfahrer prinzipiell verbessert werde, gefährliche Stellen entschärft werden und vor allem, dass Autofahrer wie Radfahrer einen rücksichtsvolleren Umgang miteinander anstreben.
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