Lange hat Stephan Obermaier den Wetterbericht beobachtet, für den richtigen Moment, um Zuckerrüben zu säen. Doch davor muss er noch einmal aus Feld: ein Herbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat spritzen. Um den Boden vor Erosion zu schützen, hat er im Herbst eine Zwischenfrucht gesät. Die soll jetzt absterben.
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"Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt"
Doch warum darf Obermaier überhaupt noch mit Glyphosat spritzen? Der Wirkstoff ist umstritten: Umweltschützer kritisieren, Glyphosat trage zum Artensterben bei, weil es nicht nur Unkraut, sondern alle Pflanzen abtöte.
Die Ampelregierung wollte Glyphosat in Deutschland verbieten. "Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt", stand 2021 im Koalitionsvertrag. Allerdings gibt es einen Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2023, um die Zulassung des Wirkstoffs noch einmal um zehn Jahre, bis 2033 zu verlängern. Bei der EU-Entscheidung hatte sich Deutschland enthalten. Denn die Parteien der Ampel waren sich uneinig – trotz Koalitionsvertrag.
Glyphosat-Einsatz in Bayern
Zum Glyphosat-Einsatz in Bayern gibt es keine offizielle Statistik. Laut Schätzungen der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wird in Bayern auf rund elf Prozent der landwirtschaftlichen Flächen gespritzt. Das ist verhältnismäßig wenig, der Bundesdurchschnitt liegt bei 38 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen. Auch in Parks und auf Sportplätzen kommt der Wirkstoff zum Einsatz.
BUND: Nationales Verbot nicht ganz ausgeschlossen
Grundsätzlich wäre ein nationales Verbot trotz EU-Beschluss nicht ganz ausgeschlossen, es bräuchte aber eine gute Begründung, sagt Corinna Hölzel, Pestizidexpertin vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Mit Blick auf die neue Regierung ist sie skeptisch: "Ich befürchte, es gibt relativ wenig Chancen, dass das in Deutschland umgesetzt wird." Konkrete Aussagen im Koalitionsvertrag von Union und SPD zu Glyphosat gibt es nicht.
Landwirt Obermaier spritzt ein Herbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat auf seinem Rübenfeld.
Wird Glyphosat in den USA vom Markt genommen?
In den USA wiederum hat Bayer-CEO Bill Anderson im März ein freiwilliges Ende des Glyphosat-Geschäfts in den Raum gestellt. 2018 übernahm der deutsche Konzern Bayer den US-Konzern Monsanto und hat seitdem mit viel Kritik zu kämpfen: Zehntausende von Klagen wurden in den USA erhoben, die behaupten, der Wirkstoff sei krebserregend. Schon jetzt belaufen sich diese Klagen auf über neun Milliarden Euro. Weitere 60.000 Klagen stehen noch aus. Deshalb überlegt Bayer, Glyphosat vom Markt zu nehmen – allerdings nur in den USA. Weltweit gibt es auch andere Hersteller von Glyphosat, vor allem in China.
Verbot würde wahrscheinlich Nachfolgeprodukte hervorbringen
Für Corinna Hölzel wäre ein generelles Verbot nur bedingt ein Grund zur Freude. Die Agrarchemiekonzerne würden Nachfolgeprodukte anbieten - ob die dann "harmloser" wären als Glyphosat, sei fraglich: "Es ist nicht so, dass dann ungefährliche Pestizide auf den Markt kommen, mit tatsächlich weniger Risiken für die Artenvielfalt." Ein Argument, das auch in der Diskussion um ein deutsches Verbot immer wieder vorgebracht wird.
BUND: Nicht-chemische Maßnahmen müssen Alternative sein
Trotzdem fordert der BUND stärkere Anwendungseinschränkungen bis hin zu einem Komplettverbot: "Die Alternative müssen nicht-chemische Maßnahmen sein, wie mechanische Bodenbearbeitung und breite Fruchtfolgen", so Hölzel.
Für Landwirt Stephan Obermaier kommt das nicht infrage. Er macht auf seinen Feldern Direktsaat ohne Pflug. Um den Boden vor Erosion zu schützen, hat er sich bewusst gegen mechanische Bodenbearbeitung und für Glyphosat entschieden. Seit über 20 Jahren spritzt er den Wirkstoff. "Wenn ich den Boden mechanisch bearbeite, ist der Acker zwar frei von Pflanzen, aber nackt", erklärt er. Beim Einsatz von Glyphosat bleibe eine Bodenbedeckung an der Oberfläche, die zum Beispiel bei Starkregen vor Abschwemmung schütze. Für ihn ist klar: Er spritzt mit Glyphosat, solange er kann.
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