Schüsse in Nürnberger Südstadt
Bildrechte: picture alliance/dpa/vifogra | Eberlein
Bildbeitrag

Schüsse in Nürnberger Südstadt

Bildbeitrag
>

Tödliche Schüsse in der Nürnberger Südstadt – viele Fragen offen

Tödliche Schüsse in der Nürnberger Südstadt – viele Fragen offen

Seit einem Vierteljahr wird der Fall um die tödlichen Schüsse in der Nürnberger Südstadt verhandelt. Viele Fragen sind noch immer offen. Aber der Prozess liefert erstaunliche Einblicke in eine Parallelwelt mitten in einer deutschen Großstadt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Ist Mert A. ein Mörder? Um diese Frage zu klären, kommen die Prozessbeteiligten seit Dezember 2023 regelmäßig im Saal E 006 des Nürnberger Strafjustizzentrums zusammen. Als Letzter wird stets der Angeklagte in den Saal geführt. Er kommt in Handschellen durch einen unterirdischen Gang direkt aus der Untersuchungshaft, begleitet von bewaffneten Wachleuten. Meist trägt er einen Trainingsanzug. Er hat abgenommen in der Untersuchungshaft, auf den Fahndungsplakaten der Polizei vom Herbst 2022 wirkt er deutlich muskulöser. Er könnte einiges erzählen über die Nürnberger Südstadt, die türkische Community, ihre Treffpunkte und die Ansprechpartner. Innerhalb kurzer Zeit hat er viel erlebt in Nürnberg, so zumindest der Eindruck, den die Beteiligten im Prozess liefern. Aber Mert A. schweigt. Das ist sein gutes Recht, kein Angeklagter muss sich im Strafprozess äußern.

Umtriebiger Unternehmer auf dem Zeugenstuhl

Das Gericht hat es sich nicht leicht gemacht und viele Zeugen benannt. Einer nach dem anderen wird geladen, vom Vorsitzenden Richter belehrt und anschließend befragt. War Eifersucht im Spiel oder drehte sich der Streit eher um die Geschäfte, die Mert A. in Nürnberg plante? Und worum ging es da genau? Ende Februar sagt der Inhaber eines Friseursalons aus. Eigentlich ist er Multi-Unternehmer, bei einem Gebäudedienstleister beschäftigt und hat mit Geschäftspartnern während der Pandemie ein Corona-Testzentrum betrieben. Ein "Peterle auf allen Suppen" nennen sie so jemanden in Nürnberg. Seine braunen Haare hat er an den Seiten kurz rasiert, am Hinterkopf sind sie länger und zu einem Herrendutt gebunden. Um den Hals baumeln mehrere Ketten und wenn er beim Reden gestikuliert, klimpern die Ringe an seinen Fingern.

Schutzgeld oder Gewinnanteil?

Mert A. sei ihm von einem Freund vorgestellt worden, berichtet er. Der sei neu in Nürnberg und kenne niemanden, sei ihm gesagt worden, so der Geschäftsmann. Daraufhin habe er ihn regelmäßig zum Frühstück eingeladen und auch schon mal auf der Couch schlafen lassen, wenn Mert A. seinen Schlüssel vergessen habe. Von einem Streit sagt er nichts, das hält ihm der Vorsitzende Richter aus den Akten vor. Bei der Polizei habe der umtriebige Unternehmer nämlich ausgesagt, er sei mit Mert A. uneinig gewesen über dessen Anteil. 60.000 Euro oder 100.000 oder 20 Prozent, aber von welcher Summe? Und wofür eigentlich? Eine richtige Arbeit scheint Mert A. in Nürnberg nämlich nicht gehabt zu haben. Trotzdem habe er stets einen Anteil gefordert und auch bekommen. Geht es hier etwa um Schutzgelderpressung?

Bemerkenswerte Gedächtnislücken

Auf konkrete Fragen will der Saloninhaber nicht antworten. Die Verteidigung des Angeklagten und der Vorsitzende Richter ermahnen ihn und weisen auf seine Aussage- und Wahrheitspflicht hin. Daraufhin setzt sein Gedächtnis aus, er kann sich nicht erinnern. Es geht hin und her, wortreich versucht sich der Zeuge herauszuwinden und die lästigen Fragen abzuschütteln. Schließlich lässt das Gericht von ihm ab, er bleibt unvereidigt und darf gehen. Es bleiben mehr Fragen als Antworten.

Glücksspiel, Rotlicht und Waffen

So geht das mit vielen Zeugen, das Gericht bemüht sich um Aufklärung, will die Verbindungen der meist türkischstämmigen Männer in der Nürnberger Südstadt verstehen und nachvollziehen, warum es am 24. Oktober vor einem Café in der Nürnberger Landgrabenstraße zu den tödlichen Schüssen kam. Haben die Zeugen Angst vor Mert A. und seinen Unterstützern, die noch auf freiem Fuß sind? Oder würden sie sich womöglich selbst belasten, wenn sie erzählen würden, wie es wirklich gewesen ist? Hinweise auf die Geschäfte der Männer gibt es reichlich, ob sie für alle Tätigkeiten steuern zahlen, ist nicht bekannt. Mal ist von E-Shishas und illegalem Glücksspiel die Rede, dann geht es um einen FKK-Club in Nordrhein-Westfalen oder wer wen mit einem Messer bedroht haben soll. Beweise? Fehlanzeige. Bis Mitte Mai sind noch Verhandlungstermine angesetzt, dann will das Gericht das Urteil verkünden. Mert A. könnte wahrscheinlich viele der Fragen beantworten. Bislang zieht er es aber vor zu schweigen.

Polizeieinsatz in der Südstadt 2023.
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Tödliche Schüsse in der Nürnberger Südstadt – viele Fragen offen

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!