Er ist eigentlich ganz unscheinbar – kaum sichtbar und praktisch für die Zahnreinigung für zwischendurch: der Zahnstocher. Und dieses kleine Stück Holz hat in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit erhalten. So viel, dass Zahnstocher in einer Münchner Realschule nun ganz verboten wurden.
Sänger Shawn Mendes und Hollywood-Schauspieler Ryan Philippe scheinen den Zahnstocher-Look zu mögen – zumindest zeigen sie sich lässig im Mundwinkel damit auf TikTok und Instagram. Doch es geht dabei nicht unbedingt um die, mit denen man sich die Zähne säubert.
Bis zu dreimal so viel Nikotin wie in einer Zigarette
Mittlerweile werden auch Nikotinzahnstocher verkauft. Dr. Andrea Rabenstein, Suchtmedizinerin des LMU Klinikums München, sieht sie als Gefahr: "Eigentlich bewerben die Firmen sie als Zahnstocher zum Aufhören mit dem Rauchen. Aber der Trend geht dahin, dass es eigentlich nikotinnaive Konsumenten anwenden."
In Deutschland sind sie noch nicht käuflich, aber im Internet aus dem Ausland schnell bestellt. "In einem Nikotinzahnstocher stecken zwei bis sechs Milligramm Nikotin – in einer Zigarette sind ungefähr zwei Milligramm", erklärt Rabenstein, besorgt über den versteckten Nikotingehalt.
Zahnstocher nicht unterscheidbar: Schule reagiert mit Verbot
Auch in Bayern tauchten die Nikotinhölzchen bereits auf. "Ein paar Lehrkräfte sind zu mir gekommen und haben mir gemeldet, dass vermehrt Kinder gerade aus der siebten und achten Klasse mit Zahnstochern in den Mundwinkeln im Klassenzimmer saßen – wie kleine Cowboys", erzählt Harald Kraus, Konrektor der Carl-Linde-Realschule in München.
Aber: Zahnstocher gibt es auch ohne Nikotin, dafür mit viel Geschmack, in Deutschland erhältlich und durch viel Präsenz in den sozialen Medien beworben. Die Unterscheidung zum Nikotinzahnstocher ist kaum möglich – deswegen wurden an dieser Schule Zahnstocher jeglicher Art verboten.
Größe des Trends in Bayern unklar
Für Florian Kraus, Referent für Bildung in München, ein notwendiger Schritt: "Solche Trends entwickeln sich natürlich mit den sozialen Medien jetzt viel schneller, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Deshalb brauchen die Schulen auch ein waches Auge, damit sie dann ganz individuell reagieren können." Ein flächendeckendes Verbot an allen Münchner Schulen wird es aber nicht geben.
Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), sieht eher ein "Henne-Ei-Problem": Dadurch, dass Nikotinzahnstocher in den Medien einige Male thematisiert wurden, seien die Lehrer aufmerksamer und es habe auch schon welche gegeben, die dem Verband von Fällen berichtet hätten. Allerdings lasse sich evidenzbasiert nicht sagen, ob es ein größerer Trend in Bayern sei. Das Bayerische Kultusministerium schrieb auf Anfrage, dass "schulartübergreifend keine weiteren Erkenntnisse zu entsprechenden Fällen" vorlägen.
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